Im Studio der ORF-Sendung "Report" war gestern AMS-Chef Johannes Kopf zu Gast, um über die Arbeitsmarktsituation der Flüchtlinge in Österreich zu sprechen. Im Interview mit Susanne Schnabl erklärte er, was für die Integration am Arbeitsmarkt wichtig sei und setzte sich mit 1-Euro-Jobs und Sozialhilfekürzungen auseinander.
Johannes Kopf relativierte zunächst einige Zahlen: Wenn man von 25.000 arbeitslosen Flüchtlingen spricht, beinhaltet das auch Menschen, die vor sieben oder acht Jahren in Österreich Asyl bekommen haben.
Konkret geht es derzeit um 10.000 Menschen, die seit letztem Jahr zu uns gekommen sind. Von diesen Personen haben im Zeitraum Ende Juni 2015 bis Ende Juni 2016 10,1% gearbeitet – das sei "ziemlich genau, was internationale Studien sagen, was erreichbar ist". Einen Monat später, Ende Juli 2016, waren es 11,7% – 155 Personen mehr.
"Wir müssen Geduld haben", meint Kopf. "Nicht im Sinne von Warten, sondern eher im Sinne von: Geduldig an der Integration mit diesen Leute arbeiten."
Kopf geht davon aus, dass von den Menschen, die noch im Asylverfahren sind, ungefähr die Hälfte Asyl oder subsidiären Schutz bekommt. Bei 95.000 Menschen, die letztes Jahr gekommen sind, seien das also ungefähr 45.000 – unter denen aber nicht jeder zum Arbeitsmarkt zu rechnen sei, weil die Zahl auch Kinder beinhalte oder Mütter, die sich um kleine Kinder kümmern. Für die zweite Jahreshälfte heuer und den Beginn des nächsten Jahres rechne er mit zusätzlichen 20.000 Personen.
Konkurrenzkampf um österreichische Arbeitsplätze?
Auch die Sorgen, dass Flüchtlinge der österreichischen Bevölkerung Arbeitsplätze wegnehmen könnten, werden von Kopf relativiert: "Wir sehen in den Zahlen, dass in erster Linie die Geflüchteten selbst arbeitslos sind. Die Arbeitslosenquote von Syrern in Österreich liegt weit über 70%."
Er warnt aber vor der Haltung, diese Menschen möglichst schnell zu Arbeitsplätzen zu bringen, damit sie den Staat nichts mehr kosten: Gerade in den billigen Hilfsarbeiterjobs wäre die Gefahr der Verdrängung gegeben, weil dort auch Österreicher arbeiten, und die Integration wäre in diesem Fall auch nicht nachhaltig. "Wir müssen schauen, dass wir die Leute qualifizieren und in jene Bereiche bringen, wo wir selbst einen Mangel haben", erklärt Kopf.
Kürzungen bei Sozialleistungen?
Auf mögliche Kürzungen in den Sozialhilfen angesprochen, die Menschen zur Arbeit bewegen sollen, differenziert Kopf: "Es gibt sicher einen Zusammenhang zwischen Höhe einer Sozialleistung und Arbeitswilligkeit. Es gibt aber auch einen Zusammenhang zwischen Höhe einer Sozialleistung und Armut". Man müsse ein ausgewogenes System finden, das es den Personen auch erlaubt, eine für die Integration wichtige Ausbildung zu machen.
Wichtig sei außerdem ein einheitliches System. "Wir brauchen für die Integration dieser Menschen überregionale Vermittlung – und wenn jedes Bundesland macht, was es für gescheit hält, dann ist das schwierig."
Nachdem sich zwei Drittel der Flüchtlinge in Wien befinden, die Arbeitsmarktsituation aber anderswo in Österreich deutlich besser ist, steht eine Wohnsitzpflicht zur Debatte. Kopf ist dafür, sofern einige Voraussetzungen geklärt sind: Einerseits gibt es rechtliche Bedenken, andererseits müssten die Leute auch nach Qualifikationen und Bedarf verteilt werden. Wichtig ist auch, die Familiennetzwerke der Leute nicht zu zerschneiden.
Sind gemeinnützige 1-Euro-Jobs eine Lösung?
Die von Integrationsminister Sebastian Kurz vorgeschlagenen gemeinnützigen und verpflichtenden 1-Euro-Jobs lehnt Kopf nicht ab. Aber zunächst müsse versucht werden, intensiv an der Integration einer Person zu arbeiten – selbst bei jemandem, der noch nie in einer Schule war, sei beispielsweise eine Vermittlung in die Landwirtschaft denkbar.
Wenn bei einer Person absolut nichts gelingt, können 1-Euro-Jobs eine Lösung sein. Man müsse aber auch darauf aufpassen, dass diese Arbeiten nicht in Konkurrenz zu herkömmlichen Jobs stehen. Hier sei jeder eingeladen, darüber nachzudenken, was in seiner Region gebraucht wird – etwas Gemeinnütziges, das wettbewerbsneutral ist und noch nicht vorhanden ist. Ein Beispiel sei etwa im Bereich der Landschaftspflege die Neophytenbekämpfung, also das Ausreißen von eingeschleppten Pflanzen. "Es ist nicht trivial, solche Beispiele zu finden", meint Kopf.
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