Polen zählte eigentlich zu den engsten Verbündeten der Ukraine. Doch nun verschärft sich der Ton zwischen den Regierungen. In Polen dürfte das auch innenpolitische Gründe haben: Die regierende PiS-Patei steht im Wahlkampf unter Druck.

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Auf die militärische Unterstützung Polens konnte sich die Ukraine im Verteidigungskrieg gegen Russland eigentlich immer verlassen. Doch nun wird der Ton zwischen den Regierungen in Warschau und Kiew rauer. Erst haben die Regierungen über den Getreidehandel gestritten. Jetzt zweifelt Polen auch weitere Waffenlieferungen an den engen Verbündeten an: Die Regierung in Warschau will ihre Lieferungen an die Ukraine auf bereits abgeschlossene Verträge beschränken.

"Im Zusammenhang mit Fragen zu Waffenlieferungen möchte ich Ihnen mitteilen, dass Polen nur zuvor vereinbarte Lieferungen von Munition und Rüstungsgütern ausführt. Einschließlich derjenigen, die sich aus unterzeichneten Verträgen mit der Ukraine ergeben", sagte Regierungssprecher Piotr Müller.

Dazu gehöre auch der größte Auslandsvertrag, den die polnische Rüstungsindustrie nach 1989 abgeschlossen habe - die Lieferung der Kanonenhaubitze Krab, hieß es weiter. Müller kritisierte, von der ukrainischen Seite habe es zuletzt eine Serie von "absolut inakzeptablen Äußerungen und diplomatischen Gesten gegeben".

PiS-Partei drohen Verluste bei Parlamentswahlen

Was ist der Grund für diese harten Worte zwischen engen Partnern? "Das ist alles Wahlkampf", sagte der polnische Journalist und Dozent Marcin Antosiewicz im Interview mit dem Deutschlandfunk.

Am 15. Oktober wird in Polen ein neues Parlament gewählt - und die regierende rechtskonservative Partei PiS liegt in Umfragen weit unter ihrem Ergebnis der letzten Wahl. Antosiewicz vermutet, dass die PiS verhindern will, dass zu viele Wählerinnen und Wähler zur rechtsextremen und russlandfreundlichen Partei Konfederacja überlaufen.

Morawiecki mit unklarer Aussage

Zuvor hatte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki mit einer Äußerung über Waffenlieferungen an Kiew für Spekulationen gesorgt. In einem am Mittwochabend geführten Interview des Fernsehsenders Polsat News entgegnete er auf die Frage des Moderators, ob Polen trotz des Getreide-Streits die Ukraine weiter bei Waffenlieferungen und humanitärer Hilfe unterstützen werde: "Wir liefern schon keine Rüstungsgüter mehr an die Ukraine, sondern rüsten uns selbst mit den modernsten Waffen aus."

Morawiecki führte weiter aus, Polen haben seine Bestellungen für Rüstungsgüter enorm erweitert. Die eigenen Streitkräfte sollten so modernisiert werden, dass Polen über eine der stärksten Landarmeen Europas verfügen werde, sagte Morawiecki.

Während seine erste Aussage zu den Rüstungsgütern klar formuliert schien, deutete der Kontext des Interviews darauf hin, dass Morawiecki eher keinen vollständigen Stopp der polnischen Waffenlieferungen an Kiew gemeint haben dürfte - vielmehr schien er darauf abzuheben, dass Polen nicht nur Waffen an das Nachbarland liefere, sondern parallel dazu auch die eigene Armee aufrüste.

Dennoch war seine Äußerung in mehreren polnischen und internationalen Nachrichtenportalen so interpretiert worden, dass Polen keine Waffen mehr an Kiew liefern wolle. Das EU- und Nato-Land Polen ist einer der wichtigsten politischen und militärischen Unterstützer der Ukraine.

Polen hatte wie die Slowakei und Ungarn an Importbeschränkungen für ukrainisches Getreide festgehalten, nachdem die EU-Kommission am Freitag entsprechende Beschränkungen aufgehoben habe. Dies hatte Kiew erbost.

Warschau bestellt Botschafter ein

Das polnisch-ukrainische Verhältnis ist schon länger angespannt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach in der UN-Generaldebatte am Dienstag von Freunden in Europa, die "ein politisches Theater der Solidarität aufführen und einen Thriller aus dem Getreide machen". Diese Länder würden nur scheinbar in ihren eigenen Rollen auftreten, aber die Bühne für den Schauspieler aus Moskau vorbereiten. Das Außenministerium in Warschau bestellte daraufhin den ukrainischen Botschafter ein.

Polens Staatsoberhaupt Andrzej Duda wiederum sagte, die Ukraine sei wie ein Ertrinkender, der seinen Retter packen und in die Tiefe ziehen könnte. Regierungschef Morawiecki drohte damit, noch weitere ukrainische Agrarprodukte mit Importverboten zu belegen.

Duda ruft zur Mäßigung auf

Nun spielt Polen die Karte mit der Militärhilfe. Nach Berichten des polnischen Portals Onet.pl soll das Nato-Mitgliedsland allerdings auch derzeit keine Waffensysteme mehr haben, die es ohne Gefahr für die eigene Verteidigungsfähigkeit an die Ukraine abgeben könne. Regierungssprecher Müller betonte, Polen habe dem Nachbarland gleich nach Beginn des russischen Angriffskrieges Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Flugzeuge und Munition zur Verfügung gestellt. "Als andere Länder noch über die Unterstützung diskutierten, hat Polen konsequent geholfen, den russischen Angriff abzuwehren", so Müller.

Polens Präsident Andrzej Duda rief beide Seiten zur Mäßigung auf. "Es gibt einen Aspekt, der vielleicht umstritten ist. Es gab Äußerungen, die man vielleicht anders hätte formulieren können. Wir müssen die Situation beruhigen zum Wohle unserer beider Länder, Völker und Interessen", sagte Duda dem Sender Polsat News. Man müsse die Emotionen herunterkühlen und einen konstruktiven Zugang finden, der es ermögliche, den Streit hinter sich zu lassen. (dpa/fab)

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