- Kurz vor dem Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine hat Wladimir Putin eine Rede zur Lage der Nation gehalten.
- Darin behauptete er unter anderem, der Westen wolle Russland "ein für alle Mal erledigen".
- Zudem kündigte der russische Präsident die Aussetzung des letzten großen atomaren Abrüstungsvertrages mit den USA an.
Knapp ein Jahr nach dem Beginn der russischen Offensive in der Ukraine hat Kremlchef
Russland werde aber seine Offensive in der Ukraine "sorgfältig und systematisch" fortsetzen und so die Ziele seines Militäreinsatzes "Schritt für Schritt" erreichen. Putins Ansprache fand vor den Vertretern der Föderalen Versammlung statt. Sie setzt sich aus der Staatsduma und dem Föderationsrat zusammen und tagte im Veranstaltungszentrum Gostiny Dwor in Moskau.
Für die Eskalation des Ukraine-Konflikts machte Putin den Westen "voll" verantwortlich. Der russische Präsident hob hervor: "Die Verantwortung für das Schüren des Ukraine-Konflikts, für seine Eskalation, für die vielen Opfer (...) liegt voll bei den westlichen Eliten." Dabei wiederholte er auch seinen Vorwurf, dass der Westen in der Ukraine neo-nazistische Kräfte unterstütze, um dort einen anti-russischen Staat zu etablieren. "Sie haben den Krieg losgetreten", sagte Putin mit Blick auf westliche Staaten. Russland versuche lediglich, die Kämpfe zu beenden, behauptete der Kremlchef.
Die US-Regierung hat die Vorwürfe des russischen Präsidenten Wladimir Putin an den Westen als absurd zurückgewiesen. "Niemand greift Russland an", sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Dienstag vor Journalisten. Die Vorstellung, "dass Russland in irgendeiner Form von der Ukraine oder sonst jemandem militärisch bedroht wurde", sei daher eine "Absurdität".
Putin: "Schwieriger und entscheidender Moment" für Russland
Die russischen Streitkräfte haben seit Monaten in der Ukraine Mühe, bei ihrer Offensive voranzukommen, obwohl Putin im vergangenen Jahr zusätzlich hunderttausende Reservisten mobilisiert hatte. "Ich spreche zu Ihnen in einem schwierigen und entscheidenden Moment für unser Land, in einer Zeit tiefgreifender Veränderungen überall auf der Welt", sagte Putin zu Beginn seiner Rede in Moskau.
Vor den politischen Eliten des Landes und Militärvertretern, die in der Ukraine gekämpft haben, dankte er "dem ganzen russischen Volk für seinen Mut und seine Entschlossenheit". Zugleich warnte er vor dem Hintergrund der Unterdrückung jeglicher Kritik am Ukraine-Einsatz und am Kreml in Russland, dass "Verräter" zur Rechenschaft gezogen würden.
Modernisierung der russischen Armee
Putin kündigte eine Modernisierung der russischen Armee an. "Der Ausstattungsgrad der nuklearen Abschreckungskräfte Russlands mit neuesten Systemen beträgt jetzt 91,3 Prozent", sagte Putin. "Nun – unter Berücksichtigung unserer gesammelten Erfahrungen – müssen wir ein solch hohes Qualitätsniveau in allen Teilen der Streitkräfte erreichen", fügte er hinzu.
Der Krieg gegen das Nachbarland lief aus Sicht des Kreml in den vergangenen Monaten alles andere als erfolgreich. Insbesondere bei der militärischen Ausrüstung attestieren internationale Beobachter Russlands Armee teils gravierende Probleme.
Mit Blick auf die internationalen Sanktionen gegen Russland äußerte Putin die Ansicht, dass der Westen "nichts erreicht hat und nichts erreichen wird". Die russische Wirtschaft hat bisher besser Stand gehalten als von vielen Experten erwartet. "Wir haben die Stabilität der wirtschaftlichen Situation sichergestellt", sagte Putin. Dem Westen sei es nicht gelungen, "unsere Gesellschaft zu destabilisieren".
Dem Westen wiederum hielt er vor, das eigene Volk kaputt zu machen – durch "die Zerstörung der Familien, der kulturellen und nationalen Identitäten, die Perversion und Misshandlung von Kindern bis hin zur Pädophilie". Priester müssten zudem homosexuelle Paare segnen.
Putin verspricht Wiederaufbau im Donbass
Den von Moskau annektierten Gebieten in der Ukraine versprach er Wiederaufbau und Arbeitsplätze. Es werde auch neue große Programme für die Entwicklung der vier "neuen Subjekte" geben, sagte Putin. Es würden Betriebe wieder errichtet und neue Jobs geschaffen, sagte er unter dem Beifall Hunderter Zuhörer, die sich zu Ovationen von ihren Plätzen erhoben.
Bisher kontrolliert Russland allerdings nur einen Teil der völkerrechtswidrig annektierten Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson. Die Ukraine hat angekündigt, die Gebiete von der russischen Besatzung wieder zu befreien. Tausende Menschen sind bei den Kämpfen bereits gestorben. Bei einer Schweigeminute gedachten Putin und die Zuhörer der Kriegstoten.
Für russische Veteranen und die Familien von getöteten Soldaten kündigte Putin weitere finanzielle Unterstützung an. In seiner Rede wies er die Regierung an, sich in Kooperation mit den einzelnen Regionen um die Einrichtung eines speziellen Staatsfonds zu kümmern. Sozialarbeiter sollten sich um die Familien mit Kriegstoten und Veteranen kümmern.
Außerdem sollten alle, die in dem von Moskau weiter als "militärische Spezialoperation" bezeichneten Krieg kämpften, alle sechs Monate 14 Tage Urlaub machen können, sagte Putin.
Russland setzt Abrüstungsvertrag "New Start" aus – Kritik von Stoltenberg
Der russische Präsident Wladimir Putin hat darüber hinaus die Aussetzung des letzten großen atomaren Abrüstungsvertrages mit den USA angekündigt. Es handele sich nicht um einen Ausstieg, sondern um eine Aussetzung des "New Start"-Vertrags, sagte der Kremlchef.
Die Nato hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin daraufhin zur Achtung des Vertrags aufgerufen. Bündnis-Generalsekretär Jens Stoltenberg appellierte am Dienstag in Brüssel an Putin, "seine Entscheidung zu überdenken und geltende Verträge zu achten".
Zugleich wies Stoltenberg den Vorwurf Putins zurück, der Westen wolle Russland "erledigen": "Niemand greift Russland an, Russland ist der Aggressor", betonte Stoltenberg bei dem gemeinsamen Auftritt mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und EU-Chefdiplomat Josep Borrell in Brüssel. Putin habe in seiner Rede klar gemacht, "einen fortgesetzten Krieg vorzubereiten", sagte der Nato-Generalsekretär.
Der russische Staatschef hält traditionell jedes Jahr eine Rede zur Lage der Nation vor den russischen Abgeordneten, in der er eine Bilanz des vergangenen Jahres zieht und neue strategische Ziele festlegt. Im Jahr 2022 war die Ansprache abgesagt worden. Der Kremlchef hatte dies mit einer sehr hohen "Dynamik der Ereignisse" erklärt.
Für diese Woche haben die EU und die USA neue Sanktionen mit Blick auf den ersten Jahrestag des Beginns des russischen Krieges gegen die Ukraine am 24. Februar angekündigt. In der Europäischen Union wird dies bereits das zehnte Sanktionspaket sein. Der Westen betont, dass die Sanktionen nicht gegen die Menschen in Russland gerichtet seien, sondern dem Ziel dienten, den Krieg in der Ukraine zu stoppen. (AFP/dpa/tas)
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