Es hat fast eine künstlerische Note: Sebastian Kurz' (ÖVP) Instagram-Profil gibt Antworten auf die Frage, wie ihm der Imagewandel seiner Partei gelungen ist. Allerdings könnte er auch ein Problem bekommen, wenn er an seiner Social-Media Strategie nichts ändert, meint unsere Expertin.
Auch Politiker müssen in der heutigen Zeit Präsenz in "Sozialen Medien" zeigen und eine Gratwanderung zwischen "staatstragend" und "volksnah" vollziehen. Dabei kann man viel richtig, aber auch jede Menge falsch machen.
Die "Social Media"-Expertin Ana-Maria Achim hat für GMX.at den Instagram-Auftritt von
Was braucht ein zugkräftiger Instagram-Auftritt einer in der Öffentlichkeit stehenden Person, die Follower multiplizieren will?
Ana-Maria Achim: Es brauchte eine konsistente Strategie, Authentizität sowie klare, aktuelle und relevante Botschaften und natürlich ein kompetentes "Social Media"- Team. Für eine schlüssige Strategie braucht es wiederum einen präzisen Zeitplan, der alle wichtigen Termine und Events berücksichtigt, um die Instagram-User laufend daran teilhaben zu lassen.
Was man nicht immer vermuten würde: Hinter einem professionellen und gut organisierten Instagram-Auftritt einer öffentlichen Person steckt ein enormer Aufwand und einiges an Manpower.
Gelten für Politiker zusätzliche Kriterien?
Politiker brauchen zusätzlich vor allem Mut. Mut, sich dem Ganzen auszusetzen, denn erfahrungsgemäß ist ein "Social Media"-Auftritt ja auch mit kritischem bis hin zu bösartigem Feedback verknüpft. Es erfordert eine dicke Haut, seine Werte und Positionen als Person an der Spitze einer Partei zu vertreten.
Natürlich hat man als erfahrener Politiker grosso modo gelernt, auch einzustecken, aber letztlich ist es notwendig zu wissen, wie man damit umgeht.
Eine konsequente Strategie erfordert auch Kontinuität und ein konsequentes Tun. Es gilt gleichsam, sein Ding unbeirrt durchzuziehen. Ein Beispiel dazu: Wenn ich damit beginne, auf Userkommentare einzugehen und Fragen zu beantworten, dann kommt es nicht sonderlich gut an, wenn ich nach ein paar Wochen plötzlich damit wieder aufhöre.
Authentizität ist ja ein besonders wichtiges Credo in den Sozialen Medien. Wie schlägt sich Sebastian Kurz auf Instagram?
Sein Team geht hier strategisch ziemlich gut vor, weil es einen roten Faden hat, entschieden auftritt und konsequent die Werte des Chefs transportiert. Mag sein, dass das eine oder andere Foto ein wenig aufgesetzt ist, relevant ist jedoch, dass die Message ankommt und der Adressant trotzdem authentisch bleibt. Das hat sich in seinem Fall auch nach der Wahl nicht verändert.
Die Grünen etwa, die im Wahlkampf in den "Social Media" exponiert aufgetreten sind, haben nach der verloren gegangenen Wahl schlichtweg damit aufgehört, vor Ort ihre Werte zu vertreten. Es ist dort sehr still um sie geworden, was ich für einigermaßen unklug halte. Sie müssten ihre Botschaften – etwa Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit etc. – auch weiterhin auf allen Kanälen propagieren.
Es fällt auf, dass Sebastian Kurz ausschließlich professionelle Fotos postet. Könnte sein Account ein paar weniger staatstragende Bilder und vielleicht ein paar private Einblicke mehr vertragen?
Zugegeben, ein paar private Einblicke mehr würden seinem Account schon zupasskommen, wenngleich die Bilder ihn schon auch das eine oder andere Mal ein wenig salopper, beim Wandern in den Bergen, mit seiner Partnerin an der Seite oder entspannt im Zug zeigen.
Man muss da schon auch ein wenig aufpassen, denn der ÖVP-Chef ist kein Blogger, sondern ein bekannter Politiker. Ein Fleck am Hemd oder ein Loch in der Hose machen ihn nicht unbedingt authentischer. Die gute Qualität der Bilder war für ihn sicher ein Kriterium, und soll vermutlich auch auf die Qualität des ÖVP-Programms anspielen.
Kann man als Politiker überhaupt die Gratwanderung zwischen volksnah", "staatstragend" und vielleicht auch "ein bisserl cool" vollziehen?
Also, das Staatstragende nimmt man ihm mit Sicherheit ab, denn schließlich ist er ja schon länger Politiker – und seit 2013 auch Außenminister.
Die "Volksnähe", die seine Bilder vermitteln sollen, ist vielleicht ab und an ein wenig übertrieben. Und auf die Coolness dürfte er bewusst verzichtet haben. Sebastian Kurz war aber ohnedies nie der Typ, der sich mit Leidenschaft sonnenbebrillt zeigt und seine Markenklamotten in die Auslage stellt.
Die Coolness manifestiert sich eher in seiner Professionalität und seiner unaufgeregten Art in Gesprächen oder TV-Konfrontationen, weniger in den "Social Media".
Was lässt sich zu seinen Instagram-Kommentaren sagen?
Es ist interessant, dass er dabei nie die "Ich"-Form wählt, sondern beharrlich auf das "Wir" setzt. Eine Spur mehr "Ich" wäre ihm schon ganz gut gestanden.
Es ist aber davon auszugehen, dass dahinter das Kalkül steht, sich nicht zu sehr den Meinungen anderer auszusetzen. Wählt man die "Ich"-Perspektive, ist man automatisch angreifbarer. Das könnte auch der Grund sein, weshalb seine Instagram-Posts relativ wenige Kommentare nach sich ziehen. Denn an sich ist Instagram ein sehr kommentarfreudiges Medium.
Müsste man die Message aller Instagram-Bilder des ÖVP-Chefs auf ein, zwei Zeilen runterbrechen. Welche wäre das?
Qualitativ hochwertig und sehr divers, weil Sebastian Kurz den Usern zahlreiche Blickwinkel offeriert. Die Message, die er transportieren möchte, ist in jedem Fall "Stabilität und Sicherheit".
Auch visuell hat der ÖVP-Chef so ziemlich alles richtig gemacht. Ein starkes Indiz dafür, dass er sehr gute Fotografen an seiner Seite hat. Wenn man zum Beispiel zügig durch seine Instagram-Bilder scrollt und auf präzise Blicke verzichtet, wird man Kontinuität wahrnehmen. Da springt wirklich so gut wie nichts aus dem Kontext heraus.
Konnten Sie auch Schwachstellen ausmachen?
Ja, er spricht zu häufig über seine eigene Person, während seine politischen Botschaften und Inhalte ein wenig zu kurz kommen. Offenkundig hat sich sein Team bewusst dazu entschieden, die Person Sebastian Kurz in den Fokus zu rücken. Das ist deswegen nicht unproblematisch, weil man auf Instagram vor allem junge Menschen, die ja bereits mit 16 bereits wählen dürfen und sich häufig auch für politische Werte und Messages interessieren, abholen kann.
Hier nutzt er auf Instagram – anders als bei Facebook – nicht wirklich sein Potenzial, was aber enorm wichtig wäre. Denn viele 16-Jährige haben gar kein Facebook-, sehr wohl aber ein Instagram-Profil.
Ich hatte neulich einen Vortrag in einer Schulklasse einer Oberstufe. Von 25 Schülern hatten lediglich drei ein Profil auf Facebook, während wirklich alle Instagram präsent waren. Letzteres ist vielleicht nicht das Portal für tiefgreifende Botschaften, sehr wohl aber eines, auf dem man attraktive Bilder mit relevanten politischen Themen verknüpfen oder spannende Links zu wichtigen Inhalten setzen kann. Das hätte der ÖVP-Chef durchaus ein wenig forcieren können.
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