Spekulationen um die anstehende Entlassung des ukrainischen Oberbefehlshabers Walerij Saluschnyj lassen nicht nach. Nun meldet sich Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko als Fürsprecher des Generals. Präsident Selenskyj räumte ein, über einen Neuanfang in der Führungsebene von Staat und Militär nachzudenken.

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Inmitten von Spekulationen um die geplante Entlassung des ukrainischen Oberbefehlshabers Walerij Saluschnyj hat sich Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko für diesen eingesetzt. "In vielerlei Hinsicht ist es Saluschnyj zu verdanken, dass die Ukrainer wirklich an unsere Streitkräfte geglaubt haben", schrieb Klitschko am Montag bei Telegram. Der General habe dabei während des Krieges mehrfach schwierige Situationen überstanden. Klitschko befürchtet jedoch, dass in diesem Fall politische Interessen über "den gesunden Menschenverstand und die Interessen des Staates" gestellt werden.

Er hoffe dabei, dass die Landesführung den Ernst der Lage und die "gesamte Verantwortung" begreife, schrieb der Bürgermeister. "Denn heute ist die Kampffähigkeit und Geschlossenheit der Armee und die Einheit in der Gesellschaft die Hauptsache", hob er hervor. Die Gesellschaft habe ihre Zweifel an der Zweckmäßigkeit der Personalwechsel. Klitschko forderte, politische Intrigen und innere Kämpfe zu beenden. "Wir müssen heute für eines kämpfen – für den Sieg der Ukraine", betonte er.

Klitschko: "Politischer Wettbewerb" mit Selenskyj

Schon in der vergangenen Woche hatte Klitschko positiv über Saluschnyj gesprochen. "Wir haben ein gutes Verhältnis", sagte Klitschko im ARD-Interview. "Und unsere Militärs brauchen sehr viel Unterstützung." Laut ARD hängt in Klitschkos Büro kein Foto des ukrainischen Präsidenten, dafür aber eines vom Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte.

Vitali Klitschko mit Bild von Saluschnyj
Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, hält ein Bild des Oberbefehlshabers der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, in seinem Büro im Rathaus der ukrainischen Hauptstadt in den Händen. (Archivbild) © picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

Kiews Bürgermeister äußerte sich in dem Interview auch über sein Verhältnis zu Präsident Selenskyj. Er habe mit ihm seit zwei Jahren nicht gesprochen, sagte Klitschko. "Seit Beginn des Krieges haben wir uns nicht einmal getroffen." Es gebe einen "politischen Wettbewerb".

Der Kiewer Bürgermeister richtete einen Appell an Selenskyj: "Er muss die Gesellschaft einigen. Er muss eine Figur sein, die alle zusammenbringt, Schulter an Schulter." Der Präsident habe "eine wahnsinnige Verantwortung".

Selenskyj will politische und militärische Führung umbauen

Nach beharrlichen Medienberichten um eine geplante Entlassung Saluschnyjs räumte Präsident Wolodymyr Selenskyj Pläne für Personalwechsel am Sonntagabend ein. Dabei gehe es nicht nur um die Armeeführung. Selenskyj halte einen Neuanfang in der Führungsebene von Staat und Militär für notwendig, sagte er in einem Interview des italienischen Senders Rai. "Sicherlich ist ein Reset, ein Neuanfang notwendig. Wenn wir davon sprechen, dann meine ich die Ablösung einer Reihe von führenden Persönlichkeiten des Staates, nicht nur in einem einzelnen Bereich wie dem Militär."

Der 50-jährige Saluschnyj wurde wenige Monate vor dem russischen Einmarsch vom Februar 2022 Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee. Unter seinem Kommando hielten die ukrainischen Truppen der Invasion stand und eroberten sogar besetzte Gebiete zurück. Saluschnyj werden etwa hohe Verdienste bei der Verteidigung von Kiew und der Rückeroberung von Gebieten in der Ost- und Südukraine zugeschrieben. Der General gilt als beliebt bei seinen Soldaten und in der Bevölkerung. Deshalb wurden ihm auch politische Ambitionen nachgesagt, die er aber dementierte. In Umfragen ist der General beliebter als Präsident Selenskyj.

Machtkampf zwischen Saluschnyj und Selenskyj?

In den vergangenen Wochen mehrten sich die Berichte über einen Machtkampf zwischen Saluschnyj und Selenskyj. Verschiedenen Medien zufolge hatte der ukrainische Staatschef die Ablösung des Generals geplant, konnte diese aber zunächst nicht durchsetzen.

Selenskyj sagte nun, er denke zwar über die Ablösung Saluschnyjs nach, aber es gehe ihm nicht um eine einzelne Person. "Es ist eine Frage, die die gesamte Führung betrifft, die die Maschine des Landes antreibt, die groß und komplex ist."

Alle an der Staatsspitze müssten nach seinen Worten in dieselbe Richtung gehen und überzeugt vom Sieg der Ukraine sein. "Wenn ich also von Neubeginn, von Ablösung spreche, habe ich etwas Ernstes im Sinn, das nicht eine einzelne Person betrifft, sondern die Richtung der Führung des Landes", sagte Selenskyj in dem Interview der italienischen Übersetzung zufolge. (dpa/tas)

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