Fünf Jahre lang waren die Erträge der weltweiten Rüstungsproduzenten rückläufig – nun steigt der Absatz wieder, die Rüstungsausgaben gehen nach oben. Was sind die Gründe? Und was ist dran an dem Vorwurf, dass Donald Trump diese Entwicklung fördert?

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Im Rückblick auf das Jahr 2016 hatte das schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri im September in seinem Jahrbuch 2017 "einigen Grund zur Sorge" geäußert.

In einer neuesten Studie erhärtet sich die Befürchtung: Die Zeiten rückläufiger Rüstungsproduktion sind vorbei. Von 2015 auf 2016 haben die Waffenverkäufe um 1,9 Prozent zugenommen, im Vergleich zu 2002 sogar um 38 Prozent – die Welt scheint sich wieder neu zu bewaffnen.

Politikprofessor Michael Brzoska blickt auf die Zahlen und mögliche Erklärungen.

Herr Brzoska, was sagt die neue Sipri-Studie aus?

Michael Brzoska: Wir wissen, dass weltweit mehr Geld ausgegeben wird für militärische Einsätze, für Personal und für die Beschaffung. Sipri hat in dieser Studie die Beschaffungsausgaben gemessen. Analysiert werden die Verkaufszahlen der hundert größten Rüstungsproduzenten der Welt.

Hat das Anwachsen der Rüstungsproduktion auch etwas mit Donald Trumps Außenpolitik zu tun?

Die Zahlen beziehen sich auf die Zeit bis 2016, als Trump noch gar nicht im Amt war. Die USA haben unter Barack Obama ihre Rüstungsausgaben reduziert. Aber schon gegen Ende seiner Amtszeit sind sie wegen des Krieges in Syrien wieder nach oben gegangen. Zahlen für 2017 liegen noch nicht vor.

Wie ist die weitere Entwicklung einzuschätzen?

Wir sehen seit einigen Jahren wieder teils drastische Zuwächse bei den Militärausgaben – nicht nur in den USA. China erhöht seine Ausgaben im Takt seines Wirtschaftswachstums. Indien steigert wieder ganz drastisch. Und auch in West- und Osteuropa gehen die Ausgaben nach oben.

In Russland ist der Trend nicht ganz so rasant, weil das Land ökonomische Probleme hat.

Die USA werden auch 2017 mehr Geld ausgeben, das ist sehr klar. Der Kongress hat entsprechende Signale ausgesandt. Auch einige Demokraten meinen, dass die Konflikte mit Iran, Irak, Syrien und China Mehrausgaben erforderlich machen.

Um welche Summen geht es?

Für sicher halte ich eine Steigerung um 20 bis 30 Milliarden Dollar. Ob es mehr wird, lässt sich noch nicht abschätzen.

Solche Ausgabensteigerungen wirken sich auf Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze in den USA aus. Liegt hier Donald Trumps wahre Absicht?

Ich glaube nicht, dass er das bewusst so steuert. Klar kommen ihm diese Zuwächse gelegen. Aber man muss die Relationen sehen: Die USA geben rund 600 Milliarden Dollar fürs Militär aus, ein Drittel davon geht in die Beschaffung, also etwa 200 Milliarden – das ist ungefähr ein Prozent der amerikanischen Wirtschaftsleistung.

Donald Trump bemüht sich weiterhin nicht erkennbar um die Eindämmung von Konflikten. Wird das zukünftig Auswirkungen auf die Rüstungsausgaben haben?

Generell ruft Trumps Politik eher Gegenwind hervor und stärkt damit die Argumente derer, die höhere Militärausgaben befürworten. In den USA funktioniert offensichtlich die Methode, mit dem Schüren von Konflikten die Militärausgaben zu fördern.

Es gibt viele Abgeordnete, die dabei an Wirtschaftsförderung für ihren Wahlkreis denken. Auch einige Politiker der Demokraten meinen, dass die Konflikte beispielsweise mit Iran, Syrien und China mehr Rüstung erforderlich machen.

Auch von Europa fordert Trump eine Erhöhung der Rüstungsausgaben.

In Europa ist die Interessenlage uneinheitlich. Da gibt es einen bunten Strauß an Vorstellungen. Osteuropäische Länder wie Polen und Rumänien fühlen sich bedroht und fordern daher mehr Rüstung.

Andere Länder wie Deutschland, Italien und Spanien machen aus politischen Gründen mit, weil sie fürchten, dass es sonst in der Nato knirscht. Was die Briten machen, lässt sich nach dem Brexit sehr schwer einschätzen. Werden sie sich auch militärisch zurückziehen? Oder wollen sie auf mehr eigene Verteidigung setzen?

Der französische Plan scheint klar: Macron möchte wegen des Flüchtlings- und Terrorproblems ganz Europa für eine aktive Nordafrika-Politik einspannen. Er möchte also die eigene Rüstung nicht groß erhöhen, aber das Engagement in diesem Bereich trotzdem nicht zurückfahren.

Trump fordert, dass die europäischen Staaten ihre Militär-Etats auf mindestens zwei Prozent ihrer Haushaltsausgaben erhöhen. Werden sie das tun?

Die Europäer haben das Ziel mitgetragen, weil sie keinen Streit wollen. Ob sie das auch wirklich machen, ist schwer zu sagen. Aber der Trend geht auf jeden Fall zu höheren Ausgaben und mehr Beschaffung.

Wird am Ende die europäische Wirtschaft von mehr Rüstungsausgaben sogar profitieren?

Es ist nicht klar, wo zusätzliches Geld ausgegeben werden wird. Emmanuel Macron drängt auf die Stärkung europäischer Kooperationen. Man wird aber, um die Amerikaner nicht vor den Kopf zu stoßen, nicht nur in Europa kaufen.

Die amerikanische Rüstungsindustrie ist der europäischen in einigen Bereichen überlegen. Was zum Beispiel Drohnen und Kampfflugzeuge anbelangt, würden möglicherweise die USA von erhöhten Rüstungsausgaben profitieren. Für Europa sind die Auswirkungen schwer vorauszusehen, solange es keine konkreten Zahlen gibt.

Professor Michael Brzoska ist Senior Research Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg.



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