In die von drei Seiten eingeschlossene ukrainische Stadt Awdijiwka kommt man nur über eine Straße, die unter russischem Feuer liegt. Präsident Selenskyj hat sich dennoch hineingewagt. Ein Überblick über Ereignisse in der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.

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Eine Nacht nach dem schwersten Bombardement seit Kriegsbeginn hat Russland die Ukraine erneut aus der Luft angegriffen. In den südlichen Gebieten bis nach Westen herrschte in der Nacht zum Samstag Luftalarm. Die ukrainische Luftwaffe meldete russische Kampfdrohnen, die mit mehrfachen Richtungswechseln über das Land flogen.

Das russische Verteidigungsministerium teilte unterdessen am Samstagmorgen mit, das Militär habe über den grenznahen Gebieten Brjansk, Orjol und Kursk sowie über dem Gebiet Moskau 32 ukrainische Drohnen abgeschossen.

Mit dem folgenschweren russischen Luftangriff auf alle Teile der Ukraine in der Nacht zuvor befasste sich am Freitagabend (Ortszeit) der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York. Die Ukraine hatte die Dringlichkeitssitzung beantragt. Bei den Angriffen in der Nacht zum Freitag waren etwa 30 Menschen getötet und um die 160 verletzt worden. Russland hatte nach offiziellen Kiewer Angaben knapp 160 Raketen, Marschflugkörper und Drohnen verschiedener Typen eingesetzt.

Der ukrainische Generalstab berichtete auch von weiteren Sturmangriffen russischer Truppen am Boden im Osten und Süden des Landes. Einem Schwerpunkt der Kämpfe, der auf drei Seiten eingeschlossenen Stadt Awdijiwka, stattete Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag unangekündigt einen Besuch ab. Die Ukraine wehrt seit mehr als 22 Monaten eine groß angelegte russische Invasion ab.

Russland macht Ukraine für Luftangriffe verantwortlich

Nach dem beispiellosen Bombardement der Ukraine in der Nacht zum Freitag hat Russland Kiew die Verantwortung für die Angriffe gegeben. Das eigentliche Problem sei, dass die Ukraine ihre Luftverteidigungssysteme in Wohngebieten aufgestellt habe, sagte der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja am Freitag (Ortszeit) in der Dringlichkeitssitzung des Weltsicherheitsrates in New York. "Würden die ukrainischen Luftverteidigungssysteme nicht eingesetzt, hätte es überhaupt keine Opfer unter der Zivilbevölkerung gegeben", sagte er weiter.

Biden fordert vom Kongress Geld für die Ukraine

US-Präsident Joe Biden forderte unterdessen den Kongress erneut eindringlich auf, weitere Mittel für Kiew zu bewilligen. "Über Nacht hat Russland seinen größten Luftangriff auf die Ukraine seit Beginn dieses Krieges gestartet", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. "Bei diesem Kampf steht weit mehr auf dem Spiel als nur die Ukraine", mahnte Biden. "Er betrifft das gesamte Nato-Bündnis, die Sicherheit Europas und die Zukunft der transatlantischen Beziehungen."

Mit ihrer militärischen Hilfe hätten die USA dazu beigetragen, viele Menschenleben zu retten, betonte er. "Aber wenn der Kongress im neuen Jahr nicht dringend handelt, werden wir nicht in der Lage sein, weiter die Waffen und lebenswichtigen Luftverteidigungssysteme zu liefern, die die Ukraine zum Schutz ihres Volkes benötigt. Der Kongress muss handeln, und zwar ohne weitere Verzögerung." Die US-Hilfen sind mit dem Jahresende ausgelaufen. Die Genehmigung neuer Finanzmittel hängt im Streit zwischen Republikanern und Demokraten im US-Kongress fest.

Selenskyj auf gefährlichem Frontbesuch

"Die Ukraine verteidigt hier ihre eigenen Leute. Und verteidigt unser ganzes Land", sagte Selenskyj bei seinem Frontbesuch in Awdijiwka im ostukrainischen Gebiet Donezk. Ein Video zeigte ihn am Stadteingang, der mit ukrainischen Fahnen geschmückt war. Der Weg dorthin führt nur über eine Straße, die von Russland unter Feuer genommen werden kann.

"Heute habe ich in Awdijiwka zusammen mit meinem Team den Soldaten ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr gewünscht", sagte Selenskyj. "Wir sind ihnen zu großem Dank verpflichtet." Nach Angaben des Generalstabs wehrten die ukrainischen Truppen am Freitag in Awdijiwka selbst drei russische Sturmangriffe ab und zehn weitere in unmittelbarer Umgebung.

Insgesamt verzeichnete der Abendbericht für Freitag die vergleichsweise niedrige Zahl von 31 Gefechten. Ein weiterer Schwerpunkt war der Brückenkopf der Ukrainer auf dem südlichen Ufer des Flusses Dnipro im Gebiet Cherson im Süden. Dort hätten russische Truppen neunmal erfolglos versucht, die Ukrainer aus ihren Stellungen zu vertreiben. Die Angaben des Militärs waren nicht unabhängig zu überprüfen.

Ukrainische Drohnenangriffe auf russisches Grenzgebiet

Über dem russischen Gebiet Brjansk an der Grenze zur Ukraine war in der Nacht zum Samstag die Flugabwehr im Einsatz, wie Gouverneur Alexander Bogomas mitteilte. Seinen Angaben nach wurden fünf anfliegende ukrainische Drohnen abgeschossen. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, außerdem seien 13 Geschosse aus ukrainischen Mehrfachraketenwerfern abgewehrt worden. Bei Beschuss auf die russische Stadt Belgorod kam nach Angaben der Behörden ein Mann ums Leben, vier Menschen wurden verletzt.

Das wird am Samstag wichtig

In der Ukraine gehen die Aufräumarbeiten nach dem schweren russischen Bombardement in der Nacht zum Freitag weiter. An den Front im Osten und Süden rechnet das ukrainische Militär am 675. Kriegstag weiter mit russische Sturmangriffen. (dpa/pak)

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