Mit einer Desinformationskampagne sollte die öffentliche und politische Meinung in Österreich zugunsten Russlands manipuliert werden. Die DSN erhebt Spionagevorwürfe gegen eine Frau.
Die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) hat bei Spionageermittlungen gegen eine Bulgarin "eine umfangreiche russische Desinformationskampagne in Österreich" aufgedeckt. Die Frau soll maßgeblich für die Durchführung einer von Russland aus gesteuerten Desinformationsoperation verantwortlich gewesen sein, teilte die DSN am Montag in einer Aussendung mit. Von der Staatsanwaltschaft Wien hieß es auf APA-Anfrage, das alles sei schon seit Dezember bekannt.
Die Frau "befindet sich derzeit auf freiem Fuß", sagte eine Sprecherin des zuständigen Innen-Staatssekretärs Jörg Leichtfried (SPÖ) der APA auf Anfrage. Sie bestätigte auch, dass Verbindungen zwischen der Bulgarin und einer mutmaßlich im Auftrag von Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek in Großbritannien agierenden Zelle bestehen. Jüngst waren in einem spektakulären Fall der Spionage für Russland in London zwei Frauen und ein Mann aus Bulgarien schuldig gesprochen worden.
Trotz U-Haft-Forderung auf freien Fuß gesetzt
Die Bulgarin war am 7. Dezember wegen mutmaßlicher Beteiligung am geheimen Nachrichtendienst zum Nachteil der Republik festgenommen worden. Damals war ihr die Bespitzelung von hochrangigen Personen wie DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner oder "profil"-Chefredakteurin Anna Thalhammer vorgeworfen worden. Trotz einer U-Haft-Forderung der Staatsanwaltschaft wurde sie am 10. Dezember vom Landesgericht für Strafsachen auf freien Fuß gesetzt.
Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, erklärte am Montag auf APA-Anfrage, dass die vom Innenministerium nun öffentlich verbreiteten Informationen "nichts Neues" seien. Bei der Entscheidung über die Haftfrage im Dezember sei "das alles schon bekannt" gewesen, betonte sie. Die Ermittlungen gegen die Bulgarin gingen weiter.
"Wir Österreicherinnen und Österreicher bilden uns unsere Meinung lieber selbst."
Der Zweck der verdeckten Kampagne sei es gewesen, die öffentliche und politische Meinung zum Nachteil der Ukraine und Vorteil Russlands zu manipulieren. "Die Verbreitung von falschen Narrativen, Fake News und manipulativen Inhalten untergräbt das Vertrauen in unsere Institutionen und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt", reagierte Staatssekretär Leichtfried. Die Verbreitung von Desinformation habe das Potenzial, Wahlen zu beeinflussen, politische Instabilität zu fördern und die demokratische Gesellschaft zu gefährden. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Meinungsbildung in der Politik und in der Öffentlichkeit von außen gesteuert wird. Wir Österreicherinnen und Österreicher bilden uns unsere Meinung lieber selbst."
Erfreut reagierte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Er gratulierte seinem Staatssekretär via Instagram "zu diesem wichtigen Erfolg im Kampf gegen Desinformation", ergänzt um ein Emoji, das einen angespannten Bizeps zeigt. ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti sah in einer Aussendung in Anspielung auf die umstrittenen Aktivitäten früheren Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) den "Beweis erbracht, dass aus der Asche des zerstörten BVT ein deutlich effektiverer und schlagkräftigerer Nachrichtendienst hervorgegangen ist".
Auch die mitregierenden NEOS zeigten sich erfreut, dass "eine umfangreiche russische Desinformationskampagne gegen Österreich (...) aufgedeckt" worden sei. Europaabgeordneter Helmut Brandstätter und Sicherheitssprecher Douglas Hoyos verwiesen in einer Aussendung auf das Maßnahmenpaket gegen Spionage im Regierungsprogramm. Brandstätter zeigte diesbezüglich auch auf die größte Parlamentspartei. "Trollfabriken produzieren diese Lügen, die FPÖ und die von ihr finanzierten Medien verbreiten sie munter weiter", betonte er.
Kampagne mit Schwerpunkt Österreich
Die DSN sei durch die Auswertung von Datenträgern, die bei einer Hausdurchsuchung bei der verdächtigen Bulgarin im Dezember vergangenen Jahres vollzogen worden war, auf "diese nachrichtendienstlichen Operation" draufgekommen, hieß es weiter. Ermittlungen hätten ergeben, dass bereits wenige Wochen nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 "eine für den russischen Geheimdienst arbeitende Zelle tätig geworden war. Diese plante Anfang 2022 eine breit angelegte Desinformationskampagne in deutschsprachigen Ländern mit Schwerpunkt Österreich".
Das Ziel dieser Zelle sei gewesen, im Kontext des Kriegsgeschehens durch gezielte Aktionen die öffentliche Meinung negativ gegen die Ukraine sowie Präsident Wolodymyr Selenskyj zu beeinflussen und somit - auf übergeordneter Ebene - pro-russische Stimmungsbilder zu generieren, erklärte das Innenministerium weiter. "Um dies zu erreichen, griff man sowohl zu Aktivitäten in der medialen Landschaft im Internet als auch zu Offline-Aktionismen, etwa mittels Aufkleber oder Graffiti." Die optische und inhaltliche Ausgestaltung dieser Aktionismen sollte den Anschein erwecken, als ob pro-ukrainische Aktivisten die Verfasser und Urheber seien. Verwendet worden seien "gestalterische und sprachliche Motive, die in der breiten Öffentlichkeit auf sofortige Ablehnung stoßen, allen voran rechtsextreme Symbolik und nationalistische Aussagen und Chiffren".
Verdächtige geständig
Die Auswertung der sichergestellten Datenträger der unter Verdacht stehenden Bulgarin habe anhand von Chat-Nachrichten die detaillierten Planungen der von Russland gesteuerten Zelle offengelegt. Die Verdächtige dürfte darin eine erhebliche Rolle gespielt haben. Sie diente laut derzeit vorliegenden Erkenntnissen als nachrichtendienstliche Kontaktperson. Russische Nachrichtendienste dürften sie weiters mit der Verteilung von Inhalten in Deutschland und Österreich beauftragt haben.
Die Tatverdächtige dokumentierte erfolgte Aktionen. Diese Dokumentationen wurden auch an Mittäterinnen und Mittäter, die in Russland sowie in Großbritannien aufhältig waren, übermittelt. Die Verdächtige ist geständig, insbesondere im Jahr 2022 für die Zelle tätig gewesen zu sein, so das Ministerium.
"profil"-Chefredakteurin Thalhammer kritisierte am Montag, dass die Bulgarin nach ihrer Festnahme nicht in U-Haft gekommen ist. "Ich finde das noch immer absurd, bei dem, was vorgefallen ist", schrieb sie auf X. "Ich hab mir dafür Sicherheitsvorkehrungen überlegen müssen." (APA/bearbeitet von tas/nap)