Noch ist offen, wer Eva Glawischnig an der Spitze der Grünen nachfolgt. Beim Bundeskongress am 25. Juni wird sich auch die künftige Ausrichtung der Ökopartei entscheiden. Leicht wird es für den künftigen Chef der Partei nicht.

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Fürs Erste ist Ingrid Felipe gesetzt. Nach dem überraschenden und sofortigen Rücktritt von Eva Glawischnig an der Spitze der Grünen - selbst altgediente Nationalratsabgeordnete erfuhren davon nur kurz vor ihrer finalen Pressekonferenz – ist die Tiroler Vizeparteichefin logische Wahl als interimistische Nachfolgerin. Beim Bundeskongress am 25. Juni wird sich dann weisen, ob die außerhalb ihres Heimatbundeslandes noch recht unbekannte Politikerin als Parteichefin von den Delegierten bestätigt und als Spitzenkandidatin in die Nationalratswahl ziehen wird. "Noch ist alles offen", sagt ein grüner Abgeordneter, der nicht genannt werden möchte, im Gespräch mit unserer Redaktion. Es sei keineswegs auszuschließen, dass es in sechs Wochen zu einer Kampfabstimmung kommt.

Felipe, die in Tirol gemeinsam mit ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter recht einträchtig regiert, ist eine Vertreterin des bürgerlichen Flügels der Grünen. Wie Glawischnig wäre sie ein Angebot an Wähler der Mitte. Als mögliche Alternativkandidatinnen werden parteiintern die EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek sowie die Salzburger Parteichefin und Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Rössler genannt. In der Vergangenheit wurde immer wieder über mögliche Ambitionen von Lothar Lockl – dem Leiter der Präsidentschaftskampagne von Alexander Van der Bellen – spekuliert. Doch Lockl hat bereits am Vormittag definitiv abgesagt.

Zermürbender Streit mit Parteijugend

Glawischnig, die die Ökopartei neun Jahre lang angeführt hat, geht am Zenit ihres Erfolges. Als einzige Partei haben die Grünen in den vergangenen Jahren bei fast jeder Wahl Stimmen dazu gewonnen. Nun aber hat sich die nach der FPÖ zweitstärkste Oppositionspartei in ein Dilemma manövriert. Der monatelange Streit der Parteiführung mit den aufmüpfigen Junggrünen unter Flora Petrik hat viele an der Basis vergrämt. Dass Petriks Organisation am Ende hochkant aus der Partei geworfen wurde, empfanden nicht wenige als undemokratisch.

Die scheidende Parteichefin sprach in ihrer Abschiedsrede auch von ernsthaften gesundheitlichen Problemen und beklagte persönliche Untergriffe – von politischen Gegner ebenso wie von Journalisten und Hasspostern im Internet. Für ihren Rücktritt machte sie auch familiäre Überlegungen geltend.

Höhenflug vorerst zu Ende

Wer auch immer ihr nachfolgt: Leicht wird es nicht. Denn viel deutet darauf hin, dass der Höhenflug der Grünen mit der kommenden Wahl vorerst zu Ende sein wird. "Im besten Fall können wir das Ergebnis halten", sagt ein früherer Spitzenfunktionär im Gespräch mit unserer Redaktion. "Das Wahlkampf wird kein Zuckerschlecken."

Denn in der Dynamik des sich abzeichnenden Dreikampfes zwischen Kanzler Christian Kern sowie seinen beiden Herausforderern Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache drohen die Grünen – genauso wie die liberalen NEOS – unterzugehen. Die Entscheidung über Glawischnigs Nachfolge dürfte daher auch zu einer Entscheidung über den künftigen Kurs der Partei werden.

Felipe und Rössler stehen für moderaten Kurs

Felipe und Rössler stehen bei den Grünen für jenen moderaten Kurs, den sowohl Glawischnig als auch ihr Vorgänger Alexander Van der Bellen eingeschlagen haben. Beide Kandidatinnen sitzen bereits in hohen Regierungsämtern, beide koalieren mit der bürgerlichen Volkspartei.

Demgegenüber steht mit der EU-Abgeordneten Lunacek eine akzentuierte Linke, die mit den Konservativen deutlich weniger am Hut hat. "Lunacek würde das linke Profil stärken und wäre ein starkes Signal gegenüber der FPÖ", sagt der frühere Spitzenfunktionär.

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