Nach langem Hinauszögern hat das ungarische Parlament dem schwedischen Nato-Beitritt seinen Segen gegeben. Nun gehören bald alle Anrainerstaaten der Ostsee mit Ausnahme Russlands dem transatlantischen Bündnis an. Die Nato hofft auf Abschreckung.
Der baldige Nato-Beitritt Schwedens stärkt die strategische Rolle der Ostsee. Nachdem das ungarische Parlament am Montag den Weg für Schweden frei gemacht hat, gehören künftig alle Anrainerstaaten mit Ausnahme Russlands dem transatlantischen Bündnis an. Die Nato hofft, Moskau nunmehr im Ostseeraum besser in Schach halten zu können. Verteidigungsexperten warnen allerdings vor weiteren Angriffen, auch unter Wasser.
"Wenn man auf die Karte schaut, wird die Ostsee geografisch gesehen zu einem Nato-Meer", sagt Minna Alander vom finnischen Institut für Internationale Angelegenheiten zum schwedischen Beitritt. Die Allianz müsse aber noch einige Arbeit leisten, um sich gegen Russland abzusichern.
Seit Angriff auf Ukraine häufen sich Vorfälle im Ostseeraum
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor gut zwei Jahren gab es eine Reihe von Vorfällen im Ostsee-Raum. Als "Weckruf" bezeichneten viele Beobachter die Explosionen an den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 im September 2022, die für den Transport von russischem Erdgas nach Deutschland dienen sollten. Anderthalb Jahre danach ist noch immer nicht geklärt, ob Russland, die Ukraine oder womöglich sogar die USA dahinter stecken.
Im vergangenen Oktober wurden eine Gaspipeline und ein Datenkabel von Finnland und Schweden nach Estland beschädigt. Die finnische Polizei geht davon aus, dass ein chinesisches Frachtschiff eine Rolle bei dem Vorfall spielen könnte. China gilt als Verbündeter Russlands und hat sich bis heute nicht von dem Angriffskrieg auf die Ukraine distanziert.
Nato verstärkt Überwachung
Die Nato hat nach den Vorfällen die Überwachung des Ostseeraums verstärkt, unter anderem mit Awacs-Flugzeugen und Drohnen. "Es ist aber sehr schwer, vollständige Kontrolle über ein Meer zu haben", sagt Julian Pawlak von der Bundeswehr-Universität in Hamburg. Die Nord-Stream-Sabotage habe gezeigt, dass sich Geschehnisse unter der Wasseroberfläche nur extrem schwer überwachen ließen.
Das lange Zeit blockfreie Schweden arbeitet schon seit Jahren mit der Nato zusammen. Seine Mitgliedschaft im Bündnis ermöglicht die vollständige Integration in die Verteidigungspläne des Bündnisses. Nicht nur die lange Ostseeküste Schwedens, sondern auch die Insel Gotland spielen eine zentrale Rolle.
Wichtiger Außenposten Russlands: Exklave Kaliningrad
Russland hat ebenfalls einen wichtigen Außenposten in der Ostsee: die Exklave Kaliningrad, das frühere ostpreußische Königsberg zwischen Polen und Litauen. Moskau hat die Region in den vergangenen Jahren militärisch massiv aufgerüstet und dort atomwaffenfähige Raketen stationiert. Kaliningrad ist zudem Stützpunkt der russischen Ostseeflotte, die dort immer wieder große Manöver abhielt.
Zuletzt reduzierte Moskau die Marine-Einheiten zugunsten der Schwarzmeerflotte zwar. John Deni vom Institut für Kriegsstudien der US-Armee verweist allerdings darauf, dass der Kreml weiterhin in Unterwasserkapazitäten investiert und auch kleinere Landungen in Nato-Gebiet vornehmen und die Nachschubrouten des Bündnisses stören könnte.
Die Russen überträfen die Nato-Verbündeten zudem deutlich an Feuerkraft und Reichweite, warnt Deni. "Selbst wenn man Schweden mitzählt, sind die Marineressourcen der Nato relativ begrenzt", sagt der Forscher. Es sei deshalb "selbstgefällig", wenn das Bündnis die Ostsee als Nato-Gewässer bezeichne.
Schweden-Beitritt erleichtert Versorgung
Kopfzerbrechen bereitete der Nato jahrelang die sogenannte Suwalki-Lücke zwischen Polen und Litauen, die sich an Kaliningrad anschließt. Im Kriegsfall könnten Russland und der Verbündete Belarus den 65 Kilometer breiten Landstreifen besetzen und den Baltenstaaten so die Nachschubwege über Land abschneiden, fürchten Strategen. Der schwedische Nato-Beitritt mindert dieses Risiko, denn er erleichtert die Seeverteidigung von Litauen, Lettland und Estland.
In Deutschland spielt Rostock eine zentrale Rolle für die Nato, dort hat die Bundesmarine ihr Hauptquartier. Im Ortsteil Warnemünde entsteht derzeit ein Logistikhafen als sogenannter Nato Deployment Hub. Von dort aus sollen Truppen sowie Material verlagert und die Versorgung in Mittel- und Osteuropa sichergestellt werden, wie Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im September bei einem Besuch in Mecklenburg-Vorpommern ankündigte.
Damit sei Rostock eine zentrale logistische Basis zur Verteidigung des östlichen Bündnisgebiets, betonte Pistorius. Auch an den Marineübungen des laufenden Nato-Großmanövers Steadfast Defender ist Rostock beteiligt. (AFP/cgo)
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