Es ist offiziell: Der ehemalige Bundeskanzler Christian Kern tritt als SPÖ-Chef zurück. Eine neue Aufgabe scheint aber gefunden. Der Sozialdemokrat wird eigenen Worten zufolge EU-Spitzenkandidat der Sozialdemokraten.

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SPÖ-Chef Christian Kern wird die politischen Zelte in Österreich abbrechen, als Spitzenkandidat bei der EU-Wahl antreten und nach Brüssel wechseln. Spätestens nach dieser Wahl am 26. Mai 2018 wird Kern auch als SPÖ-Bundesparteichef zurücktreten.

Dies teilte Kern am Dienstagabend in der SPÖ-Parteizentrale in einer persönlichen Erklärung mit. In der SPÖ reagierte man auf die Ankündigung überrascht.

Gerüchte bewahrheiten sich

Zuvor waren im Laufe des Nachmittags erste Rücktrittsgerüchte Kerns aufgetaucht. Kern wollte die Granden seiner Partei eigentlich bei einem seit mehreren Monaten geplanten Abendessen über seine Pläne informieren. Der Teil mit dem Rückzug von der Parteispitze fand freilich vorzeitig den Weg zu den Redaktionen.

Um 18.00 Uhr informierte der noch amtierende SPÖ-Chef die Öffentlichkeit, danach fand im Renner-Institut in Wien-Meidling das ursprünglich angesetzte Treffen mit den Landesparteichefs statt, bei dem es bereits um die Nachfolge ging.

Kern sieht Demokratie gefährdet

In seiner Erklärung betonte Kern, dass er die Spitzenkandidatur der österreichischen Sozialdemokraten bei der Europawahl mit aller Konzentration angehen wolle.

"Das ist eine Auseinandersetzung, die ich nicht als die Mutter aller Schlachten bezeichnen würde wollen, aber das ist eine ganz besonders wichtige Auseinandersetzung, weil das Konzept einer liberalen weltoffenen Demokratie massiv herausgefordert wird, von den Orbans, den Kaczynskis, den Straches, den Salvinis. Hier agieren Menschen, die die Abrissbirne gegen Europa einsetzen."

Ziel: Europaweite Spitzenkandidatur

Die Sozialdemokratie müsse dafür sorgen, "dass Europa weiter eine leuchtende Stadt auf einem Hügel bleibt und nicht in einem nationalistischen Sumpf versink", so Kern. Der SPÖ-Politiker strebt dabei offenbar auch die europaweite Spitzenkandidatur für die Sozialdemokraten an, wie es in der SPÖ-Zentrale hieß.

Er sei dafür die am besten geeignete Person, meinte ein Mitarbeiter nach Kerns Auftritt. Am Mittwoch findet am Rande des informellen EU-Gipfels in Salzburg ein Treffen der Europäischen Sozialdemokraten statt, zu dem Kern geladen hat.

SPÖ muss Zeit gewinnen

Mit seinem Wechsel in die Europapolitik werde er den SPÖ-Vorsitz abgeben, erklärte Kern weiter - "spätestens nach der Europawahl". Auf Journalistenfragen, ob er beim kommenden SPÖ-Parteitag am 6. Oktober damit noch einmal für den SPÖ-Vorsitz kandidieren wird, gab Kern beim Verlassen der Parteizentrale keine Antwort.

Kern wäre dem Vernehmen nach grundsätzlich bereit, die Partei noch einige Monate zu führen, hier dürften aber die Parteigremien noch ein gewichtiges Wort mitreden, wie sinnvoll es ist, in zwei Wochen einen Parteichef auf Abruf zu wählen und danach eine monatelange Nachfolgediskussion zu führen. Möglich wäre es auch noch, den Reformparteitag kurzfristig zu verschieben und damit etwas Zeit zu gewinnen.

Wer wird Kerns NachfolgerIn?

Kern selbst machte bei seinem Medienauftritt keine Angaben zu seiner möglichen Nachfolge an der Parteispitze. In der Vergangenheit ließ er aber immer wieder Sympathie für eine Frau anklingen. Dienstagnachmittag machten die üblichen roten Verdächtigen wie Nationalratspräsidentin Doris Bures, der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser, Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil oder Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner als potenzielle Kandidaten die Runde.

Kaiser wies etwaige Ambitionen dabei noch vor Kerns Erklärung von sich. "Ich kandidiere am Bundesparteitag sicher nicht für diese Funktion", so der Kärntner SPÖ-Chef. Zugleich sicherte der Landeshauptmann Kern als EU-Spitzenkandidat seine "unumwundene Unterstützung" zu.

Erste Reaktionen gab es auch aus anderen Parteien. FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache sprach nach der Kern-Erklärung von einer "wahrlich bizarren Überraschung". Die Liste Pilz erhofft sich vom Wechsel an der SPÖ-Spitze eine schlagkräftigere Opposition. (sg/APA)  © APA

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