SPÖ und FPÖ werden im Burgenland zusammenarbeiten: Landeshauptmann Hans Niessl und Landesparteiobmann Johann Tschürtz haben sich auf eine Koalition geeinigt. Die ersten Reaktionen lassen kaum ein gutes Haar an den Neo-Regierungspartnern.

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Verhandlungen im Schnelldurchlauf: Nur vier Tage nach der Landtagswahl im Burgenland haben sich Rot und Blau auf eine Koalition geeinigt. Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und FPÖ-Landesparteiobmann Johann Tschürtz gaben Freitagnachmittag in Eisenstadt die Einigung bekannt. "Wir haben ein gutes Koalitionsübereinkommen getroffen", wird Niessl von der Austria Presse Agentur zitiert.

Die Verhandler hätten "sehr, sehr viele Stunden und die Nacht auf Mittwoch durchgearbeitet", sagte Niessl. Es sei "auch aus demokratiepolitischen Gründen nachvollziehbar", dass die stärkste Partei den Landeshauptmann stelle - und dass die Partei, die am meisten dazugewonnen habe, auch in einer Koalition vertreten sei.

Johann Tschürtz wird Niessls Stellvertreter

Tschürtz wird Landeshauptmann-Stellvertreter und Sicherheitslandesrat. Auch FPÖ-Klubdirektor Alexander Petschnig wird in die Landesregierung einziehen. Im SPÖ-Regierungsteam sollen neben Niessl die Landesräte Helmut Bieler und Verena Dunst vertreten sein. Das restliche Team will der Landeshauptmann am Montag bekannt geben. Gemeinsamer Nenner könnte eine Beschränkung für Ausländer auf dem Arbeitsmarkt sein.
Die FPÖ hatte ihren Stimmenanteil bei der Landtagswahl im Burgenland am Sonntag mit 15 Prozent beinahe verdoppelt, in der Steiermark auf 27,1 Prozent fast verdreifacht. Anti-Ausländer-Parolen - "Neue Wohnungen statt neue Moscheen" - spielten eine zentrale Rolle im Wahlkampf.

Die Abstimmungen waren im Superwahljahr 2015 der bisher umfassendste Stimmungstest für die seit 18 Monaten amtierende rot-schwarze Bundesregierung. Laut Wahlanalyse waren die Bürger gegenüber der großen Koalition in Wien viel kritischer eingestellt als gegenüber der jeweiligen Landesregierung. Im Herbst stehen Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien an. Im Bund wird 2018 wieder gewählt.

Reaktionen fallen durchwachsen aus

Der neue geschäftsführende Landesparteiobmann der burgenländischen ÖVP, Thomas Steiner, kritisierte am Freitag nicht nur die Koalition von SPÖ und FPÖ, sondern auch das Tempo, mit der es zur Einigung kam. "Schon an der Kürze der Verhandlungszeit merkt man, dass es der SPÖ nur um Machterhalt um jeden Preis geht und dabei die FPÖ lediglich der 'billigste Partner' ist", wird Steiner in einer Aussendung zitiert.

Bundeskanzler Werner Faymann hält zur Frage einer Koalition der SPÖ mit der FPÖ auf Bundesebene einmal mehr fest: "Diese Konstellation kommt für die Bundespartei nicht in Frage. Meine Haltung dazu ist klar: Mit mir nicht."

Auch auf Twitter überwiegen die negativen Reaktionen zu #rotblau:

Werner Gruber distanziert sich von Hans Niessl

"Science Buster" Werner Gruber distanziert sich indes in einem offenen Brief von einer rot-blauen Koalition unter Niessl. Gruber hatte im Personenkomitee für Hans Niessl Wahlkampfhilfe geleistet. "Ich trete für die Sozialdemokratie ein, weil mir Bildungsgerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit wichtig sind. Die FPÖ macht aus der sozialen Frage eine Keule, mit der sie auf gesellschaftliche Randgruppen schlägt", schreibt Gruber. "Mit so einer Politik gibt es keinen gemeinsamen Nenner. Das ist menschenverachtend."

Das Mail vom 2. Juni 2015 im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, lieber Hans,
Ich habe dich im Wahlkampf unterstützt. Diese Unterstützung hast du von mir bekommen, weil ich weiß, wie wichtig dir Bildung ist, was du und dein Team in diesem Bereich umgesetzt haben. Dafür bin ich dir dankbar, deshalb hast du meine Unterstützung bekommen.
Wenn man eine Landesregierung zu bilden hat, dann sollte man mit allen Parteien sprechen. Das ist vernünftig und sinnvoll.
Aber, ich kann mir nicht vorstellen, dass es möglich ist, eine sinnvolle Regierung unter Beteiligung der FPÖ zu bilden. Leider kann man auf die vergangene Bundesregierung der ÖVP gemeinsam mit der FPÖ blicken - wir zahlen heute noch dafür. Auch die Regierung des BZÖ bzw. der FPÖ in Kärnten war weder wirtschaftlich noch sozial erfolgreich. Auch dafür zahlen wir heute noch.
Nicht nur, dass die FPÖ gezeigt hat, dass sie wirtschaftlich inkompetent ist, nein, sie ist auch sozial und menschlich letztklassig. Angefangen von einer menschenverachtenden Politik, die darin besteht Menschen auszugrenzen und bösartige Lügen zu verbreiten bis zu einer teilweisen Verherrlichung von nationalsozialistischem Gedankengut, ist die FPÖ doch kein Partner, mit dem man gemeinsam Politik betreiben kann.
Die FPÖ ist nicht für sozial schwache Gruppen da, sie ist auch nicht für die Bevölkerung da, sondern nur für sich selbst.
Lieber Hans, ich ersuche dich, überdenke dein Handeln - mit der FPÖ ist kein Burgenland zu machen. Es wäre schade um ein so schönes Bundesland. Reicht es nicht, dass Kärnten nicht wegen der schönen Seen und der Landschaft in den Medien ist... als Folge von FPÖ bzw. BZÖ.
Werner Gruber
Physiker, Unterstützer der Sozialdemokratie, nicht der FPÖ
(Mit Material von dpa)
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