Caren Miosga thematisierte am Sonntagabend den Anschlag in Solingen und seine sicherheitspolitischen Konsequenzen. Wie können wir uns in Zukunft besser schützen? Während NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) Handlungsbedarf bei Asylverfahren erkannte, stellte eine Islam-Expertin eine "Schizophrenie in der muslimischen Community" fest.
Drei Tote, acht Schwerverletzte: Schon kurz nach der Eröffnung endete das Stadtfest in Solingen in Entsetzen und Trauer. Der Täter hat sich inzwischen der Polizei gestellt. Der IS reklamiert die Tat als "Akt der Rache" für Muslime in Palästina und anderswo und hat zwei Bekennerschreiben veröffentlicht.
Das ist das Thema bei "Caren Miosga"
Außerdem ging es um die Ausstattung der Polizei, das Leben in Flüchtlingsunterkünften und einer Aufgabe für die muslimische Community.
Das sind die Gäste
Saskia Esken (SPD): "Wir leben in der Gefahr, islamistische Anschläge hier in Deutschland erleben zu müssen", räumte die SPD-Chefin ein. "Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit. Das ist sehr schmerzhaft für unsere Gesellschaft", so Esken weiter. Man sollte die Freiheit nicht zugunsten von Sicherheit aufgeben. Sie plädierte dafür, Anbieter von beispielsweise Telegram und Instagram stärker in die Pflicht zu nehmen, bei Kenntnis von terroristischen Inhalten vorgehen zu müssen.- Sineb El Masrar: Es gäbe eine "Schizophrenie in der muslimischen Community", sage die Autorin. Es werde sehr oft so getan, als ob der Islamismus nichts mit ihrer Religion zu tun habe. Alles, worauf sich Islamisten bezögen, fände sich aber in traditionellen Schriften. "Die Auseinandersetzung mit der Religion würde auch bedeuten, dass man gewisse Auslegungen und Traditionen in Frage stellt", sagte sie weiter. Das sei ein Tabu in vielen muslimischen Familien. "Diesen Knoten haben wir bislang noch nicht aufbekommen", so El Masrar.
- Jochen Kopelke: Der Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) machte die Anonymität in der Gesellschaft und den Nährboden im Netz für den Terror mitverantwortlich: "Warum gelingt es Menschen abzutauchen, sich in einem Zimmer einzuschließen und niemandem fällt auf, was da passiert?", fragte er. Man müsse auch auf die Sozialstrukturen in Flüchtlingsunterkünften blicken. Verfassungsschutz und Polizeibehörden müssten außerdem mit mehr Befugnissen ausgestattet werden, vor allem im Bereich des Datenschutzes.
- Michael Götschenberg: Der Terror-Experte der ARD sagte, der IS habe in der Vergangenheit auch Anschläge für sich reklamiert, bei denen keine klare Verbindung zu erkennen gewesen sei. In einem zweiten Bekennerschreiben mit einem Video werde nun eine vermummte Person als Täter präsentiert. "Es sieht so aus, als habe es diese Verbindung tatsächlich gegeben", so Götschenberg. Der IS genieße die Dramaturgie, ein paar Tage bis zu einem zweiten Bekennerschreiben zu warten.
- Herbert Reul (CDU): "Nachdem, was ich jetzt gehört habe, stelle ich mir viele Fragen", gab der Innenminister aus NRW zu. Er frage sich, ob die Asylverfahren ausreichend, richtig oder übertrieben seien. Man müsse sich fragen: "Ist dieser Mechanismus überhaupt geeignet, um das zu erreichen, was wir wollen – nämlich solche Menschen möglichst schnell abzuschieben", so Reul.
IS reklamiert Anschlag in Solingen für sich - Polizei nimmt Verdächtigen fest
Das ist der Moment des Abends bei "Caren Miosga"
Terror-Experte Michael Götschenberg erklärte, warum der IS sich für Terrorziele eine so vergleichsweise kleine und unspektakuläre Veranstaltung ausgesucht habe. Schließlich hätten gerade erst EM und Olympia stattgefunden. Der IS wolle "das Gefühl vermitteln, dass es jeden und überall treffen könnte", so der Terror-Experte. So gehe die Rechnung für den IS auch in Solingen auf. Dass extra Deutschland als Zielland ausgesucht wurde, weil es an der Seite Israels steht, glaubte Götschenberg nicht. "Die sind dankbar für jeden, wo auch immer", sagte er.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Reul sagte, Deutschland sei "unehrlich in der Debatte über rechtliche Möglichkeiten". Jedes Mal, wenn ein Vorschlag gemacht werden würde, fiele jemand darüber her und es heiße "Das geht so nicht". In Richtung Ampel kritisierte er: "Lieber drei kleine Sachen machen, als jede Woche was ankündigen."
Die Zeit der Digitalisierung sei an der Polizei vorbeigegangen, nun werde beispielsweise über den Einsatz von KI diskutiert. "Ein Teil der politischen Welt blockiert alles, was in diesem Bereich passiert", ärgerte er sich.
Esken reagierte: Auch der Streit zwischen Bund und Ländern sei an einem solchen Abend nicht hilfreich. Es habe auch im Bundesland von Reul Versäumnisse gegeben. Es brauche das "Eingeständnis, dass wir mit der derzeitigen Regelung der Schuldenbremse nicht weiterkommen". Es sei ein Riesenproblem, das offene Stellen bei der Polizei nicht besetzt werden könnten. "Da hilft es nicht, wenn wir mit dem Finger aufeinander zeigen", erinnerte sie.
So hat sich Caren Miosga geschlagen
Dass das Thema erst kurz vor der Sendung spontan gewechselt wurde, merkte man Caren Miosga kaum an. Sie fand einen nüchternen und analytischen Ton, der dem Anlass angemessen war. "Wie konnte es gelingen, dass man Behörden austrickst?" wollte sie ebenso wissen wie: "Merz' Vorschlag: Kein einziger Syrer, kein einziger Afghane darf mehr über die deutsche Grenze kommen. Was ist das für ein aktionistischer Vorschlag?" Eine abschließende Antwort auf die Frage, wie wir uns in Zukunft besser schützen können, fand Miosga mit der Runde jedoch nicht.
Das ist das Ergebnis bei "Caren Miosga"
Eins arbeitete die Runde gleich auf mehreren Ebenen heraus: die Bedeutung von Informationen im Vorfeld einer Tat. Deutschland sei zu sehr auf Informationen aus dem Ausland angewiesen und die deutschen Behörden bräuchten mehr Befugnisse – etwa beim Mitlesen von Online-Nachrichten. Der Polizeivertreter lieferte einen ernüchternden Einblick in die Zerissenheit der Polizei: Neben einem "unfassbaren Ressourcenproblem" würden die einen sagen "Hier lang" und die anderen "Da lang" und man springe zwischen mehr Föderalismus oder Zentralismus, dem Schwerpunkt der Bekämpfung von Rechtsextremismus oder Islamismus. "Und dazwischen machen wir unseren Dienst und schützen Menschen", so Kopelke.
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