Donald Trump gibt nicht viel auf die diplomatische Etikette, der türkische Präsident Erdogan wirft Europa eine faschistische und islamfeindliche Haltung vor. Österreich arbeitet dennoch weiterhin an guten Beziehungen zu diesen Ländern, obwohl viele für eine härtere Gangart plädieren und einen "Kuschelkurs" kritisieren. Trump und Erdogan mal so richtig die Leviten lesen? Ganz so einfach ist es nicht.
Herr Brand, immer wieder fordern Oppositionsparteien eine härtere Gangart von den Regierungsparteien. Doch ist es wirklich immer so einfach? Kann man beispielsweise einfach der USA vors Schienbein treten, weil man sich eben im Recht sieht – sei es auch nur moralisch?
Prof. Ulrich Brand: Ich denke, dass wir hier unterscheiden müssen zwischen Innenpolitik und Politik auf internationaler Ebene. Im nationalen Rahmen lebt Politik von Differenzierung und Alternativen, von Aufregung und dem berühmten "Sager" - also der knackigen Formulierung. Im internationalen Rahmen ist es eher das Gegenteil, der Umgang ist freundlich und kompromissorientiert. Wenn man was erreichen will, ist in den meisten Bereichen Kooperation notwendig.
Dies gilt auch für Erdogan und
Das macht den neuen US-Präsidenten Trump ja so schwierig. Er hält sich nicht an Konventionen, erklärt die NATO für veraltet und meint, Europa solle aufrüsten. Das ist kein guter Stil. Aber die österreichische Regierung weiß, dass sie einerseits ein schwacher Partner ist, andererseits natürlich im Rahmen der EU handeln muss. Und deshalb steht gegenüber der Türkei, nicht zuletzt wegen des Flüchtlingsdeals, ein sanfter Umgang an.
Also hat die Diplomatie eine klare politische Regierungssprache untergraben?
Diplomatie ist Ausgleich und nur selten - wie jetzt im Bürgerkrieg in Syrien - geraten Regierungen aneinander. Schon beim Rückbau der Klimapolitik durch Trump bleibt es bei einer kurzen Reaktion von anderen Regierungen. Das ist nur eine pseudoklare Sprache für die Abendnachrichten. Denn in Europa tut sich ja auch zu wenig. Deutschland, als Beispiel, bleibt Weltmeister im Verbrennen von Braunkohle. Und wir sollten nicht vergessen, dass vieles vorher auf der Arbeitsebene abgestimmt wird. Wenn sich die Regierungschefs bei einem G 7- oder G 20-Gipfel oder zur Klimakonferenz treffen, ist das meiste ja ausgehandelt.
Warum sind die Forderungen der Opposition nach einem entschiedenen Auftreten gegen Erdogan und Co. oftmals irritierend und schwer umsetzbar?
Die Opposition eines Landes wird in Fragen internationaler Politik meist nur im eigenen Land vernommen. Das ist wichtig genug. Dazu kommt: Regierungspolitik vertritt ja insgesamt nicht nur "nationale Interessen", sondern macht auch Politik für die globalen Eliten. Deren Interessen sind jene an Freihandel, wenig regulierten Finanzmärkten, Orientierung an Wettbewerbsfähigkeit und nicht zu starken Gewerkschaften. Die Forderung nach "klarer Sprache" im Hinblick auf die Probleme kommt ja meist eher aus der Zivilgesellschaft, von unabhängigen Medien oder dem Boulevard.
Wie lässt sich schlussendlich der realpolitische Umgang mit Politikern wie Erdogan und Putin seitens der österreichischen Regierung am besten charakterisieren?
Gegenüber der Türkei hat die Regierung mit der Forderung nach dem Abbruch der Beitrittsverhandlungen unklug und isoliert agiert. Bei Russland hat sich die EU für eine härtere Gangart und Sanktionen entschieden, was ja zuvorderst mit der russischen Politik in der Ukraine zusammenhing. Dazu kommt: Bei der österreichischen Außenpolitik unter Minister Kurz muss deutlich zwischen klaren Strategien und PR-Maßnahmen unterschieden werden.
Politiker wie Trump, Erdogan, Orban und Duterte treten oft aggressiv auf und scheinen das Verlangen ihrer Wähler nach einer starken Führung abzudecken. Handelt es hier hierbei um eine Modeerscheinung oder ein Zukunftsmodell? Auch für die österreichische Politik?
Aus meiner Sicht ist der aggressive Ton vor allem für die eigene Bevölkerung da. Erdogan ist aktuell wohl das beste Beispiel. Er wollte das Verfassungsreferendum gewinnen und die Opposition ausschalten. Die spannende Frage bleibt, wie auf internationaler Ebene die Wogen geglättet werden. Dennoch sollte man das nicht unterschätzen - Rechtsruck und Wunsch nach starken Persönlichkeiten sind ja gesellschaftlich verankert. Die etablierten politischen Kräfte und Wirtschaftseliten haben die Spaltung der Gesellschaft so weit vorangetrieben, dass ihnen immer weniger zugetraut wird. Die starken Männer versprechen nun eine Lösung – und bauen damit Freund-Feind-Schemata auf. Das ist wahnsinnig gefährlich. Trumps Rassismus ist ja nicht nur Geplänkel, sondern er verändert die Gesellschaft, wertet Menschen ab und macht deren Leben schwieriger. Von der Todesstrafe bei Duterte und seinem sozialrassistischen Krieg gegen die Armen auf den Philippinen ganz zu schweigen.
Müssen Moral und der Anstand wieder in die Politik zurückkehren?
An sich stimme ich zu. Politik muss sich auch an Werten und an der Frage des Guten und des Schlechten messen lassen. Das Problem dabei ist, dass in Europa bestimmte Werte wie Grund- und Menschenrechte gerade erodieren, von einigen Seiten wird das Bild vermittelt, dass Menschenleben von Flüchtlingen weniger wert sind. Es gibt kein einheitliches Verständnis von Moral, sondern es muss darum gesellschaftlich gerungen werden, was als gut und was als schlecht erachtet wird. Das muss aus der Gesellschaft, von sozialen Bewegungen und kritischen Medien kommen.
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