Außerhalb der Ukraine wird über Frieden verhandelt, doch im Land tobt der russische Angriffskrieg weiter. Wie blicken die Ukrainer auf die Gespräche und die Rolle Deutschlands? Ein Treffen mit den Ex-Boxern Vitali und Wladimir Klitschko am Tegernsee in Bayern.
Menschen sterben, Kinder werden entführt und Verwundeten werden ihre Gliedmaßen abgenommen: Alltag seit drei Jahren in der Ukraine. Währenddessen beraten US-Präsident
Was die Menschen vor Ort durchmachen, wissen die zwei in der Ukraine lebenden Ex-Boxer Wladimir und Vitali
Vitali Klitschko: "Keine Entscheidung ohne unseren Einfluss"
Donald Trump hat sowohl mit Russland als auch mit der Ukraine über eine mögliche Waffenruhe gesprochen. "Es ist gut, dass gesprochen wird und dass den jetzt folgenden Taten eine gewisse Strategie zugrunde liegt", sagt Wladimir Klitschko. Für ihn sei es nur wichtig, dass die Ukraine kein Außenstehender bleibt.
Vitali Klitschko ergänzt: "Die Gespräche sind fein. Wichtig werden jetzt die nächsten Schritte sein. Es darf keine Entscheidung ohne unseren Einfluss auf unser eigenes Schicksal und unsere eigene Zukunft geben. Das wäre unvorstellbar."
Auch Europa dürfe nicht außen vor gelassen werden. Es müsse einen runden Tisch geben, an dem nicht nur die USA und Russland sitzen, sondern auch die Ukraine und die europäischen Partner. Nur so könne ein Frieden garantiert werden, betont Wladimir. Er hat nach seiner Box-Karriere und im Zuge des Krieges die Klitschko-Foundation gegründet die aus Kiew heraus unter anderem versucht, von Russland entführte Kinder zurück zu ihren Eltern zu bringen.
"Wir leben in turbulenten Zeiten und wir können nicht vorhersehen, wie die Gespräche laufen werden. Aber von ihnen hängt unsere Zukunft, die Zukunft unserer Kinder und vor allem die Zukunft der freien Welt ab", sagt Wladimir. Der Krieg sei eine Gefahr für die Demokratie überall auf der Welt. "Die Demokratie darf nicht verloren gehen", betont er.
"Solange der Krieg läuft, ist so eine Wahl Selbstmord."
Klingt es da nicht nach Hohn, wenn sogar der amerikanische Präsident in Kriegszeiten Neuwahlen in der Ukraine fordert?
Tatsächlich hätten Anfang vergangenen Jahres Präsidentschaftswahlen in der Ukraine stattfinden sollen. Diese wurden aber aufgrund des Krieges ausgesetzt. "Solange der Krieg läuft, ist so eine Wahl Selbstmord", sagt Vitali. Der ehemalige Box-Weltmeister ist seit mehr als zehn Jahren Bürgermeister von Kiew. Er kann nicht nachvollziehen, dass im Ausland jetzt ein politischer Wettbewerb in der Ukraine gefordert wird. Über eine Wahl könne man sprechen, wenn es zu einem stabilen Frieden in der Ukraine komme.
Putin akzeptiert nur Stärke
Auf unsere Frage, ob Putin wirklich den Frieden will, antwortet Wladimir mit einer Gegenfrage. "Der Angreifer will den Frieden?" Er schiebt nach: "Der Angreifer hat Lust auf Angreifen, das hat er in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt."
Er zählt Russlands Konflikte in Tschetschenien und Georgien auf sowie die Annexion der Krim 2014. Wenn man über die Friedensgespräche keinen stärkeren Einfluss auf Russland gewinne, werde auch das nächste Jahrzehnt mit Kriegen weitergehen.
"Putin hat nur Respekt vor einer starken Opposition, deswegen müssen die Ukraine und die Europäische Union stark sein – wir alle müssen stark sein", fügt Vitali hinzu. Ohne eine gemeinsame Position der EU, der USA und der Ukraine werde es schwierig, über Frieden zu sprechen. Nur gemeinsam könne der Krieg gestoppt werden.
Kurzzeitig hatte Donald Trump die Militärhilfe für die Ukraine eingestellt und später wieder freigegeben. Auch die EU will die Ukraine weiter im Kampf gegen Russland unterstützen. Aber reicht das, um weiter durchzuhalten? "Jeder Krieg hat drei Faktoren: Finanzen, Waffen und menschliche Ressourcen", sagt Vitali, "und wir brauchen Unterstützung in jedem Bereich." Er habe manchmal das Gefühl, dass "die Ukraine ein Labor für moderne Kriegsführung geworden ist".
Vor allem in Sachen Munition hofft er, dass die Unterstützung aus dem Westen nicht versiegt. "Es wird nie genug sein, solange dieser Krieg läuft, und wir müssen uns darauf einstellen, dass es noch ein langer Krieg sein könnte." Er sei jedenfalls sehr dankbar für die Hilfe und die Unterstützung und hoffe, dass der "barbarische Krieg" lieber früher als später endet.
Sorgen vor russlandfreundlicher Politik in Deutschland
Was Deutschland betrifft, blickt Wladimir Klitschko positiv in die Zukunft. Auch wegen der Wiederaufrüstung durch das 500-Milliarden-Sondervermögen. Man sei immer so pessimistisch, wenn man über Deutschland spricht. Das Land habe aber mit den Panzerlieferungen und anderen Hilfen entscheidend zum Durchhalten der Ukraine beigetragen.
Wie lange aber braucht Deutschland, um wirklich wehrfähig zu werden? Wladimir Klitschko ist optimistisch. "Ich kenne das von der Digitalisierung. Zwei Jahre Pandemie und auf einmal ist Deutschland total digitalisiert." Auf dieses Tempo hofft er jetzt auch in militärischer Hinsicht.
Die Klitschkos haben einen besonderen Blick auf Deutschland. Sie haben lange hier gewohnt und trainiert. Deshalb beunruhigt sie das Erstarken von AfD und BSW. "Die russlandfreundliche Politik sowie die Aussagen der AfD, Frau Weidels und Frau Wagenknechts, keine Waffen mehr in die Ukraine zu liefern, sondern zu sagen, Russland ist unser Freund, ist für mich völlig unvorstellbar", sagt Wladimir Klitschko.
Er hoffe nicht, dass sich die Frontlinie über die Ukraine hinaus bis nach Ostdeutschland verschiebt. Deshalb glaubt er an ein starkes Deutschland an der Seite einer starken Ukraine und an ein gemeinsames starkes Europa.
Verwendete Quelle
- Pressegespräch mit Vitali und Wladimir Klitschko auf dem Unternehmertag 2025