Javier Milei wollte Argentinien komplett umkrempeln. Doch gegen viele seiner Vorhaben bilden sich bereits breite Fronten in der Opposition und der Justiz.

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Nach eineinhalb Monaten im Amt formiert sich Widerstand gegen den neuen argentinischen Präsidenten Javier Milei. Am Mittwoch bremste ein Generalstreik das öffentliche Leben, Zehntausende gingen auf die Straße. Die Reformpläne des Rechtspopulisten stocken, während die Inflation weiter grassiert.

Milei hat immer noch große Unterstützung im Volk

Aktuellen Umfragen zufolge genießt Milei immer noch die Unterstützung von etwa der Hälfte der Bevölkerung. Bei der Stichwahl im November hatte er 55,6 Prozent der Stimmen geholt. Die Reaktionen auf seine Reformen sind jedoch gespalten: Ein Großteil der Argentinier befürwortet Neuerungen wie eine vereinfachte Scheidung, höhere Studiengebühren für Ausländer oder die Abschaffung der Vorwahlen. Die Sondervollmachten für die Regierung, Privatisierungen oder die Rentenreform stoßen jedoch auf breite Ablehnung.

Demonstranten in Buenos Aires
Überall in Argentinien sind Menschen gegen die Reformpläne Javier Mileis auf die Straße gegangen. © IMAGO/ZUMA Wire/Daniel Bustos

Sicherheitsministerin Patricia Bullrich sprach im Onlinedienst X, von einem "totalen Misserfolg“, nur 40.000 Menschen hätten an dem Marsch in der Millionenstadt Buenos Aires teilgenommen. Die Polizei zählte 80.000 Teilnehmer, die Gewerkschaft CGT 500.000. Im ganzen Land seien 1,5 Millionen Menschen auf die Straße gegangen, sagte ein Sprecher. Die mit sieben Millionen Mitgliedern größte Gewerkschaft CGT hatte zum Generalstreik und Protest aufgerufen, zivilgesellschaftliche Gruppen schlossen sich ihr an.

Milei hatte dem hoch verschuldeten Land bei seinem Amtsantritt am 10. Dezember eine "Schocktherapie" verordnet. Er erließ ein Dekret, das mehr als 300 bestehende Gesetze ändert oder abschafft. Unter anderem sollen Arbeitnehmerrechte beschnitten sowie Preisdeckel für Mieten und wichtige Konsumgüter aufgehoben werden.

Kurz darauf legte er das sogenannte Omnibus-Gesetz vor. Ursprünglich umfasste es 664 Artikel zu Deregulierungs- und Sparmaßnahmen für unterschiedlichste Bereiche wie Wahlsystem, Privatisierung, Renten, Bildung, Kultur, Straf- und Familienrecht. In den Ausschussdebatten wurden davon fast 150 Bestimmungen gestrichen.

Breiter Protest gegen Mileis Gesetze

Ab Dienstag wird der Gesetzentwurf im Abgeordnetenhaus diskutiert, auch der Senat muss dem Paket zustimmen. Die Opposition fordert weitreichende Änderungen und droht damit, den Text in separaten Debatten zu zerpflücken. In der jetzigen Form "könnte ein Drittel nicht angenommen werden", sagt der liberale Abgeordnete Martín Tetaz. Das Parlament ist zersplittert, Mileis Partei La Libertad Avanza ist nur die drittstärkste Kraft.

Gegen Mileis Dekret reichten unter anderem Gewerkschaften, Berufsverbände und Privatpersonen mehr als 60 Klagen ein. Das Dekret verstoße gegen die Verfassung, monieren die Kläger und eine Mehrheit der Juristen gibt ihnen recht. "Die Grenzen der Verfassung werden überschritten", sagt der Verfassungsrechtler Felix Lonigro. Bei der Hälfte der 366 Artikel sei unklar, welche außergewöhnlichen Umstände eine Regelung per Dekret notwendig machten. Erste Urteile setzten Teile des Dekret vorerst außer Kraft, wie zum Beispiel arbeitsrechtliche Bestimmungen zu Probezeit, Entlassungen und Entschädigungen.

Die Regierung übt Druck auf die Parlamentarier aus, angesichts der wirtschaftlichen Lage den Reformen zuzustimmen. "Wenn jetzt nicht alle vorgeschlagenen Maßnahmen gebilligt werden, wird die Anpassung noch härter ausfallen", drohte Wirtschaftsminister Luis Caputo am Mittwoch. Die Inflation lag 2023 bei 211 Prozent, mehr als 40 Prozent der Bevölkerung leben in Armut.

Gleich nach seinem Amtsantritt hatte Milei den argentinischen Peso gegenüber dem Dollar deutlich abgewertet. Doch die Währung hat sich immer noch nicht stabilisiert. Die Kluft zwischen dem offiziellen Wechselkurs (870 Peso pro Dollar) und dem Wechselkurs im Alltag (1245 Peso pro Dollar) ist wieder gewachsen, was viele eine erneute Abwertung befürchten lässt. (afp/the)  © AFP

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