Die deutsche Regierung hat ein umfangreiches Rüstungsgeschäft mit Russland gestoppt. Andere europäische Länder wollen ihre Waffendeals durchziehen. Warum unterstützen sie Putin mitten im Ukraine-Konflikt mit Kriegsgerät?

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Die deutsche Firma Rheinmetall sollte in Russland ein Gefechtsübungszentrum bauen – bis zu 30.000 Soldaten hätten hier pro Jahr ausgebildet werden können. Doch die deutsche Regierung hat das Geschäft platzen lassen und die entsprechende Genehmigung zurückgezogen. Angesichts der Ukraine-Krise will man den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht weiter militärisch unterstützen. Zu eindeutig sind die Anzeichen, dass er die Separatisten im Osten der Ukraine unterstützt. Zu groß war der Schock, nach dem mutmaßlichen Abschuss von Flug MH17 durch ebenjene Aufständischen.

Die deutsche Entscheidung klingt vernünftig – doch längst nicht alle europäischen Länder ziehen mit. Während Deutschland bereits im April mitgeteilt hatte, vorerst keine weiteren Genehmigungen für Rüstungsexporte zu erteilen, soll Großbritannien noch im Juli militärische Ausrüstung nach Russland geliefert haben. Mittlerweile hat die EU zwar beschlossen, dass Rüstungsgeschäfte ausgesetzt werden sollen – doch das gilt nicht für bereits vereinbarte Deals. Frankreich hat denn auch angekündigt, weiterhin zwei Kriegsschiffe an Russland liefern zu wollen.

Warum beliefert Europa Russland mit Waffen?

Warum beenden diese Länder nicht die Unterstützung für eine Regierung, die sie auf politischer Bühne scharf kritisieren? Die Antwort: Geld. "Wenn eine Regierung die Lizenz für Rüstungsgeschäfte aus politischen Gründen zurücknimmt, muss sie dafür Schadensersatz zahlen", erklärt Michael Brzoska, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Im Fall Frankreichs soll der Waffendeal einen Umfang von etwa 1,2 Milliarden Euro haben – eine Summe, auf die das Land nicht verzichten kann und will. Frankreich ist wirtschaftliche angeschlagen, eine Schadensersatzforderung Russlands wäre eine erhebliche Belastung für den Haushalt. Auch Hunderte Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel.

Andere Länder wie Spanien, die noch Geschäfte mit Russland offen haben, müssen sich nun entscheiden: Folgen sie der deutschen oder der französischen Linie? Politische und wirtschaftliche Interessen stehen sich hier gegenüber – ein Dilemma, in das sich die europäischen Staaten selbst manövriert haben. Damit zeigt das aktuelle Beispiel Russland, was schief läuft bei der europäischen Rüstungspolitik.

Wie wichtig ist die Rüstungsindustrie?

Zum einen ist die Rüstungsindustrie in Europa zu groß: Es werden weit mehr Waffen produziert, als die eigenen Streitkräfte benötigen. "Ungefähr ein Drittel der Unternehmen überlebt nur, weil sie in Ländern außerhalb der EU exportieren", sagt Brzoska. "Das sind Überkapazitäten, die zum Teil noch vom Kalten Krieg herrühren. Die europäische Rüstungsindustrie muss schrumpfen." Wirtschaftlich wäre das verkraftbar: Ihre Bedeutung für die Volkswirtschaft ist bei weitem nicht so groß, wie es die Rüstungslobbyisten gerne darstellen. 2010 hatten Rüstungsexporte einen Anteil von nur 0,19 Prozent am deutschen Bruttoinlandsprodukt.

Das zweite Problem: Jeder Export will genau überlegt sein – Waffen sollten nur an verlässliche Partner gehen. In der Vergangenheit wurden jedoch die Anträge auf Genehmigungen nicht immer kritisch genug überprüft. "Aus meiner Sicht hätte man die Geschäfte mit Russland nicht genehmigen dürfen", sagt Brzoska. "Die Entwicklung in dem Land ist schon seit einiger Zeit nur schwer vorhersehbar." Zudem seien Lieferungen an autoritäre Staaten kontraproduktiv, weil sie den europäischen sicherheitspolitischen Zielen widersprächen.

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