Der ukrainische Präsident Selenskyj hat die europäischen Verbündeten vor möglichen russischen Angriffen gewarnt. Er sagte bei der Münchner Sicherheitskonferenz zudem, die Zeit für gemeinsame "Streitkräfte von Europa" sei gekommen. Selenskyj sieht keine Signale für einen Frieden aus Moskau.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor militärischen Vorbereitungen Russlands auf mögliche weitere Konfrontationen gewarnt. Die Ukraine habe nachrichtendienstliche Erkenntnisse, dass die Führung in Moskau noch in diesem Sommer Soldaten in das verbündete Belarus verlegen wolle, sagte Selenskyj auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Er wies auch auf die weitere Aufrüstung der russischen Streitkräfte sowie die Rekrutierung zusätzlicher Soldaten hin.

Der Aufmarsch in Belarus werde als Militärübung deklariert werden. Aber so sei auch die Invasion der Ukraine vor drei Jahren vorbereitet worden. Unklar sei, wem ein solcher Truppenaufmarsch gelten könne. Er sehe keine Signale für einen Frieden aus Moskau.

"Belarus grenzt an drei Nato-Staaten. Es ist zu einem Standbein für russische Militäroperationen geworden", sagte Selenskyj. Er nannte weitreichende russische Raketensysteme und eine Stationierung von Atomwaffen in dem Land. Selenskyj rief die westlichen Partner seines Landes auf, sich mit der Frage zu befassen, was vor einer nächsten möglichen Attacke zu tun sei.

Warnung vor möglichen russischen Angriffen

Der ukrainische Präsident warnte die europäischen Verbündeten vor möglichen russischen Angriffen. Mit Blick auf die Vorwürfe gegen Russland, Migranten gezielt über Belarus in die EU zu schleusen, fragte Selenskyj am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz: "Was, wenn es beim nächsten Mal nicht Migranten sind, was wenn es russische Soldaten sind oder nordkoreanische Soldaten?" Und mit Blick auf die Nato fragte er: "Wie schnell werden ihre Bündnispartner reagieren und werden sie überhaupt reagieren?"

Die EU-Nachbarstaaten werfen Russland und seinem Verbündeten Belarus vor, Migranten im Rahmen "hybrider" Angriffe gezielt an den Grenzen Nord- und Osteuropas auszusetzen und über die EU-Grenzen zu drängen. Angaben südkoreanischer und westlicher Geheimdienste zufolge hat Nordkorea mehr als 10.000 Soldaten nach Russland entsandt, um die ukrainische Offensive in der Grenzregion Kursk aufhalten zu helfen.

Selenskyj: "Europa braucht seine eigenen Streitkräfte"

Selenskyj sprach sich für gemeinsame europäische Streitkräfte aus. Europa müsse seine Zukunft selbst gestalten angesichts der russischen Bedrohung und des schwächer werdenden US-Engagements, sagte Selenskyj. "Europa braucht seine eigenen Streitkräfte."

Diese sollten aber die Nato nicht ersetzen, fügte er gerichtet an seinen "guten Freund" Nato-Generalsekretär Mark Rutte hinzu. Es gehe darum, den europäischen Sicherheitsbeitrag dem amerikanischen gleichzusetzen.

Selenskyj fordert: Europa muss sich auf Veränderungen einstellen

US-Vizepräsident J.D. Vance habe am Vortag klargestellt, dass Jahrzehnte der alten Beziehung zwischen Europa und Amerika zu Ende gingen. "Von nun an werden die Dinge anders sein, und Europa muss sich darauf einstellen", warnte Selenskyj. US-Präsident Donald Trump wolle den Beitrag der USA zur Verteidigung Europas herunterschrauben.

Europa müsse stark sein, weil nicht klar sei, ob die USA es nur als Absatzmarkt oder auch als Bündnispartner brauchten. "Präsident Trump mag keine schwachen Freunde. Er respektiert Stärke." Manche in Europa seien vielleicht frustriert mit der EU in Brüssel. "Aber lassen Sie uns ganz deutlich sein: Wenn es nicht Brüssel ist, dann ist es Moskau!", warnte er.

Selenskyjs Äußerungen erfolgten inmitten zunehmender Ungewissheit über die Haltung der USA zum Ukraine-Krieg. US-Präsident Donald Trump hatte am Mittwoch ein anderthalbstündiges Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geführt, ohne sich vorab mit den Europäern abzustimmen. Im Anschluss erklärte er, er habe mit Putin einen "unverzüglichen" Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine vereinbart.

Der ukrainische Präsident forderte erneut, dass Kiew und Europa an Entscheidungen über die Beendigung der Kämpfe in der Ukraine beteiligt werden müssten. "Keine Entscheidungen über die Ukraine ohne die Ukraine, keine Entscheidungen über Europa ohne Europa", sagte er in München. (dpa/AFP/bearbeitet von tas)

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