Gleich zwei Gäste sprechen in der ORF-Sendung "Report" über den neuen österreichischen Bundeskanzler Christian Kern: Vizekanzler Reinhold Mitterlehner redet über die zukünftige Zusammenarbeit mit Kern und die Pläne der ÖVP, während Politologe Anton Pelinka Kerns Zukunft und Schwierigkeiten erörtert.
Seit 17. Mai ist
Kern setzt darauf, Österreich wieder zu einem "Vorzeigeland" in Europa zu machen – und besetzt deswegen gleich vier wichtige Regierungsposten neu: Bildungsministerin wird Sonja Hammerschmid, Infrastrukturminister wird Jörg Leichtfried, Thomas Drozda wird Kanzleramtsminister, und mit Muna Duzar gibt es erstmals eine Staatssekretärin mit Migrationshintergrund. Kern bezeichnete Letzteres als "bewusstes und wichtiges Zeichen".
Reinhold Mitterlehner über Christian Kern
ÖVP-Vizekanzler
Zu Kerns Kritik an der bisherigen Regierung meint Mitterlehner nur: "Wir waren Teil des Systems, und das System ist verbesserbar." Er redet mehrfach davon, dass die Zusammenarbeit ab jetzt anders ablaufen muss und die Bundesregierung gemeinsam agieren muss.
In der Vergangenheit seien Entwicklungen wie eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten gescheitert, weil "auf der anderen Seite immer eine Art Gegengeschäft gemacht hat werden müssen, und das wollen wir abstellen".
"Jetzt sind die Karten neu gemischt", erklärt er und spricht von "neuen Spielregeln". Mittlerlehner hält es für wichtig, sicherzustellen, dass innere Kämpfe beendet werden: "Viele neue Chancen werden wir nicht haben – und die wollen wir ergreifen".
Die Ergebnisse der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl, bei der sowohl der ÖVP- als auch der SPÖ-Kandidat schlecht abschnitten, war "nicht nur eine Abrechnung mit der Regierungstätigkeit, sondern mit dem Politestablishment". Seiner Ansicht nach hätten die Bürger den Eindruck, es sei "machtpolitisch alles geregelt", und da möchte man mit gegenarbeiten.
Die ÖVP wolle sich aber im Gegensatz zur SPÖ nicht neu aufstellen: "Wir haben ein gutes, vor allem ein eingearbeitetes Team." Es sei für Freitag allerdings eine "Zukunftskonferenz" geplant, in der ein Programm mit konkreten und realistischen Zielen aufgestellt werden soll, das zeigen soll, "dass es uns ernst ist".
Hinsichtlich der Asylpolitik denkt er, mit der SPÖ eine gemeinsame Linie gefunden zu haben: "Auf der einen Seite die humane Komponente, Menschlichkeit gegenüber den Flüchtlingen, andererseits eine bestimmte Sicherheit – dass der Bürger auch sicher sein kann, es wird nicht quantitativ die Sicherheit berührend oder das Sozialsystem berührend ein Sturm von Migranten nach Österreich kommen, den wir nicht mehr beherrschen."
Anton Pelinka über Christian Kern
Politologe Anton Pelinka sieht Christian Kerns Position als "große Chance", weil es nach den Ergebnissen der Bundespräsidentenwahl "nur besser werden kann". Andererseits stuft er die Erwartungen als Belastung ein und spricht von einigen "Bleigewichten", mit denen Kern zu kämpfen habe – innerhalb der eigenen Partei und hinsichtlich des Koalitionspartners.
Die Aufgabe, die zerspaltene SPÖ zusammenzubringen, bezeichnet Pelinka als "Quadratur des Kreises". Ein Kurs zeichne sich aber in Kerns Ansprache schon ab: Es würde in Zukunft nicht mehr heißen, man würde unter keinen Umständen mit der FPÖ zusammenarbeiten, sondern: Man würde nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, die gegen Minderheiten hetzt und Hass verbreitet. Damit würde man von einer generellen Ablehnung weggehen und stattdessen inhaltliche Kriterien aufstellen.
Kerns erste Rede stuft Pelinka als "deutliche Abgrenzung" ein. "Es wurde signalisiert: Es muss alles anders werden". Er weist aber auf Michael Häupls Aussage hin: Wichtig sei, dass Kern Wahlen gewinne. "Wenn Christian Kern der SPÖ Wahlerfolge bringt, dann wird er eine große Autorität haben. Wenn nicht, dann wird seine Autorität wieder rasch verbraucht sein."
Pelinka ist "vorsichtig mit Optimismus", aber denkt, dass die Chemie zwischen Kern und Mitterlehner stimmt. Durch Kerns wirtschaftlichen Hintergrund sei "eine gemeinsame Sprache" vorhanden, die Mitterlehner bei Feymann vielleicht nicht gesehen habe. Aber: "Das kann allein schon durch Widerstände in den jeweiligen Regierungsparteien rasch wieder vorbei sein."
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