In Österreich soll mit Herbert Kickl erstmals ein rechtsextremer Politiker eine Bundesregierung anführen. Er könnte dem Land andere Zeiten bescheren. Ist ein ähnliches Szenario auch in Deutschland denkbar?
Österreichs Politik ist turbulent ins neue Jahr gestartet. Ende vergangener Woche waren die Koalitionsgespräche zwischen der konservativen ÖVP, den Sozialdemokraten (SPÖ) und den liberalen NEOS gescheitert. Der bisherige Bundeskanzler und ÖVP-Chef
Er habe sich diesen Schritt nicht leicht gemacht, erklärte am Montag der österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen in der Wiener Hofburg. Der Bundespräsident spielt bei der Regierungsbildung in Österreich eine wichtige Rolle. Es ist kein Geheimnis, dass Van der Bellen einen Kanzler Kickl gerne verhindern wollte. Doch die Mehrheitsverhältnisse im Parlament und das Aus anderer Optionen lassen ihm nun aus seiner Sicht keine andere Wahl.
"Herr Kickl traut sich zu, Lösungen zu finden"
Die Wirtschaft des Landes sei in einer schwierigen Situation, die Arbeitslosigkeit steige und die geopolitische Bedrohungslage durch Russland stelle das Land vor Herausforderungen. "Herr
Der Wechsel vollzog sich so überraschend wie radikal. Noch vor wenigen Tagen sah es so aus, als ob ÖVP, SPÖ und NEOS eine Regierung unter dem bisherigen Kanzler Karl Nehammer bilden würden. Doch erst stiegen die NEOS aus. Partei-Chefin Meinl-Reisinger verglich die Gespräche mit dem Feilschen auf einem Bazar. Am Ende seien nicht nur keine Fortschritte gemacht worden, sondern gar Rückschritte.
Knackpunkt war – wie beim Scheitern der Ampelkoalition in Deutschland im vergangenen Herbst – der Haushalt. Österreich ist hoch verschuldet. Die NEOS forderten daher Einsparungen, denen die Sozialdemokraten nicht zustimmen wollten. Außerdem gab es einen Streit um die Erhöhung der Körperschaftssteuer und der Bankenabgabe.
Nach dem Ausstieg der NEOS aus den Gesprächen erklärten schließlich ÖVP und SPÖ am Wochenende die Gespräche für gescheitert. Obwohl die beiden Parteien zusammen noch eine hauchdünne Mehrheit im Nationalrat gehabt hätten. Doch die ÖVP wollte offenbar nicht mehr.
Kurswechsel der ÖVP
Bei der Nationalratswahl im vergangenen September hatte die FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl die meisten Stimmen verzeichnet. Die ÖVP hatte daraufhin klargestellt, nicht mit dem als rechtsextrem geltenden Kickl an der Spitze der FPÖ koalieren zu wollen. Man sehe in dem ehemaligen Innenminister ein "Sicherheitsrisiko", hieß es.
Kickl werden Kontakte nach Russland nachgesagt, außerdem besteht eine starke Nähe zwischen ihm und der rechtsextremen Identitären Bewegung. Der ehemalige Innenminister habe "sich selbst radikalisiert", erklärte der damalige Kanzler Nehammer noch vor der Wahl im Interview mit dem Sender "Puls24". Eine Zusammenarbeit mit ihm schließe sich daher aus.
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Nun sind nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen die Karten in Wien neu gemischt. "Wie wir alle miterlebt haben am Wochenende, hat die ÖVP ihr kategorisches Nein gegenüber einem Kanzler Herbert Kickl aufgegeben", sagte Bundespräsident van der Bellen am Montag. In der Tat sind nach dem Rücktritt Nehammers als ÖVP-Chef auch die Bedenken innerhalb der Partei gegenüber einer Zusammenarbeit unter einem Kanzler Kickl geschwunden. Am Sonntagnachmittag kündigte der neue ÖVP-Chef Christian Stocker an, er sei bereit für Verhandlungen mit der FPÖ.
Stocker galt lange selbst als Gegner einer Koalition mit Herbert Kickl. Noch im Dezember erklärte er im österreichischen Parlament in Richtung seines FPÖ-Kontrahenten: "Herr Kickl, es will Sie niemand in diesem Haus. Auch in dieser Republik braucht Sie keiner."
Laut Einschätzung des österreichischen "Standard" könnte der Wirtschaftsflügel der ÖVP den Anstoß gegeben haben, doch Gespräche mit der FPÖ zu suchen. Die SPÖ wirft den Industrie- und Wirtschaftsvertretern innerhalb der ÖVP vor, Kanzler Nehammer unter Druck gesetzt zu haben, die Koalitionsgespräche platzen zu lassen, um anschließend eine Koalition mit der FPÖ zu suchen.
Orbán als Vorbild
Sollten die Gespräche zwischen ÖVP und FPÖ erfolgreich verlaufen, würde damit zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs ein FPÖ-Kanzler regieren – und noch dazu ein besonders radikaler Vertreter des Rechtspopulismus.
Kickl hatte sich vor zwei Jahren dafür ausgesprochen, Österreich nach dem Vorbild von Viktor Orbán in Ungarn umzumodeln. Seine offen rechtsextremen Ansichten etwa zu Remigration sind bekannt. Der ehemalige Innenminister forderte laut Medienberichten unter anderem, dass "Flüchtlinge, die glauben, sich nicht an unsere Regeln halten zu müssen" das Land verlassen sollen. Zu den rechtsextremen Identitären pflegt er ein gutes Verhältnis.
Auch außenpolitisch drohen unter Kickl andere Zeiten. Der FPÖ-Chef gilt als Kreml-freundlich. 2016 schloss seine Partei einen Freundschaftsvertrag mit Wladimir Putins Partei "Einiges Russland". Kickl fordert ein Ende der Sanktionen gegen Russland: "Das ist nicht unmoralisch. Wir müssen bei Russland mit gleichem Maß messen wie bei den USA, die auch vielerorts in Ländern einmarschieren und völkerrechtswidrige Kriege führen", sagte er dazu. Gleichzeitig will er die österreichischen Ukrainehilfen einstellen.
Habeck warnt vor ähnlichem Szenario in Deutschland
"Österreich ist ein Beispiel, wie es nicht laufen darf. Wenn die Parteien der Mitte nicht bündnisfähig sind und Kompromisse als Teufelszeug abtun, hilft das den Radikalen", erklärte Grünen-Kanzlerkandidat
Nun sind die Verhältnisse in Österreich wenig vergleichbar mit denen in Deutschland. Die Alpenrepublik gilt als Wiege des modernen Rechtspopulismus, und die FPÖ war dort bereits Ende der 1990er-Jahre und zuletzt unter ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz an einer Regierung beteiligt.
Auch deshalb haben wohl alle politischen Verantwortlichen weniger Berührungsängste mit der FPÖ, die bereits zweimal mit der ÖVP koaliert hat. Zwar ist es auch in Deutschland durchaus möglich, dass sich die Koalitionsgespräche nach der kommenden Bundestagswahl am 23. Februar schwierig gestalten. Eine Regierung ohne Einbeziehung der AfD sollte jedoch so oder so machbar sein. Von einer so starken Position wie die FPÖ in Österreich ist die AfD hierzulande noch weit entfernt.
Zudem schließen CDU und CSU eine Koalition mit der AfD kategorisch aus. In der Vergangenheit hat sich die SPD zur Not immer bereit erklärt, in eine Regierung mit der Union einzutreten, wenn vorangegangene Gespräche gescheitert sind oder andere Mehrheiten nicht realisierbar waren. Hier wurde anders agiert als im Nachbarland. Zumindest bisher.
Quellen:
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