Die Regierungsparteien haben sich auf eine Steuerreform geeinigt. Auch wenn es noch kein offizielles Statement von ÖVP und SPÖ gibt, überschlagen sich die Reaktionen der Presse und der Opposition.
"Der Standard": "Ein Tritt ans Schienbein der Reichen" - Kommentar von Michael Völker
Am griffigsten zu kommunizieren ist wohl noch der neue Spitzensteuersatz von 55 Prozent, der allerdings nicht viel bringt und nur ganz wenige betrifft. Das ist mehr ein symbolischer Akt. Die SPÖ zeigt damit, dass sie "den Reichen" doch ein wenig gegen das Schienbein tritt, nicht fest, aber immerhin.
Die Euphorie in der Bevölkerung und bei der jeweils eigenen Klientel wird sich in engem Rahmen halten. Vieles bleibt bei dieser Steuerreform im Vagen. Die Betrugsbekämpfung, die gleich mit 1,9 Milliarden Euro beziffert ist, ebenso wie die Einsparungen in der Verwaltung, die eine Milliarde Euro bringen sollen, müssen erst mit Leben erfüllt und umgesetzt werden. In beiden Fällen ist Skepsis angebracht.
"Die Presse": Bankgeheimnis für Betriebe fällt
Dieser Punkt, mit dem das Bankgeheimnis für Unternehmen jedenfalls aufgeweicht wird, war bis Freitagmittag öffentlich nicht bekannt. Zugleich dürfte das neben der Einführung der Pflicht für elektronische Registrierkassa der zentrale Grund für den massiven Widerstand der Wirtschaft und von ÖVP-Wirtschaftsbundobmann Christoph Leitl gegen die Steuerpläne sein. Als "Trostpflaster" und zur Beruhigung gab es kurzfristig praktisch über Nacht für die Wirtschaft ein Maßnahmenpaket von 200 Millionen Euro, mit dem das Steuerreformpaket auf insgesamt 5,2 Milliarden Euro ausgeweitet wurde.
FPÖ-Chef
Für Heinz-Christian Strache ist die Steuerreform alles andere als ein großer Wurf. Eine halbe Ewigkeit habe die Regierung herumgedoktert, um dann ein kümmerliches Paketchen auf die Reise zu schicken.
Die Abgabenquote werde sich durch diese "Reform" nicht nach unten bewegen, eine Entlastung finde daher in Wahrheit nicht statt. Besondere Kritik übt Strache daran, dass die "kalte Progression" nicht bekämpft werde. In spätestens zwei Jahren sei dadurch die ohnehin kaum zu spürende Wirkung der Steuerreform für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder verpufft.
NEOS: "Eine Beruhigungspille namens Steuerreform – an den echten Herausforderungen für Österreich vorbei"
"Das, was die Regierung hier vorlegt, ist nicht mehr als eine Vergangenheitsbewältigung", kommentiert NEOS Klubobmann
Planlos und fantasielos seien die geplanten Maßnahmen auf der Seite der Gegenfinanzierung. Notwendige Reformen, wie eine Pensionsreform, fehlten, und an die kommenden Generationen werde nur insofern gedacht, als diese einmal mehr zur Kasse gebeten würden. Strolz: "Mutige Reformen, um Spielraum für Zukunftsinvestitionen in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation zu schaffen, fehlen vollkommen. Und der sündteure Spendierföderalismus wird opportunistisch fortgesetzt. Zukunftsinvestitionen, Abschaffung der Kalten Progression, Steuerverantwortung für die Bundesländer - nein Fehlanzeige. Das bringt diese marodierende Große Koalition nicht zusammen."
Team Stronach: "Steuerreform wird Sturm im Wasserglas"
"Diese angekündigte Steuerreform, für die sich Kanzler Faymann und Vizekanzler Mitterlehner schon selbst feiern, wird ein Sturm im Wasserglas", sagt Team-Stronach-Klubobfrau Waltraud Dietrich. Schon die wenigen bisher bekanntgewordenen Eckdaten lassen demnach vermuten, "dass wieder Wohlfühlzahlen verwendet wurden, wie Finanzminister Schelling dann in einigen Monaten wieder wird zugeben müssen".
Zudem müsse zuerst abgewartet werden, "ob die Schattenregierung aus Gewerkschaft und Kammern die von Kanzler und Vizekanzler angekündigte Reform überhaupt genehmigt", betont Dietrich. "Die Österreicher dürfen jedenfalls gespannt sein, wie Faymann und Mitterlehner heute Abend versuchen werden, eine bloße Geld-Umverteilaktion ohne echte Reformen schmackhaft zu machen. Da wird so manchen ein Bissen im Hals stecken bleiben."
Die Grünen: "Steuerreform ist nur Tarifanpassung"
Nach Ansicht der Grünen werden hauptsächlich die mittleren und oberen Einkommensbereiche entlastet. Von einer Steuerreform könne man daher nicht wirklich sprechen. "Wir haben es mit einer Tarifanpassung zu tun. Die Behauptung, dass Niedrigverdiener entlastet werden, ist falsch", sagt Eva Glawischnig, Bundessprecherin der Grünen. Die obersten zehn Prozent der Spitzenverdienerinnen werden Minibeträge zahlen und sind in den Verhandlungen geschützt worden.
Insbesondere die Gegenfinanzierung sei problematisch. "Bis zur Hälfte ist diese Tarifanpassung auf Sand gebaut", so Glawischnig. Es ist zu befürchten, dass die Reform dank fehlender Gegenfinanzierung durch Kürzungspakete bezahlt werden muss. Positiv ist zwar, dass das Geld aus der Betrugsbekämpfung kommen soll. Allerdings sind die veranschlagten knapp zwei Milliarden Euro überhöht.
(Zusammenstellt von rs)
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