Donald Trumps Wahl zum 45. Präsidenten der USA hat viele Menschen rund um den Globus verunsichert. Zu Recht? USA-Kenner Christian Hacke erklärt, warum Trump seinen Job besser machen könnte als erwartet und das Zeug zu einem passablen Präsidenten hat.
Herr Hacke,
Christian Hacke: Man muss zwischen dem unterscheiden, was im Wahlkampf hochkocht, und dem, was danach umgesetzt wird. Jetzt fängt ein neuer Abschnitt an. Jeder Wahlsieger präsentiert sich dann als Präsident aller Amerikaner. Das tut Trump auch. Damit haben wir nicht unbedingt gerechnet, aber es ist gut zu sehen, dass er hier die alte Tradition aufgreift.
Es wurden ja schon erste Kernforderungen von Trumps Webseite gelöscht, wie etwa das Einwanderungsverbot für Muslime. Wie viel hat der künftige Präsident Trump noch mit dem Wahlkämpfer Trump zu tun?
Er wird seine Extremforderungen Schritt für Schritt zurücknehmen, weil er eine breite Schichten der Amerikaner für sich gewinnen will. Ich denke, es wird sich vieles schneller beruhigen als geglaubt. Und ich hoffe es auch.
War der "Kotzbrocken" - Sie selbst haben diesen Begriff einmal verwendet - vielleicht nur eine Inszenierung, um Wählerstimmen abzugreifen?
Ich denke ja. Die Wahl war genau kalkuliert aus seiner Sicht. Jetzt kalkuliert Trump eben, dass er seine staatsmännische Seite präsentieren muss.
Sie trauen Trump gerade außenpolitisch eine bessere Rolle zu als in der Innenpolitik, wo seine Forderungen wie etwa die Abschiebung von Millionen Menschen teilweise für Entsetzen gesorgt haben. Warum?
Da habe ich tatsächlich Hoffnung, zum Beispiel in den Schlüsselbeziehungen zu Russland. Eine Präsidentin Clinton hätte weiter den Konfrontationskurs verschärft, sie hätte die Lage in der Ukraine und in Syrien weiter verkompliziert.
Und Trump?
Er will mit
Es könnten aber auch "Falken" wie Newt Gingrich in Trumps Kabinett berufen werden. Wäre auch mit so einem Hardliner mit Entspannung gegenüber Russland zu rechnen?
Das ist eine ganz wichtige Frage. Gibt es eine Außenpolitik aus einem Guss? Oder macht jeder was er will, wie es zum Teil unter Obama der Fall war? Obama hat nicht klar geführt. Wie es bei Trump sein wird, das können wir jetzt noch nicht beantworten.
Ist der Milliardär jemand, der sich von anderen etwas was sagen lässt?
Ich setze auf Lernfähigkeit bei ihm und hoffe, dass er sich mit Beratern umgibt, die etwas von den Dingen verstehen, die Erfahrung haben, die Washington kennen. Man darf nicht vergessen: Er ist ein Familienmensch. Die Frauen sind nicht nur hübsch, sie haben auch was drauf - wie seine älteste Tochter Ivanka. Da wird er gut beraten, denn die Trumps sind nicht zufällig so reich geworden - und so reich geblieben. Natürlich durch Rücksichtslosigkeit, aber auch durch Geschäftssinn.
Können Sie etwas Gutes daran finden, wenn sich die USA aus ihrer Rolle als Weltpolizist nun ein Stück weit verabschieden?
Das sind Chancen und Risiken. Es wird dann schwierig, wenn Trump wie Obama Machthohlräume zulässt, in die dann autoritäre Machtpolitiker wie Putin eintreten würden. Aber ich glaube, das wird er nicht zulassen. Auf der anderen Seite wird er kooperativere Beziehungen zu den autoritären Mächten suchen, um Schlüsselprobleme wie den Kampf gegen den Terror oder den Syrienkrieg zu lösen.
Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie noch?
Das Entscheidende ist: Die Weltpolitik wird bei Trump viel mehr als unter seinen Vorgängern unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten und Interessen der USA geführt werden. Das muss für uns nicht gemütlich werden, wenn er für sein Land so rücksichtslos agiert wie er es als Unternehmer für sich selbst getan hat.
Ist Trump tatsächlich in der Lage, Jobs für seine Kernwählerschaft, die abgehängte weiße Mittelschicht, zu schaffen?
Auf jeden Fall wird er die Psychologie dieser Wählergruppen optimistischer stimmen. Die Hauptfrage wird sein, ob es ihm gelingt seine wirtschaftspolitische Denke ins politische zu übertragen. Warten wir mal ab. Trump wird nicht der Messias sein für seine Leute, die Zukurzgekommenen. Genauso wenig wie Obama heute noch als Messias angesehen wird, trotz seiner großen Versprechen vom "Change". Auch unter Trump werden die Blütenträume verwelken, nicht alles lässt sich verwirklichen.
Einige Beobachter erwarten nun eine Politisierung der Zivilgesellschaft, mehr Engagement. Könnte das auch eine positive Auswirkung der Wahl sein?
Genau. Die Wahlbeteiligung war ja schon verhältnismäßig hoch, das hat auch mich überrascht. Es gibt eine Politisierung. Amerika setzt sich miteinander auseinander, auch wenn es hart ist. Davon können wir lernen. Aus diesem Konflikt kann etwas Neues entstehen und darauf hoffe ich.
Ihr Fazit: Könnte Donald Trump doch ein passabler Präsident werden?
Na ja, seine Persönlichkeitsstruktur ist mir schon ein wenig unheimlich.
Wie meinen Sie das?
Stellen Sie sich mal die Kubakrise 1962 [damals kamen fast Atomwaffen zum Einsatz, Anm. d. Red.] unter einem Präsidenten Trump vor. Da entscheiden Persönlichkeiten im Ernstfall über das Wohl der Menschheit. Knallen sie durch? Oder behalten sie die Übersicht? Aber man muss Trump eine gewisse Lernfähigkeit zugestehen. Ich kann viele verstehen, die noch ein ungutes Gefühl im Magen haben. Hoffen wir alle darauf, dass er sich vernünftig entwickelt.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.