Desinformation und Cyberattacken laufen CORRECTIV-Recherchen zufolge über Rechner in den Niederlanden. CDU-Sicherheitspolitiker Kiesewetter sagt: Angriffe müssen zwingend unterbunden werden. Grünen-Spitzenkandidat Lagodinsky fordert mehr zentralisiertes und abgestimmtes Handeln der EU-Kommission.
Die EU und ihre Mitgliedsländer haben Schwierigkeiten bei der Durchsetzung ihrer Russland-Sanktionen. Das Internetportal "Reliable Recent News" (RRN), deren Verantwortliche seit vergangenem Sommer wegen Propaganda zur Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sanktioniert sind, war bis zuletzt über niederländische Server abrufbar. Dieselbe technische Infrastruktur wird nach Recherchen von CORRECTIV systematisch für pro-russische Cyber-Attacken benutzt.
Server in den Niederlanden
Sowohl RRN als auch DDoS-Attacken der pro-russischen Gruppierung "NoName057(16)" liefen bis vor wenigen Tagen auf Servern der britischen Firma Stark Industries Solutions. Diese Server befinden sich in einem Datenzentrum in der Nähe von Amsterdam, das von dem niederländischen Unternehmen Serverius betrieben wird.
Die Sanktionierung der mutmaßlichen russischen Hinterleute von RRN verbietet es europäischen Firmen eigentlich, mit diesen Geschäfte zu machen. Damit stellt sich die Frage nach der Rolle der Betreiberfirma des Datenzentrums und anderer Vertragspartner von Stark Industries Solutions mit europäischer Rechtsform.
Das niederländische Außenministerium, das im Land für die Sanktionsdurchsetzung zuständig ist, will sich zum konkreten Fall nicht äußern. Maria Sundvall, die Geschäftsführerin von Serverius, teilte CORRECTIV mit: "Wir sind nicht Eigentümer dieser Server und haben keine Kontrolle darüber, was unsere Kunden auf ihnen speichern oder welchen Datenverkehr sie zu oder von unseren Einrichtungen senden."
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Falls sich ein Verdacht erhärte, würde man "schnell handeln". Kunden, die auf einer Sanktionsliste stehen, werde der Vertrag sofort gekündigt. Stark Industries Solutions zog eigenen Angaben zufolge nach einer Anfrage dieser Redaktion Konsequenzen. Laut dem Geschäftsführer Ivan Neculiti habe man den zu RRN gehörigen Zugang und Server nach internen Untersuchungen gesperrt. Das Portal ist allerdings weiterhin über seine Server abrufbar.
"Die Durchsetzung von Sanktionen muss selbstverständlicher Bestandteil unserer Verteidigungsfähigkeit und Abwehrfähigkeit sein", sagt Sergey Lagodinsky, Spitzenkandidat der Grünen für die Europawahl Anfang Juni. "Es ist die Verantwortung der neuen Kommission, dass sanktionsverbundene Aktivitäten zentralisierter und abgestimmter ablaufen", so der Europaabgeordnete.
"Dass gerade solche Seiten weiterhin abrufbar sind, schwächt die gesellschaftliche Resilienz", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter. Wenn die Verursacher bekannt seien, sollten diese Angriffe zwingend unterbunden werden, so der Sicherheitspolitiker.
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