Der Terrorangriff der Hamas auf Israel dominierte die Dienstagsausgabe von Sandra Maischberger in der ARD. Besonders nahe gingen die Schilderungen eines Überlebenden. Am Ende der Sendung rechnete US-Senator Bernie Sanders mit dem Kapitalismus ab – und Ex-Präsident Donald Trump.
Das war das Thema
Der Terrorangriff der Hamas auf Israel hat die Sorgen vor einem Flächenbrand im Nahen Osten erhöht. Israel steht kurz davor, seine Bodenoffensive im Gazastreifen zu beginnen, die mit dem Tod vieler unschuldiger Zivilisten verbunden sein wird. Aber ist es überhaupt möglich, die Hamas militärisch zu besiegen? Die Experten bei Maischberger gaben Antworten.
In einem großen Interview am Ende der Sendung sprach der unabhängige US-Senator und ehemalige Präsidentschaftskandidat
Das waren die Gäste
- Carlo Masala: Der Militärexperte erklärte, dass es Israel um die "Zerstörung der Hamas als politischer Akteur in Gaza" geht und darum, der Terrororganisation die Fähigkeiten zu nehmen, Israel in diesem Ausmaß und darunter nochmal anzugreifen. Dass es am Ende keine Hamas und keine Hamas-Angehörigen mehr gibt, hält er für unrealistisch. Er vergleicht das mit der Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staats, der heute keine große Rolle mehr spielt, aber immer noch Mitglieder hat. Der Einmarsch israelischer Soldaten in den Gazastreifen, um dieses Ziel zu erreichen, ist für Masala alternativlos. Er werde furchtbare Bilder geben. "Da kann man nur hoffen, dass die Unterstützung Israels an diesen furchtbaren Bildern nicht scheitern wird."
- Gil Yaron: Der deutsch-israelische Arzt, Autor und Nahostexperte erklärte, dass es Israel beim Einmarsch nach Gaza nicht um Vergeltung oder Rache gehe. "Es geht um etwas ganz anderes: die strategische Abschreckung Israels wieder herzustellen". Dass also die Kosten für einen Angriff auf Israel so hoch sind, dass es niemand mehr wagen wird. Zur Situation für Juden in Deutschland und zuletzt gemeldeten Übergriffen und Anfeindungen sagte Yaron: "Wenn sich in diesem Land Juden nicht mehr sicher fühlen, dann sagt das was über die Demokratie in Deutschland aus."
Marcel Reif : Der Sportjournalist und Moderator hat eine Cousine in Israel. "Wir haben jeden Tag eine Beerdigung", sagte Reif. Der Überfall der Hamas sei das 9/11 für Israel. Reif wollte ihn nicht mit dem Holocaust vergleichen, aber er sei "mehr als ein zeithistorisches Ereignis". Dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seinem Israel-Besuch die Merkel-Worte von der Sicherheit Israels als deutscher Staatsräson wiederholt hat, ist für Reif nur dann etwas wert, wenn Deutschland "die Hausaufgaben" macht. Also auf deutschen Straßen die Sicherheit von Jüdinnen und Juden garantiert und pro-palästinensische Kundgebungen verbietet. ARD-Journalistin Iris Sayram gab zu bedenken, dass das Verbot von Demonstrationen nur die Ultima Ratio sein dürfe. Besser: Demos durch strenge Auflagen einhegen. Reif rechnete derweil mit der Entlassung des Fußballers Noussair Mazraoui vom FC Bayern München, der sich israelfeindlich geäußert hatte. "Das werden die Bayern auch nicht aushalten. Das ist relativ alternativlos."- Iris Sayram: Die Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio haderte mit dem Begriff "deutsche Staatsräson" für Israel. "Was steckt denn da konkret drin?" Sie sei sich da nicht sicher, bis zu welcher Konsequenz Deutschland Israel unterstützen müsse. Ob eine Bodenoffensive in Gaza strategisch-militärisch sinnvoll wäre, wollte sie ebenfalls nicht endgültig bewerten. Sicher war für sie nur eines: "Das wird blutig."
- Markus Feldenkirchen: Der Spiegel-Autor lobte Kanzler
Scholz für seinen schnellen Israel-Besuch. "Wir waren anders als im Ukraine-Krieg, mit der richtigen Symbolik zur richtigen Stelle." In letzter Konsequenz bedeutet das Wort von der deutschen Staatsräson für Feldenkirchen, dass Israel auch mit deutschen Soldaten verteidigt werden müsse. Aber er glaubt nicht, dass die Israelis aktuell danach fragen werden. Auch zu den USA äußerte sich der Spiegel-Journalist. Die Möglichkeit, dass Donald Trump die Wahl 2024 gewinnt, "ist sehr, sehr groß". Die Unterstützung für die Ukraine würde die USA dann perspektivisch einstellen. "Sollte die wegfallen, dann ist quasi die Ukraine das erste Opfer von Donald Trump." - Bernie Sanders: Der US-Senator stand
Sandra Maischberger am Ende der Sendung gewohnt launisch und meinungsstark Rede und Antwort. Neben der Promotion seines neuen Buches ("Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein") ging es dem 82-Jährigen um eine Abrechnung mit der sozialen Ungleichheit, dem Lobbyismus und Ex-Präsident Donald Trump. Sanders forderte die teilweise Enteignung von Milliardären. Erreichen könnte man das mit einem Steuersatz von 99 Prozent, sobald das Vermögen der Superreichen eine Milliarde Dollar erreicht hat. Obwohl auchJoe Biden sehr von den Parteispenden Superreicher profitiert - in den USA ein riesiges Problem -, stellte Sanders ihm wegen seines Einsatzes für die Arbeiterklasse ein gutes Zeugnis aus. "Biden macht als Präsident alles in allem einen guten Job". Ganz anders als der Ex-Präsident. "Trump ist sehr, sehr gefährlich", so Sanders. Er bedrohe die Demokratie in Amerika und habe das System durch seine Lüge von der gestohlenen Wahl, der Millionen glaubten, untergraben. "Er muss geschlagen werden." Dabei will er Biden (81), den Sanders (82) nicht für zu alt für eine weitere Amtszeit hält, aktiv unterstützen.
Das war der Moment des Abends
Ralph Lewinsohn überlebte wie seine erwachsenen Kinder das Massaker in Israel im Kibbuz Kfar Azza, nur zwei Kilometer von Gaza entfernt. Er hörte Geschützfeuer und Explosionen, sah nach seiner Befreiung Leichen, überall waren Sprengstoff und Waffen. "Das sah aus wie Hiroshima", sagte Lewinsohn, während Marcel Reif sich die Hände vors Gesicht hielt.
Es habe viele Tote gegeben, die Terroristen machten keine Unterschiede. "Kinder, junge Leute, alte Leute egal". Etwa 20 Leute aus dem Kibbuz werden immer noch vermisst. Unklar ist, wie viele von ihnen tot sind oder nach Gaza entführt wurden.
"Meine Enkelkinder sind sehr schwer traumatisiert", berichtete Lewinsohn. Ob er wieder in den Kibbuz zurückkehren wird, weiß er nicht. "Das ist, wie in einem Friedhof zu leben."
Das war das Rededuell des Abends
Wurde Antisemitismus auch im Zuge der Masseneinwanderung vieler Muslime seit 2015 nach Deutschland importiert? Sind die vielen israelfeindlichen Demonstrationen nach dem Terrorangriff auf Israel auch eine Folge der Merkelschen Einwanderungspolitik?
"In der Menge war es ein Fehler", sagte Marcel Reif. "In dem Nicht-genau-hingucken war es ein Fehler."
Markus Feldenkirchen widersprach deutlich: "Ich habe die Befürchtung, dass diese wahnsinnig vulnerable und prekäre Zeit von vielen jetzt genutzt wird für das, was sie eh immer schon dachten: Migration ist falsch." Feldenkirchen empfahl: "Einfach mal runterfahren, durchatmen!"
So hat sich Sandra Maischberger geschlagen
Viel konnte man der Gastgeberin nicht vorwerfen beim Dienstagstalk. Unklar blieb nur, warum das Schicksal der Geiseln in den Händen der Hamas, darunter auch einige deutsche Staatsbürger, überhaupt keine Rolle spielte. Für die Verwandten der Betroffenen ist das sicherlich schwer nachvollziehbar.
Das ist das Fazit
Wie geht es weiter in Israel und der Region? Carlo Masala hält einen Flächenbrand im Nahen Osten derzeit für nicht wahrscheinlich, aber "wir können es nicht ausschließen". Die beiden durch die USA entsandten Flugzeugträger wirkten zumindest als Abschreckung. Dennoch könnte die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz aus dem Libanon in den Norden Israels einfallen, wenn die israelische Armee durch die Gaza-Invasion strategisch geschwächt sei. Gil Yaron hält es daher für möglich, dass Israel im Norden proaktiv tätig wird und gegen die Hisbollah vorgeht, um die Grenze wieder zu sichern.
Bernie Sanders geht stark davon aus, dass alles zunächst noch schlimmer werden wird. Mit mehr Toten auf beiden Seiten. Die Aussicht auf Frieden und die Entwicklung von Gaza hätten einen "herben Rückschlag erlitten". Sanders appellierte an Israel, das Schicksal der Zivilisten in Gaza nicht zu vergessen. "Sind wir im Krieg gegen fünfjährige Kinder? Ich hoffe nicht."
Carlo Masala wies schließlich darauf hin, dass die Ereignisse im Nahen Osten Russlands Machthaber Putin in die Hände spielten. Weil die Aufmerksamkeit von der Ukraine weggelenkt werde.
So habe er noch mehr freie Hand als bisher schon. Das lasse beim Kampf um die Befreiung des eigenen Staatsgebietes nichts Gutes für Kiew erahnen. Es war eine Talkrunde, die von schonungslosen Analysen und wenig Hoffnung auf Entspannung in den großen Krisenherden geprägt war.
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