Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine haben russische Firmen rund 7.300 Schusswaffen und fast acht Millionen Schuss Munition westlicher Hersteller ins Land eingeführt. Das ergaben Recherchen von CORRECTIV in der staatlichen russischen Datenbank für Import-Zertifizierungen.
Zu den Herstellern gehören auch mehrere deutsche Firmen: die Waffenproduzenten Blaser GmbH aus dem Allgäu und Merkel Jagd- und Sportwaffen aus Thüringen sowie die Munitionshersteller Nammo Schönebeck, RWS und Ruag Ammotech.
Einige der Waffentypen, die sich in der Importstatistik finden, waren in den vergangenen Monaten offenbar in der Ukraine im Kriegseinsatz. Das zeigt eine Reihe von Social Media-Posts, die CORRECTIV auf den Kanälen Telegram und X fand. Dort posieren russische Offizielle und Söldner der Wagner-Truppe mit Waffen westlicher Hersteller in der Ukraine. Zudem boten Handelsportale bei Telegram, die als Bezugsquellen für Wagner gelten, in Russland Waffen deutscher Hersteller zum Kauf an – und bei einer Waffenmesse in Moskau wurden kürzlich unter anderem Gewehre des deutschen Herstellers Blaser ausgestellt.
Bei den betroffenen Waffen handelt es sich um Jagd- und Sportgewehre. Diese unterliegen nicht dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Hersteller dürfen sie zwar nicht nach Russland exportieren, aber in andere Staaten. Offenbar gelangen sie noch bis heute (Stand Oktober) über Händler in Drittstaaten nach Russland. Der deutsche Hersteller Blaser bestätigt auf Anfrage, die fraglichen Waffen ins Ausland verkauft zu haben.
Exporte in Drittstaaten gestiegen
Eine Auswertung europäischer Exportdatenbanken zeigt, dass die Ausfuhren dieser Waffengattung in den vergangenen Monaten in mehrere Länder deutlich stieg – unter anderem nach Kasachstan, Usbekistan und Nordmazedonien.
Die von CORRECTIV befragten Waffen- und Munitionshersteller konnten oder wollten nicht dabei unterstützen, die Handelswege aufzuklären, die ihre Produkte genommen haben könnten. Die befragten deutschen Firmen Blaser und RWS schrieben lediglich, ihnen lägen die für die Ausfuhr erforderlichen Genehmigungen vor, sie schlüsselten diese aber nicht weiter auf. Die Firma Merkel schrieb, sie gebe zu Ausfuhrfragen generell keine Auskunft, Ruag und Nammo Schönebeck reagierten nicht auf die Anfrage.
Die für Ausfuhrgenehmigungen zuständige Behörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) teilte mit, sie könne sich nicht zu einzelnen Ausfuhrgenehmigungen äußern. Bei Sanktionsverstößen sei das Zollkriminalamt zuständig. Dort heißt es, es seien keine Verstöße bei den Firmen nachweisbar. Aus der Behörde ist jedoch zu erfahren, die für solche Genehmigungen notwendigen Papiere – sogenannte Endverbleibszertifikate, die garantieren sollen, dass Waffen in dem Land bleiben, in das sie verkauft wurden – würden von Händlern in anderen Staaten unkompliziert ausgestellt.
USA setzen zivilen Schusswaffenverkauf aus
Die USA gaben Ende Oktober bekannt, den Export ziviler Schusswaffen an nicht-staatliche Akteure vorerst komplett auszusetzen. CORRECTIV fragte anlässlich der Recherche beim zuständigen Bundeswirtschaftsministerium nach, ob derartige Ausfuhrbeschränkungen auch für Deutschland geplant seien. Das Ministerium beantwortete die Frage bis Redaktionsschluss nicht.
Als Reaktion auf die Recherche fordert der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter, stellvertretender Leiter des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, Deutschland solle sich den USA anschließen und ebenfalls den Export ziviler Schusswaffen aussetzen – mit Ausnahme von Lieferungen in die Ukraine und nach Israel. "Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Waffen oder Waffenteile in die Hände von Russland gelangen und im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg eingesetzt werden, muss der Export gestoppt werden", so Kiesewetter. Europa wie auch Deutschland hätten im Sanktionsrecht "zahlreiche Schlupflöcher offen gelassen", die es dringend zu schließen gelte.
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