Im vergangenen Jahr hat es immer wieder Razzien in Häusern, Wohnungen und Betrieben mutmaßlicher Islamisten gegeben. Gerade in den vergangenen vier bis fünf Monaten scheint es jedoch besonders viele Durchsuchungen gegeben zu haben - ein Hinweis auf eine größere terroristische Bedrohung?

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Sichergestellte Laptops, Handys und Papiere in mehreren Wohnungen, Betrieben und Flüchtlingsheimen sowie drei Festnahmen: Das ist die vorläufige Bilanz eines großen Polizeieinsatzes gegen mutmaßliche Islamisten in drei Bundesländern am Donnerstagmorgen.

Die beiden Festgenommenen sollen Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sein und ein Attentat in Deutschland, genauer gesagt in Berlin, geplant haben.

Polizeieinsätze dieser Art hat es in den letzten Monaten einige gegeben. Im September und Oktober des vergangenen Jahres wurden in Berlin zwei Moscheen und mehrere Wohnungen durchsucht, in einem Fall waren rund 400 Polizisten im Einsatz.

Dazu kam eine Razzia in Leipzig im Oktober und eine in Düsseldorf im Dezember. Nicht in allen Fällen gab es Festnahmen und in keinem der Fälle stand - anders als im aktuellen Fall - im Raum, dass die Verdächtigen einen Anschlag in Deutschland geplant haben.

Tipps von ausländischen Geheimdiensten

Gemeinsam ist den Razzien aber, dass ihnen eine wochenlange Ermittlungsarbeit vorausging. Im aktuellen Fall kam der erste Hinweis auf den 35 Jahre alten Hauptverdächtigen vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), bei den weiteren Ermittlungen seien dann Kontakte des Mannes zu Islamisten in Berlin und Hannover festgestellt worden.

Oft kommen die Hinweise aber auch von anderer Stelle - nämlich von ausländischen Nachrichtendiensten, wie der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, in einem Interview mit der "Welt" Ende vergangenen Jahres sagte. Diesen Informationen werde nachgegangen, "was mitunter sehr schwierig ist, weil viele Hinweise nur vage sind".

Sind die Hinweise auf eine Straftat konkret genug, schlägt die Polizei oft in einer konzertierten Aktion in mehreren Städten zu. Bei den Razzien werden meist Laptops oder andere Computer und Speichermedien sichergestellt sowie Handys, jede Menge Aufzeichnungen, mitunter auch Waffen oder Überweisungsformulare.

Diese Beweisstücke werden dann ausgewertet um herauszufinden, "ob sich die Vorwürfe erhärten oder entkräften lassen", sagt Berlins Polizeisprecher Stefan Redlich.

Zahl der islamistischen Gefährder steigt

Was mit den Festgenommenen in der Zwischenzeit passiert, unterscheidet sich von Fall zu Fall. Wenn dringender Tatverdacht besteht, kann ein Haftbefehl erlassen werden - so geschehen etwa im Fall von Ismet D. und Emin F., die bei einer Razzia im Januar 2015 in Berlin festgenommen wurden, in Untersuchungshaft kamen und derzeit vor Gericht stehen, weil sie die terroristische Organisation Dschunud asch-Scham unterstützt haben sollen.

Gegen die am Morgen Festgenommenen lagen bereits Haftbefehle vor - wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und wegen Urkundenfälschung.

Ob die Zahl der Razzien gegen mutmaßliche Islamisten nur gefühlt oder tatsächlich zugenommen hat, ist schwer zu belegen. Bundespolizei und Bundeskriminalamt konnten auf Anfrage keine Zahlen dazu nennen.

Von offizieller Seite heißt es auch nach dem jüngsten Einsatz, die Bedrohungslage durch militante Islamisten "bleibe hoch", von einer Verschärfung der Situation ist nicht die Rede.

Zwei Zahlen der Sicherheitsbehörden legen aber zumindest nahe, dass sich ihre eigene Aufmerksamkeit geschärft hat: Im Januar 2016 stuften sie 446 Personen aus der Islamisten-Szene als sogenannte Gefährder ein. Ein Jahr davor waren es 230.

Zudem hat sich die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche islamistische Terroristen im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht.

Im vergangenen Jahr habe die Bundesanwaltschaft in 136 Verfahren gegen 199 Beschuldigte ermittelt, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank Mitte Januar. 2014 waren es 42 Ermittlungsverfahren mit 80 Beschuldigten gewesen.

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