Die Koalitionsverhandlungen in Österreich zwischen der FPÖ und der ÖVP gestalten sich schwierig und ziehen sich in die Länge. Vor allem über die Verteilung der Ressorts wird heftig diskutiert.
Seit einem Monat laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen der rechten FPÖ und der konservativen ÖVP. Ein Scheitern ist immer noch möglich. Am Montag wollten zwar beide Parteien dem Vernehmen nach ihre Verhandlungen fortsetzen, doch sie werden überschattet von zahlreichen Konfliktpunkten. Jüngst war eine umfangreiche Liste offener Fragen bekanntgeworden. Dazu zählt demnach die von der FPÖ geforderte Zurückweisung von Migranten an der Außengrenze und das Anliegen der Rechtspopulisten, das Asylrecht durch ein Notgesetz außer Kraft zu setzen. Auch die Besetzung der Ministerposten ist ein Zankapfel.
FPÖ stärkste Kraft in Österreich
Die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) war bei der Parlamentswahl im September mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft im österreichischen Parlament geworden. Keine der anderen größeren Parteien war allerdings zunächst zu einer Koalition mit ihr bereit. Nachdem Koalitionsgespräche zwischen der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) und den liberalen Neos dann aber gescheitert waren, hatte Bundespräsident Alexander van der Bellen mit FPÖ-Chef
Schon länger schwelen die Differenzen zwischen FPÖ und ÖVP in der EU- und der Außenpolitik. Die extrem kritische Haltung von Kickl gegenüber der Europäischen Union ist der ÖVP ein Dorn im Auge. Denn er könnte als Kanzler zusammen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban versuchen, wichtige EU-Entscheidungen zu blockieren – zum Beispiel zur Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland.
FPÖ im Innenministerium könnte Österreichs Sicherheit gefährden
Außerdem könnte eine Regierungsbeteiligung der FPÖ einem Bericht zufolge die Sicherheit in Österreich gefährden – insbesondere, wenn die rechtspopulistische Partei das umkämpfte Innenministerium bekommen sollte. Dies könnte eine negative Auswirkung auf die Spionageabwehr des Landes haben und ein mögliches "Einfallstor für fremde Mächte" darstellen, wie aus einem anlässlich der aktuellen Koalitionsgespräche vom Sicherheitsapparat verfassten Papier hervorgeht, das dem Magazin "Spiegel" am Montag vorlag.
"Eine Regierungsbeteiligung der FPÖ, speziell die neuerliche Übernahme des Innenministeriums, hätte direkte und negative Auswirkungen auf die Ermittlungsarbeit und die Spionageabwehr der Republik", heißt es demnach in dem Papier. Weiter wird für diesen Fall vor einer möglichen "Schwächung der Abwehrfähigkeit des Staates gegen Gefahren aus dem In- und Ausland" gewarnt.
Der FPÖ-Chef und Kanzleraspirant Herbert Kickl reklamiert neben der Zuständigkeit für die Europapolitik auch das Finanzministerium und das Innenministerium für seine Partei. Letzteres präge die ÖVP jedoch seit einem Vierteljahrhundert und gelte für die Partei als unverhandelbar, heißt es beim "Spiegel".
FPÖ wird Russlandnähe vorgeworfen
Dem Dokument zufolge wird die FPÖ zudem auf mehreren Ebenen als mögliches Einfallstor für militante Kräfte und fremde Mächte beschrieben. Laut Bundeskriminalamt gebe es eine "tiefgehende Verwurzelung der Beziehungen der FPÖ zu russischen Netzwerken". Die Rechtspopulisten gelten seit Jahren als besonders russlandnah – auch noch nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Dem Sicherheitspapier zufolge zählt Österreich zu den besonders stark von Sabotageakten betroffenen Ländern Europas.
Mit Verweis auf eine Razzia beim Verfassungsschutz im Jahr 2018 unter dem damaligen Innenminister Kickl heißt es in dem Papier, dass die FPÖ "selbst vor einer gezielten Einflussnahme auf die Sicherheitsbehörden nicht zurückschreckt". Die Razzia wurde später als illegal befunden, der FPÖ Machtmissbrauch vorgeworfen. Erst nach der "Ibiza"-Affäre 2019 und der Absetzung der FPÖ-Minister begannen die restlichen europäischen Sicherheitsbehörden wieder damit, enger mit Österreich zusammenzuarbeiten.
Bereits kurz nach der Wahl 2024, als die FPÖ als stärkste Kraft hervorging, warnten unter anderem deutsche Politiker vor einer neuen Regierungsverantwortung der Rechten. Kickl und die FPÖ gleichen einem "trojanischen Pferd Russlands", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter. Im Falle einer Regierungsbeteiligung sei eine "tiefere Zusammenarbeit mit deutschen und westlichen Diensten intensiv zu prüfen, denn das würde unsere eigene Sicherheit letztlich schwächen". Österreich müsste nach den Worten Kiesewetters dann damit rechnen, vom Datenfluss westlicher Dienste ausgeschlossen zu werden.
Davor warnt auch das Behördenpapier. Genau heißt es dort, dass eine Kontrolle der FPÖ über den Sicherheitsapparat zu einem Versiegen des so wichtigen Informationsflusses führen könnte und damit die innere Sicherheit der Republik Österreich massiv bedrohe.
Platzen die Koalitionsgespräche doch noch?
Beide Parteien sollen laut "Spiegel" einen so starken Fokus auf das Innenministerium gelegt haben, dass schon darüber diskutiert wurde, das Ministerium aufzuteilen. So soll die ÖVP über den Sicherheitsapparat entscheiden, während sich die FPÖ in einem neu geschaffenen Migrationsministerium um die Ausländerpolitik kümmern solle. Diese Idee wurde aber schon von Juristen als verfassungsrechtlich kaum umsetzbar abgetan.
Eine der beiden Parteien müsste also in den kommenden Tagen nachgeben oder die Koalitionsverhandlungen werden platzen. Vielleicht legt es die ÖVP sogar darauf an, denn unterdessen betonten die SPÖ und die Neos ihre Bereitschaft, erneut für Koalitionsgespräche mit der ÖVP zur Verfügung zu stehen. Der Versuch einer solchen Dreier-Koalition war in einem ersten Anlauf nach rund 100 Tagen Anfang Januar überraschend gescheitert.
SPÖ-Chef Andreas Babler betonte im ORF, dass es angesichts der möglichen FPÖ-ÖVP-Koalition für die SPÖ keine roten Linien in neuen Gesprächen mehr geben würde. Auch Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler warnte erneut: "Wenn die ÖVP die in Teilen rechtsradikale FPÖ und den Herbert Kickl ins Kanzleramt hievt, dann lädt sie historische Schuld auf sich", sagte er im ORF-Fernsehen. (afp/dpa/bearbeitet von the)
![JTI zertifiziert](https://s.uicdn.com/uimag/7.5765.0/assets/_sn_/module_assets/article/jti-z-light.png)
![JTI zertifiziert](https://s.uicdn.com/uimag/7.5765.0/assets/_sn_/module_assets/article/jti-z-dark.png)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.