Beim Puls 4-Sommergespräch zeigt sich Sebastian Kurz weiterhin makellos. Keine Fehler, aalglatte Antworten, wenig Angriffsfläche. Trotz harter Interviewführung gibt der ÖVP-Chef einen Vorgeschmack darauf, wie schwer es wird, ihn im Wahlkampf zu besiegen. Eine Zusammenfassung.

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Kaum ein Politiker polarisiert momentan so sehr wie Sebastian Kurz. Was ungewöhnlich ist, wenn man bedenkt, dass es sich um das längstdienende ÖVP-Regierungsmitglied handelt.

Das vergisst man aber schnell, wenn man ihm zuhört: Denn er kritisiert die Regierung, Politiker der Vergangenheit und die Politik an sich. Es klingt ein bisschen wie Opposition, nur staatsmännischer.

Inszenierung und Islam

Am Anfang steht die Frage der Inszenierung. Wie neu denn eigentlich die neue ÖVP sei, will ein junger Fragesteller aus dem Publikum wissen.

Eine geschenkte Frage für Sebastian Kurz: Er habe nie behauptet, dass "alles neu" sei, er wolle "das Beste aus beiden Welten verbinden" und auch das, was an der ÖVP gut funktioniert habe, mitnehmen.

Was genau da funktioniert hat, wer genau das ist, wird nicht weiter erläutert. Schon die erste Phase des Gesprächs zeigt, wie viel man aus Sebastian Kurz rauskriegt: Nichts.

Dabei ist Moderatorin Corinna Milborn gut vorbereitet. Auf der "ausgebesserten", also verzerrten Islam-Studie nagelt sie ihn länger fest, als ihm lieb ist. Diese sei jedoch im Nachhinein, so Kurz, vom Studienautor Ednan Aslan selbst "verbessert" worden, eine politische Einflussnahme streitet er ab.

Hintergrund: Die besagte Studie diente unter anderem dazu, Kurz‘ eigenes Steckenpferd, die Problematik der islamischen Kindergärten in Wien, in den Medien verwertbar zu machen und ihm einfache Schlagzeilen zu bringen. Dass harmlose Aussagen aufgebauscht wurden, berichtete die Wiener Stadtzeitung "Falter".

Kurz und seine Lieblingsthemen

Doch auch diese Nagelprobe besteht Kurz relativ unbeschädigt. Im weiteren Verlauf des Gesprächs geht es immer wieder um seine Lieblingsthemen: Flüchtlinge, Integration, Parallelgesellschaft.

Als Staatssekretär und Minister habe er immer wieder Initiativen gesetzt, um die Lage auch für Zuwanderer und Österreicher besser zu machen, sagt Kurz, und rühmt sich erneut mit der Schließung der Balkan-Route.

Milborn merkt schnell, wenn Sebastian Kurz keine neuen Aussagen mehr hergibt. Mehr als einmal will sie das Thema wechseln, aber Kurz lässt sie nicht. "Sie sind eine gute Journalistin, das wissen alle", sagt Kurz, gefolgt von diversen "aber", die andeuten lassen, dass die Fragen und Behauptungen nicht okay seien.

Er nimmt sich mehr Redezeit, beantwortet Fragen mit Antworten, die nicht zur Frage passen, und verlinkt quasi jede Antwort mit seinen Lieblingsthemen: Flüchtlinge, Integration, Parallelgesellschaft.

Aussitzen, bluffen, stur lächeln und winken

Erst in der Endphase des Gesprächs geht es um Wirtschaft. Eine schwierige Aufgabe für Kurz, dessen Programm erst im September veröffentlicht werden soll. Zu viel will er nicht verraten, bis Herbst sollen vor allem die Anderen diskutieren, damit er am Ende die Aufmerksamkeit hat.

Aber als eine Frau im Publikum, die Kurz bei der SPÖ vermutet, eine Frage stellt, wird’s ernst: Wie er 14 Milliarden Euro einsparen wolle, will sie wissen.

Auch hier bleibt Kurz recht vage, aber macht keinen Fehler. Auch Deutschland habe eine Steuerquote von unter 40 Prozent. Viele EU-Staaten würden das vormachen. In der Schweiz zahle man sogar unter 30 Prozent!

Er meine, es sei durchaus möglich, und bei Förderungen und gutem Wirtschaftswachstum werde sich das schon ausgehen. Auf sein Programm, in dem hoffentlich konkretere Vorschläge stehen werden, verweist er nicht mal.

Wie geht’s also weiter?

Das muss er auch nicht. Denn momentan reicht es für Kurz, sich in "seinen" Themen auszutoben. Er wird ohnehin selten etwas anderes gefragt, die Unterstützung von Boulevardmedien wie der "Kronen Zeitung" und "Österreich" ist ihm außerdem sicher.

Bis zur Präsentation seines Programms muss er nur weitermachen wie dieses Mal: spontan dazu fähig sein, auch kritische Fragen mit seinen Kernthemen zu verbinden, und dabei noch möglichst kompetent aussehen. Wenn er das bis zum Herbst durchhält, ist ihm die Themenhoheit sicher.

Wie es weitergeht, wird im Juli und August also extrem spannend. Wenn sich die Journalisten, die Kurz tendenziell nicht mögen, erst recht reinhauen, um einen Skandal zu finden, könnte es wie bei Donald Trump werden: Wenn alles aufgeblasen wird, ist am Ende auch schon alles wurscht.

Wenn Kurz aber einen echten Skandal hat – wenn zum Beispiel der Autor der Islam-Studie sagen würde, es wurde politisch interveniert –, dann ist Feuer am Dach bei der ÖVP.

Die Frage aller Fragen in diesem Wahlkampf ist also: Wann wird Sebastian Kurz einen Fehler machen? Oder: Wird er das überhaupt? Das Sommergespräch hat aber eindeutig gezeigt, was die Taktik der neuen ÖVP ist. Stur lächeln und winken.

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