Im Ukraine-Konflikt richten sich alle Augen auf Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin soll am Mittwoch im weißrussischen Minsk Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu einer friedlichen Lösung bewegen. Doch ihre Optionen sind begrenzt, analysiert Außenpolitik-Experte Wilfried von Bredow. Er schätzt die Aussicht auf Erfolg als gering ein.

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Es gibt Tage, an denen Angela Merkel wahrlich nicht um ihren Job zu beneiden ist. Mittwoch ist einer dieser Tage. In Weißrusslands Hauptstadt Minsk wird die Bundeskanzlerin versuchen, in Gesprächen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin die Ukraine-Krise zu befrieden - wenn der Vierergipfel mit Merkel, Putin, Frankreichs Präsident Francois Hollande und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko wirklich zustande kommt. So oder so steht Merkel vor einer "undankbaren Aufgabe", wie es die englische Zeitung "The Guardian" ausdrückt. Und tatsächlich: Der Gipfel kommt in einer Situation, in der die Waffen jede Diplomatie übertönen. Die prorussischen Separatisten rücken weiter vor, das erste Minsker Abkommen ist nur Makulatur. Warum jetzt Verhandlungen zu Minsk II? Und warum übernimmt Angela Merkel die Führungsrolle?

"Alle anderen Staaten der EU haben politische und wirtschaftliche Probleme", erklärt Wilfried von Bredow. Der emeritierte Professor für Außen- und Sicherheitspolitik an der Uni Marburg hält Merkel deswegen für die logische Wortführerin für Friedensgespräche. Nicht wegen ihrer Person, sondern in ihrer Eigenschaft als Kanzlerin der wichtigsten Nation in Europa. "Nur sie kann standfest bleiben", sagt von Bredow. Gleichzeitig müsse sie jedoch darauf bedacht sein, die Kritik an der deutschen Hegemonie in der EU nicht lauter werden zu lassen. "Deswegen ist es sinnvoll, dass Hollande mit am Tisch sitzt. Das zeigt: Die Europäer stehen zusammen."

Es gibt keine "Merkel-Doktrin"

Merkel gilt bei Putin allerdings nicht nur als "einsame Anführerin der EU" (The Guardian), sondern auch als Vertreterin des westlichen Militärbundes, der Nato. Mit dem stärksten Bündnispartner, den USA, stimmte sich Merkel jüngst bei ihrem Besuch im Weißen Haus ab. Der Präsident steht unter Druck, die Republikaner verlangen Waffenlieferungen an die Ukraine. Doch Barack Obama lässt Merkel freie Hand für eine diplomatische Initiative. Die "Süddeutsche Zeitung" bezeichnete Merkel deswegen als eine Art Dolmetscherin Putins in den USA. Eine Fehlinterpretation, meint Außenpolitik-Experte von Bredow: "Die Amerikaner haben traditionell ein spezielles Verhältnis zu Russland, die lassen sich nicht von Europäern übersetzen, was Putin will." Zumal über dessen Absichten keine zwei Meinungen bestünden. Alles, was Merkel in Washington gewonnen habe, sei Zeit.

Nur: Was stellt die Bundeskanzlerin mit dieser Zeit an? Mit welcher Strategie geht sie in die Verhandlungen? Eine feststehende "Merkel-Doktrin" gebe es nicht, meint von Bredow. "Und ihre Positionen für den Vierer-Gipfel in Minsk hat sie noch nicht offengelegt, sonst hätte sie ja ihr Pulver zu früh verschossen." Was sie auf jeden Fall verhindern wolle, sei ein harter Schnitt mit Russland, der einer Feindeserklärung gleichkomme. Das würde der deutschen Wirtschaft und der deutschen Politik nur Schaden zufügen. Eine Friedensmission aus Staatsräson, wenn man so will.

"Ich rechne mit einer Art Tauschgeschäft", sagt von Bredow. Keine weiteren Offensiven, dafür darf die Ukraine nicht in die Nato eintreten und - wenn überhaupt - nur wenige westliche Truppen auf ihrem Territorium erlauben. Selbst wenn so ein Abkommen getroffen wird - es gibt keine Garantie dafür, dass Minsk II Bestand hätte, anders als Minsk I. "Merkel hat nichts in der Hand, wovor Putin wirklich Angst hat", sagt von Bredow. Einige weitere Sanktionen und schließlich Waffenlieferungen an die Ukraine, mehr findet sich nicht in ihrem Arsenal. Auch von Bredow sieht die Kanzlerin deswegen in einer undankbaren Rolle. "Merkel bietet sich als Partnerin an, aber wenn Putin den Tango nicht mittanzt, wird sich das Klima weiter verschlechtern."

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