Drei Monate hat Christian Stocker die ÖVP kommissarisch geführt. Heute wurde er offiziell mit überwältigender Mehrheit zum Parteivorsitzenden gewählt.

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Knapp drei Monate nach der geschäftsführenden Übernahme des Parteivorsitzes ist Bundeskanzler Christian Stocker nun auch offiziell ÖVP-Chef. Bei einem ordentlichen Bundesparteitag der ÖVP am Samstag in seiner Heimatstadt Wiener Neustadt wurde Stocker mit 98,42 Prozent der Stimmen zum Bundesparteiobmann gewählt. Nach den turbulenten Monaten seit der Nationalratswahl bemühte sich die Volkspartei bei dem Parteitag, Geschlossenheit zu demonstrieren.

Ausgedrückt wurde dies schon mit der prominenten Riege an Teilnehmern: Alle Parteichefs der letzten drei Jahrzehnte - mit Ausnahme Reinhold Mitterlehners - saßen in der ersten Reihe der mit schwarzem Stoff ausgekleideten und türkis beleuchteten Arena Nova in Wiener Neustadt, allen voran die Altkanzler Wolfgang Schüssel, Sebastian Kurz und Karl Nehammer. Letzterem wurde die Gelegenheit für eine emotionale Abschiedsrede gegeben. Eine seiner besten Entscheidungen sei es gewesen, Stocker zum Generalsekretär zu ernennen, so Nehammer.

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Dieser zeigte sich über sein Wahlergebnis zufrieden, auch wenn er nicht das Ergebnis seines Vorgängers Nehammer erreicht hatte. Das war freilich eine hohe Latte, war dieser doch 2022 bei einem außerordentlichen Parteitag mit 100 Prozent der Stimmen zum Parteichef gewählt worden. Die Ergebnisse für ÖVP-Chefs sind ihren ersten Obmann-Wahlen traditionell eher hoch. Stockers Zustimmung lag mit 98,42 Prozent knapp unter jener von Kurz, der bei seiner ersten Wahl 2017 98,72 Prozent erhalten hatte.

Stocker will "Land, in dem Recht nicht von Religion ausgeht"

Der einstige Generalsekretär zeigte sich in seiner Parteitagsrede routiniert und gemäß seiner neuen Kanzler-Rolle unaufgeregt und verbindend. Er betonte, dass er seine Wahl wie auch die meisten anderen im Saal vor wenigen Wochen noch nicht für möglich gehalten hätten. Als seine Vision für die Zukunft skizzierte Stocker "ein Land, in dem Leistung, Fleiß und Engagement geschätzt und respektiert werden", in dem man aufeinander schaue, aber sich nicht ausnütze, "ein Land der Wissenschaft und nicht der Verschwörungstheorie" und "ein Land, in dem das Recht vom Volk ausgeht und nicht von der Religion".

Eine klare Abgrenzung zog er zur FPÖ und dessen Chef Herbert Kickl. Vorbild für Kickl sei der US-Präsident Donald Trump. "Aber ich bin kein Partner für ein Österreich, das vertrumpt", erklärte er das Scheitern der Koalitionsverhandlungen mit den Freiheitlichen. Das was Kickl nicht geschafft habe, nämlich "sich neu zu erfinden", hätten "die NEOS, die SPÖ und auch wir geschafft". Man gebe einander in der Koalition Raum und gönne sich gegenseitig Erfolge.

Wieder Platz eins als Ziel

Der neue Generalsekretär Nico Marchetti gab das Ziel aus, dass "die ÖVP bei der nächsten Nationalratswahl wieder Nummer Eins wird". Dazu müsse man auch "Veränderung zulassen", appellierte er an die Delegierten, dass die Unterstützung für die ÖVP-Führung auch nach dem Parteitag "eine belastbare und nachhaltige sein" müsse. Denn "der Zauber des Anfangs währt nicht ewig", warnte Marchetti.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger sorgte für Stimmung mit launigen Bonmots aus den Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ. Diese habe etwa keine englischen Wörter zugelassen, weshalb man die Community Nurses als Gemeindeschwestern habe bezeichnen müssen. Über die nunmehrige Dreierkoalition meinte Wöginger: "Das Kind lebt, es entwickelt sich gut. Es passen drei darauf auf, vielleicht ist das auch ein Vorteil."

Stocker und Kurz als Fotomotive

Der ordentliche 41. Parteitag stand im Zeichen des 80. Jubiläums der im Jahr 1945 gegründeten Volkspartei. Mit lebensgroßen Pappfiguren wurde an die bisherigen 18 Parteiobmänner seit 1945 erinnert. Beliebtestes Fotomotiv war dabei Stocker. Aber auch mit Ex-Kanzler Kurz ließen sich zahlreiche offenbar nach wie vor in der Partei vorhandene Fans beim Eintreffen ablichten.

Gewählt wurden neben Stocker auch seine vier Stellvertreter: Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer mit 97,52 Prozent, die Vorarlberger Klubobfrau Veronika Marte mit 97,74 Prozent - beide waren bereits bisher in dieser Rolle -, sowie neu die künftige Salzburger Landeshauptfrau Karoline Edtstadler mit 98,19 Prozent und EU-Parlamentarierin Sophia Kircher mit 97,52 Prozent.

Vonseiten der FPÖ kam erwartungsgemäß Kritik. Der blaue Generalsekretär Christian Hafenecker sprach in einer Aussendung von einer "skurrilen Show aus einem von der Realität und der Bevölkerung abgekoppelten Paralleluniversum". Was die ÖVP als "Neue Wege. Richtige Entscheidungen" für sich abgefeiert habe, bedeutet für die Österreicher ein "Weiter wie bisher - nur noch schlechter".(APA/bearbeitet von jst)