Vor der Wahl in Spanien ist nur eines klar: dass nichts klar ist. Spekulierende Zeitungen würfeln mögliche Koalitionen bunt durcheinander. Regierungschef Sánchez wird wohl die meisten Stimmen holen - trotzdem könnten die Rechtsextremisten mitregieren.
Spanien wählt am Sonntag nicht einmal elf Monate nach der Amtsübernahme des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez ein neues Parlament.
Knapp 37 Millionen Wahlberechtigte sind zu den Urnen gerufen. Laut Umfragen dürfte Sánchez' "Sozialistische Arbeiterpartei" (PSOE) mit etwa 30 Prozent der Stimmen als Sieger aus der Neuwahl hervorgehen. Jedoch wird sie voraussichtlich nicht auf eine regierungsfähige Mehrheit kommen. In der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone droht eine möglicherweise schwierig zu lösende Blockade, wie es sie schon 2016 gegeben hat.
Wahlen brachten kein Ergebnis
Damals war das Land trotz zweier Wahlgänge innerhalb von sechs Monaten fast ein Jahr lang ohne reguläre Regierung geblieben. Auslöser war das Ende des faktischen Zweiparteiensystems aus der konservativen Volkspartei PP und der PSOE sowie die daraus resultierende Zersplitterung der Stimmen. Die schwache konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hielt anschließend nur gut eineinhalb Jahre. Sánchez gelangte vergangenen Juni nach einem Misstrauensantrag gegen Rajoy an die Macht, seine PSOE kam aber auch nur auf 84 von 350 Abgeordneten im Congreso de los Diputados in Madrid.
Viele Wähler waren Umfragen zufolge bis zuletzt unentschlossen und könnten am Sonntag das Zünglein an der Waage sein. Sollten sie sich vorwiegend für die konservativen Kräfte mit der Volkspartei PP an der Spitze entscheiden, könnte dies mit den liberalen Ciudadanos und der Rechtsaußen-Partei Vox in einer mehrheitsfähigen Koalition münden. Dieser würde wahrscheinlich der bisherige Oppositionsführer vorstehen, PP-Spitzenkandidat Pablo Casado. Käme es zu einem Pakt der drei Parteien würde in Spanien mit dem Parlamentsneuling Vox unter Führung von Santiago Abascal zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder eine rechtsextreme Formation mitregieren.
Rechte könnten ins Parlament einziehen
Unterstützt werden die Rechten vom italienischen Innenminister und Vize-Regierungschef Matteo Salvini. "Lieber Santiago Abascal, ich zähle darauf, dass die Spanier Vox an diesem Sonntag ein tolles Ergebnis bescheren, damit auch bei Euch der gesunde Menschenverstand, die Veränderung und die Zukunft siegen", twitterte der fremdenfeindliche Hardliner von der rechten Partei Lega zum Wahlkampf-Abschluss am Freitag. In Andalusien ist Vox bereits seit Februar an der Regierung beteiligt, nachdem die PP und Ciudadanos einen Pakt mit ihr geschlossen hatten.
Regierungschef Sánchez (47) war im vergangenen Sommer mit Hilfe katalanischer Separatistenparteien an die Macht gekommen. Das brachte ihm viel Kritik ein. Nachdem er nicht auf Forderungen der separatistischen Abgeordneten einging, entzogen ihm diese im Februar bei der Haushaltsdebatte ihre Unterstützung. Daraufhin rief der Sozialist die Neuwahl aus. Wenn die Umfragewerte sich als wahr erweisen, wird aber auch dieses Mal eine Koalition aus PSOE und dem linken Wahlbündnis Unidos Podemos nicht für eine Regierungsbildung ausreichen.
"Niemand hätte gedacht, dass Trump Präsident der USA werden würde, oder Bolsonaro Präsident Brasiliens. Oder dass es einen Brexit geben könnte. Den Unterschied, ob Spanien in die Zukunft blickt oder 40 Jahre zurückgeworfen wird, macht die Stimme für die PSOE aus", rief Sánchez zum Wahlkampfabschluss seinen Anhängern zu.
Die Wahllokale schließen um 20 Uhr und auf den Kanarischen Inseln um 21 Uhr MESZ. Kurz danach werden erste Prognosen erwartet. © dpa
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