Sebastian Kurz gilt seit Jahren als der Hoffnungsträger der ÖVP. Auch der amtierende Parteichef Reinhold Mitterlehner muss immer häufiger die Frage beantworten, ob Kurz sein Nachfolger wird. Was spricht eigentlich für einen Kanzlerkandidaten Kurz?
Es könnte Neuwahlen geben: Mit diesem Vorschlag machen aktuell nicht nur Oppositionspolitiker, sondern auch Funktionäre der Regierungsparteien auf sich aufmerksam. Unter ihnen ist Außenminister
Warum? Weil alle es sagen. Seit Monaten schreiben die Medien über den talentierten Herrn Kurz und seine bevorstehende Ernennung zum ÖVP-Spitzenkandidaten für die nächsten Nationalratswahlen. Bislang bestreitet Kurz alles – dennoch wird der aktuelle Parteichef und Vizekanzler
Alter
Sebastian Kurz ist jung. Und junge Politiker sind selten. Die Neos zogen 2013 als neue Partei in den Nationalrat ein, weil sie sich als "Stimme der Jungen" inszenieren konnten und weil das Durchschnittsalter ihrer Kandidaten geringer war als bei SPÖ oder ÖVP. Diesen Vorteil brächte auch Kurz mit – in Kombination mit seiner Erfahrung.
2011 wurde er im Alter von 24 Jahren zum Staatssekretär für Integration, 2013 nach dem Rücktritt von ÖVP-Chef Michael Spindelegger Außenminister.
Generell gilt Kurz als Spindeleggers Entdeckung, machte davor als Kandidat der Jungen ÖVP von sich hören – unter anderem mit dem "Geil-O-Mobil", einem schwarzen Auto, mit dem er im Wiener Wahlkampf junge Wähler anziehen wollte. Solche Ausrutscher passieren ihm heute nicht mehr – und die Skepsis wegen seines Alters ist längst vergangen.
Harter Kurs
Als Außenminister ist Kurz relativ unumstritten. Mit der Schließung der Balkanroute und seiner Kritik an dem Türkei-Deal hat er europaweite Debatten ausgelöst, in Österreich kommt seine restriktive Asylpolitik gut an.
Auch Vorschläge wie Internierungslager auf Mittelmeerinseln ("Vorbild Australien") schaden Kurz nicht - im Gegenteil. Mit dem harten Kurs der ÖVP in Sachen Asyl und Sicherheit behält die Partei ihre Stammwähler und ist auch für Bürger wählbar, die eigentlich eher ihr Kreuzerl bei der FPÖ machen würden – so zumindest das Kalkül.
Charisma und Beliebtheit
Viele seiner Vorschläge kann sich Kurz vor allem deshalb erlauben, weil er sie wortgewandt präsentiert. Im deutschen Fernsehen ist der Außenminister längst ein Liebling der Moderatoren, weil er einen gegensätzlichen Kurs zu Angela Merkel verfolgt, ohne dabei am rechten Rand zu sein.
In Interviews sagt er, es sei "nicht mehr erlaubt, die Wahrheit zu thematisieren" und "Man ist nicht rechts, wenn man Realist ist" – und weil Kurz der unbescholtene Außenminister einer traditionellen Regierungspartei ist, hört man ihm dabei lieber zu als den Wortführern der Opposition.
Die wohl wichtigste Sache in einem Wahlkampf: Sebastian Kurz bringt Stimmen. Wenn in der Kanzlerfrage statt Mitterlehner Kurz abgefragt wird, liegt der ÖVP-Kandidat am ersten Platz. Egal, ob sich die ÖVP unter Kurz besonders ändert oder nicht – ein attraktiveres, bekannteres Gesicht im Wahlkampf kann viel bewegen. Und verhindern, dass die ÖVP im Duell Christian Kern gegen Heinz-Christian Strache untergeht.
Opportunes Szenario für die ÖVP
Dass Kurz Parteichef wird, ist freilich noch nicht sicher – es wird aber so oft kolportiert, dass man quasi von einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Für die ÖVP könnte dieses Szenario viel bringen.
Gleichzeitig würde es aber einen weiteren Rechtsruck der Partei bedeuten. Außerdem würde die Wirtschaftskammer ihren Mann an der Parteispitze, Reinhold Mitterlehner, vermissen. Das könnte sich auch auf die Regierungspolitik und ihre Schwerpunkte auswirken. Wer auch immer Spitzenkandidat der ÖVP wird, die nächsten Wahlen werden auf jeden Fall spannend - egal, ob planmäßig 2018 oder schon 2017 gewählt wird.
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