Der Landbauer-Skandal zieht weitere Kreise: Einen Tag nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer meldet sich jetzt auch der Kanzler zu Wort.
Wenige Tage vor der Niederösterreich-Wahl erschüttert ein Skandal das Land: Der "Falter" veröffentlichte Recherchen über die Burschenschaft Germania und deren - laut der Zeitung - stellvertretenden Vorsitzenden, FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer. Nun hat auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf die Vorwürfe reagiert.
"Die publik gewordenen Liedtexte der Germania sind rassistisch, antisemitisch und absolut widerwärtig", fand der Bundeskanzler klare Worte auf Twitter. "Dafür darf es in unserem Land keinen Platz geben."
Es brauche daher "volle Aufklärung", forderte Kurz. "Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden."
Strache distanziert sich von Liedtext und verteidigt Landbauer
Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hatte auf Facebook Stellung zu den "Falter"-Recherchen bezogen - und sich gleichzeitig hinter Udo Landbauer gestellt. "Er (Landbauer, Anm.) soll für einen widerlichen, empörenden und zutiefst abzulehnenden Liedtext verantwortlich sein, den er gar nicht kennt und welcher gedruckt wurde, als er gerade einmal elf Jahre jung war", schrieb
Vom Inhalt des Textes distanzierte sich auch der FPÖ-Obmann: "Solche widerwärtigen und antisemitischen Texte haben in unserer Gesellschaft keinen Platz." Jeder, der Udo Landbauer kenne, wisse, "dass er mit Totalitarismus und Antisemitismus nichts am Hut hat".
Landbauer stellte Germania-Mitgliedschaft ruhend
FPÖ-Spitzenkandidat Landbauer hatte in einer ersten Reaktion auf die "Falter"-Recherchen erklärt, er sei "auf das Äußerste entsetzt und schockiert". Er habe erst durch den Artikel Kenntnis von dem Liedtext erhalten und ziehe "sofort die notwendigen Konsequenzen", teilte der niederösterreichische Politiker mit.
"Im Konkreten bedeutet dies, dass ich meine Mitgliedschaft in diesem Bund umgehend ruhend stelle und die Einsetzung einer Untersuchungskommission mit allen auch rechtlichen Konsequenzen fordere, um diese skandalöse Angelegenheit restlos und umfassend zu klären, gegebenenfalls auch vor Gericht", erklärte Landbauer.
Auch die Burschenschaft "Germania zu Wiener Neustadt" meldete sich am Mittwoch in einem knappen Statement zu Wort: "Die pennale Burschenschaft Germania distanziert sich von jeder Verherrlichung der Verbrechen der NS-Diktatur. Wir lehnen als Mittelschülerverbindung jede Diskriminierung von Religionen zutiefst ab sowie jegliche Art von Antisemitismus. Wir distanzieren uns von den im 'Falter' zitierten Texten."
Das besagte Liederbuch sei vor 21 Jahren gedruckt worden. "Warum derart menschenverachtende Liedertexte überhaupt abgedruckt wurden beziehungsweise nicht restlos entfernt wurden, wird eine Versammlung der Verbindung morgen klären", teilte der Verein mit.
Philip Wenninger, stellvertretender Obmann der Mittelschülerverbindung, sagte der APA, dass man seit Jahren das 1997 gedruckte Liederbuch erneuern wolle. Allerdings habe es bisher dafür am nötigen Geld gefehlt - es sollte ein ledergebundenes Buch werden.
Rücktrittsforderungen von SPÖ und NEOS
Von politischen Gegnern kamen mehrere Rücktrittsforderungen. Sabine Schatz, SPÖ-Sprecherin für Gedenkkultur, forderte rasche Konsequenzen: "Hier gibt es keine Zweifel. Offenbar gehören NS-verherrlichende, judenfeindliche und andere rassistische Lieder zum Freizeitprogramm." Landbauers "Ausreden" seien "lächerlich".
Auch der Bundesgeschäftsführer der SPÖ, Max Lercher, ließ wissen, Landbauer müsse "die massiven Vorwürfe um das Liedgut seiner Burschenschaft aufklären oder sofort zurücktreten". FPÖ-Landesparteiobmann Walter Rosenkranz solle nun Aufklärungsarbeit leisten.
Die NEOS-Spitzenkandidatin Indra Collini äußerte sich zu den Vorwürfen: "Sollten sich diese bestätigen, bleibt Landbauer als einzige Konsequenz der Rücktritt. Dieser Stil und diese Geisteshaltung haben in Niederösterreich und vor allem in der nächsten Landesregierung keinen Platz."
ORF-Journalist Armin Wolf warf unterdessen auf Twitter die Frage auf, ob nicht Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz "dringend wegen des Verdachts auf Wiederbetätigung gegen den Verein ermitteln" müssten.
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