Der gescheiterte Migrationsgipfel in Berlin wirft viele Fragen auf. Bei "Markus Lanz" vermutete Bundesbauministerin Klara Geywitz, dass Friedrich Merz bewusst den Gesprächstisch verlassen habe, um schon jetzt Wahlkampf gegen Bundeskanzler Olaf Scholz zu machen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Im Bundestag kritisierte Olaf Scholz jüngst Oppositionsführer Friedrich Merz für seine "billigen Taschenspielertricks". Nach dem geplatzten Asylgipfel kritisierte auch SPD-Politikerin Klara Geywitz den Oppositionsführer scharf und unterstellte ihm, dass er insgeheim auf den Job als Bundeskanzler hinarbeite.

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Das war das Thema bei "Markus Lanz"

Nach dem gescheiterten Asylgipfel machte die Ampelregierung deutlich, dass sie nun auch ohne die Union die vorgestellten Migrationspläne verfolgen wolle.

Zuvor hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser während der Gespräche mit der Opposition ein Modell vorgeschlagen, in dem Asylbewerber mithilfe von Schnellprüfungen künftig an der Grenze in die für sie zuständigen europäischen Staaten zurückgebracht werden sollen. Diese Pläne empfand die Union jedoch als unzureichend.

Markus Lanz debattierte am Donnerstagabend, inwieweit hinter dem geplatzten Gipfel ein Machtkampf zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz stecken könnte.

Generaldebatte im Bundestag

Scholz und Merz streiten um Migrationspolitik

Mit geballter Faust, aber auch einer ausgestreckten Hand reagiert Scholz im Bundestag auf den Abbruch der Migrationsgespräche durch die Union. Ein weiteres Treffen wird es aber zunächst nicht geben.

Das sind die Gäste

  • Klara Geywitz, Bundesbauministerin: "Es ist einigermaßen logisch, den Kanzler auch zum Kanzlerkandidaten zu machen."
  • Michael Bröcker, Journalist: "In Deutschland zerbröselt gerade die politische Mitte, weil sie zu viele Probleme schönredet."
  • Dirk Neubauer, Politiker (parteilos): "Es ist selten, dass jemand in der Politik zugibt, dass er gescheitert ist. Ich sage das ganz offen."
  • Bojan Pancevski, Journalist: "'Nord Stream' ist russische Infrastruktur gewesen, das war für die Ukraine ein legitimes Ziel."

Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" machte Journalist Michael Bröcker deutlich, dass "der Abbruch der Migrationsgespräche (...) ein echtes Desaster für die politische Mitte" gewesen sei. "Warum?", hakte Markus Lanz nach. Bröcker antwortete ehrlich: "Das zentrale Thema der Mehrheitsgesellschaft in diesem Land ist die Migration. (...) Und wenn die politische Mitte es nicht schafft, diesen Wunsch, diese Sehnsucht aufzunehmen, dann wird sich die Mehrheitsgesellschaft andere politische Mehrheiten suchen." Der geplatzte Asylgipfel stärke laut Bröcker vor allem die Links- und Rechtsextremen "und deswegen bin ich sehr enttäuscht über das, was da gerade passiert ist".

Als Hauptverantwortliche für das Desaster sah der Journalist Bundeskanzler Olaf Scholz und Oppositionsführer Friedrich Merz. "Wenn diese beiden entscheidenden Persönlichkeiten (...) einmal ihr Ego beiseitelegen würden und die Rationalität durchkommen lassen würden, hätten die sich unter vier Augen zusammengesetzt und so lange überlegt, wie es geht, damit dieses Thema auf gar keinen Fall nächstes Jahr noch ein größeres wird", konstatierte Bröcker. "Geht's da wirklich um gekränkte Eitelkeiten?", wollte Lanz wissen.

Michael Bröcker richtete sich daraufhin an SPD-Politikerin Klara Geywitz und sagte: "In der Politik geht's (...) viel zu oft um das, was gar nicht inhaltlich so relevant ist. Und das ist zum Beispiel Gesichtswahrung, Eitelkeiten, (...) richtig? Seien Sie ehrlich!" Gewyitz lächelte vielsagend, woraufhin Bröcker feststellte: "Sie nickte eigentlich." Die Bundesbauministerin wiegelte jedoch ab: "Ehrlich gesagt will ich jetzt kein Psychogramm von den besprochenen Personen nachzeichnen, aber es ist ja relativ offensichtlich, dass der eine einen Job hat, den der andere gerne haben will. Deswegen wird es natürlich bei der Diskussion auch immer um die Frage gehen: Was macht das nächstes Jahr im Wahlkampf?"

Eine Aussage, die Lanz sichtlich überraschte: "Da geht's um Egos, ja?" Geywitz konterte zurückhaltend: "Nein, es geht nicht um Egos, sondern es ist die Frage: Kümmern wir uns erstmal darum, dieses Migrationsproblem zu lösen, oder machen wir jetzt schon vorgezogenen Bundestagswahlkampf?" Eine Steilvorlage für Michael Bröcker, der in Bezug auf den Kanzler klarstellte: "Der Druck auf Olaf Scholz wächst nicht nur - sein Thron wackelt ernsthaft." Er prognostizierte deshalb, dass Scholz bereits "Ende des Jahres" zurücktreten könnte, wenn die Umfragewerte der SPD weiter sinken: "Irgendwann in den nächsten Monaten wird es ihn geben: den Joe-Biden-Moment in der deutschen Politik."

Das war das Rede-Duell des Abends

Die düstere Prognose von Michael Bröcker wollte Klara Geywitz am Donnerstag nicht unkommentiert lassen und sagte, dass sie es "einigermaßen logisch" finde, dass Scholz im nächsten Jahr erneut als Kanzler kandidiere. "Ich gehe davon aus", entgegnete die SPD-Politikerin. Markus Lanz stichelte daraufhin: "Aber Sie sind sich nicht sicher?" Geywitz konterte trocken: "Jetzt wollen wir keinen Semantikkurs hier anfangen!"

Der ZDF-Moderator ließ jedoch nicht locker und fragte erneut: "Schließen Sie aus, dass an der Spitze der SPD noch einmal gewechselt wird?" Geywitz reagierte vage: "Für mich persönlich kann ich das ausschließen."

"Aber nicht für die Partei?", wollte Lanz wissen. Darauf antwortete die Politikerin erneut: "Ich gehe davon aus, dass Olaf Scholz der Kanzlerkandidat der SPD im nächsten Bundestagswahlkampf ist."

Die Bundesbauministerin stellte sich bei "Markus Lanz" jedoch nicht nur entschieden an die Seite des Kanzlers, sondern sie lobte auch das Migrationsmodell von Innenministerin Nancy Faeser. Dafür erntete sie jedoch von Michael Bröcker heftige Kritik. Er unterstellte Faeser, dass sie zu spät Vorschläge unterbreitet und erst reagiert habe, als der Druck der Länder zu groß wurde. "Das ist doch ein offensichtliches Problem", monierte der Journalist.

Lanz stimmte zu und ergänzte, dass die SPD sich vor Kurzem noch gegen schärfere Grenzkontrollen ausgesprochen habe. "Woher der plötzliche Sinneswandel? Hat das was mit sechs Prozent in Thüringen und Sachsen zu tun?", hakte Lanz nach. Geywitz reagierte genervt: "Die Grenzkontrollen in Brandenburg sind seit Oktober 2023. Also das ist jetzt wirklich sehr weit gehüpft, wenn Sie das irgendwie in Zusammenhang bringen mit der Wahl am 1. September."

Michael Bröcker konterte jedoch unbeeindruckt: "Jetzt kommen Sie, weil etwas passiert, weil der Druck groß ist, weil die Wahlergebnisse so sind, wie sie sind. Und das ist das Problem: Diese Politik ist reaktiv und sie ist nicht vorausschauend und dadurch verliert sie das Vertrauen der Leute!" Ex-Landrat Michael Neubauer fügte aufgebracht hinzu: "Es glaubt doch niemand in dieser Runde, dass eine Sicherung unserer Grenzen tatsächlich langfristig die hier diskutierten Probleme löst." Neubauer warnte, das Problem werde in Zukunft noch größer werden, "weil der Planet wird weder friedlicher, noch wird er klimatisch sich in irgendeiner Weise zum Positiven drehen".

Michael Bröcker blieb dennoch bei seinem Argument und sagte: "Das eine schließt das andere doch nicht aus! Wir haben eine aktuelle Überforderung! Wir wissen nicht, wer kommt. Es kommen teilweise die Falschen und zugleich gehen die Fachkräfte. (...) Und das ist einfach ein Thema, das ein Rechtsstaat nicht verkraften kann!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz versuchte in der Sendung, Klara Geywitz mehrfach aus der Reserve zu locken, indem er sie konkret zum amtierenden Bundeskanzler befragte. "Ist es schlau, auf Olaf Scholz zu setzen?" Geywitz antwortete zunächst mit einem deutlichen "Ja sicher!". Als Lanz sie jedoch darauf aufmerksam machte, dass die SPD bei 14 Prozent stehe, knickte Geywitz ein: "Mit 14 Prozent wird man nicht Kanzler. Deswegen müssen wir, damit Olaf Scholz wieder Kanzler wird, zulegen beim Zuspruch bei den Wählern."

Das war das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" warnte Dirk Neubauer eindringlich vor einem weiteren Erstarken der AfD: "Da geht gerade wirklich etwas nachhaltig kaputt." Lanz wollte deshalb von Klara Geywitz wissen, inwieweit die Ampelparteien nach einem Wahldesaster wie in Thüringen und Sachsen "Fehler in der Analyse" begehen.

Geywitz lenkte jedoch ab und sagte: "Wir haben in Deutschland strukturelle Probleme in vielen Bereichen und das spüren die Bürger. Das spüre ich als Mutter, wenn ich die Digitalisierung unserer Schulen anschaue. (...) Aber auch beim Thema Migration ist es so, dass wir einen Zustand haben, dass die Leute zu Recht denken: Der Staat hat das Ganze nicht unter Kontrolle." Die SPD-Politikerin ergänzte deshalb hoffnungsvoll, dass nun in die Digitalisierung gesetzt und investiert werden müsse, um die Stimmung im Land nachhaltig zu verbessern.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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