Werden Reiche zu Unrecht kritisiert? Sandra Maischberger wollte am Mittwochabend über Spitzensteuersätze und das Image von Reichen sprechen – und lieferte eine Diskussion von vorgestern. Immerhin wurde endlich einmal das falsche Bild von der Neid-Debatte abgehängt.

Christian Vock
Eine Kritik

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"Egoistisch, rücksichtslos und gierig" - dieses Bild von Reichen will die Redaktion von "Maischberger" ausgemacht haben. Die Grundlage: Eine nicht tiefer diskutierte Umfrage und die Tatsache, dass zum Beispiel die SPD Spitzeneinkommen und Vermögen stärker besteuern möchte.

"Attacke auf die Reichen: beschimpfen, besteuern, enteignen?", fasst die "Maischberger"-Redaktion deshalb die Situation etwas eindimensional als Sendungsthema zusammen.

Mit diesen Gästen diskutierte Sandra Maischberger:

  • Kevin Kühnert (SPD), Juso-Vorsitzender
  • Werner Mang, Schönheitschirurg
  • Marie-Christine Ostermann, Unternehmerin
  • Michael Prütz, Mietaktivist
  • Ulrike Herrmann, Journalistin
  • Rainer Hank, Wirtschaftspublizist

Darüber wurde diskutiert:

Mieten

Es dauerte nur wenige Minuten, bis sich Befürworter und Gegner einig waren, dass Enteignungen nach Artikel 15 Grundgesetz in Deutschland grundsätzlich möglich sind. Für Michael Prütz, der in einer Berliner Enteignungsinitiative aktiv ist, gehe es dabei aber nicht gegen Reiche an sich, sondern gegen Wohnungskonzerne mit mehreren tausend Wohnungen. Diese würden nach dem Prinzip agieren "Minimum an Aufwand, Maximum an Profit".

Werner Mang, Rainer Hank und Marie-Christine Ostermann dagegen lehnen aus mehreren Gründen Enteignungen strikt ab, wie Ostermann erklärt: "Wenn wir mit Enteignungen anfangen, ist das ein Signal an alle Betriebe, dass die bisherigen Spielregeln nicht mehr gelten. Darunter wird die Wirtschaft leiden."

Laut Rainer Hank habe zwar jeder ein Recht auf Wohnen, aber kein Recht auf Wohnen in Kreuzberg. Die Menschen würden einfach lieber in der Großstadt leben wollen: "Man könnte ja Co-Working-Spaces in der Vulkaneifel gründen – aber nein, die Leute wollen lieber an spannenden Orten leben!"

Ein Argument, das Kevin Kühnert nicht nachvollziehen kann: "Die 40-jährige Industriearbeiterin in der Eifel, die dort ihren Job verliert, die soll dann da auf Eigeninitiative einen Co-Working-Space eröffnen? In welcher Welt soll das passieren?"

Auch Ulrike Herrmann sieht die Sache mit der freien Entscheidung kritischer: "Das Problem ist, dass die Menschen da wohnen müssen, wo ihre Arbeit ist – und damit werden sie erpressbar." Die Situation auf dem Wohnungsmarkt werde sich zudem noch verschärfen: "Das ist erst der Anfang."

Das Image der Reichen

Hier wurde es weitgehend banal. Werner Mang durfte zum Besten geben, dass er sich sein Vermögen selbst erarbeitet hat und man doch auch glücklich sein dürfe, wenn man 15 Oldtimer in der Garage stehen hat. Das sei in Deutschland allerdings nicht gerne gesehen: "Wenn ich in Italien einen Ferrari fahre, wird der gestreichelt und fotografiert. In Deutschland zerkratzt", erklärte Mang, um auch noch den obligatorischen Hinweis auf die angebliche Neid-Debatte zu geben.

Diesem Standard-Argument ließ aber Ulrike Herrmann schnell die Luft raus: "Es ist falsch zu sagen, es ist eine Neid-Debatte. Was dahinter steht, ist das Gefühl der Leute: 'Es ist ungerecht.'" In der Gesellschaft herrsche gerade bei der Vermögensverteilung ein massives Ungleichgewicht.

So sieht es auch Kevin Kühnert. Diese vermeintlichen Neid-Debatten würden sich zu sehr auf Personen konzentrieren: "Es geht darum, sich mit dem Spiel zu beschäftigen und nicht mit den einzelnen Spielern."

Steuern

Die Diskussion über eine höhere Besteuerung von sehr reichen Menschen brachte hingegen wenig Neues. Es wurden lediglich die bereits oft diskutieren Argumente ausgetauscht. Der Spitzensteuersatz sei im Vergleich zu früher wesentlich niedriger sagen die einen, mehr Steuern würden Arbeitsplätze gefährden, die anderen. So weit, so bekannt.

Das konnte der Zuschauer mitnehmen:

Inhaltlich lieferte die Debatte relativ wenig Neues. Lediglich der sehr kurze Abstecher zur vermeintlichen Neid-Debatte, die eigentlich eine Gerechtigkeits-Debatte ist, fegte ein wenig Staub von den allzu bekannten Argumenten.

Richtig interessant wurde es nur, wenn man bei den vielen Floskeln, die die Runde machten ("Wollen Sie die DDR zurück?", fragte Mang) genau hinhörte. Dann konnte man erahnen, dass die grundsätzliche Debatte noch tiefer geführt werden müsste. So huschte bei Werner Mang das gar nicht mehr hinterfragte FDP-Mantra "Leistung muss honoriert werden" über die Lippen.

An anderer Stelle fragte in einem Einspieler über die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 75 Prozent in Frankreich der Off-Sprecher: "Würde Deutschland damit seine Eliten vergraulen?" In beiden Aussagen wird klar, wie verfestigt die Verknüpfung von Reichtum und Leistung in der Debatte ist und damit auch der unausgesprochene Schluss, dass wer reich ist, auch etwas geleistet habe und umgekehrt.

Das Fazit:

Die Diskussion war wie ein flüchtiger Blick in den Maschinenraum des Kapitalismus. Es wurde debattiert, an welchem Rädchen man denn nun drehen müsse und wer wo das Ölkännchen ansetzen sollte. Doch bei all dem Gerede hörte man am Ende immer nur heraus, dass es gewaltig knirscht im Räderwerk der sozialen Marktwirtschaft.

Statt über Schräubchen zu sprechen, hätte der Runde also eine Diskussion über die Frage gut getan, ob man denn überhaupt auf dem richtigen Dampfer ist. Wo waren die Fragen nach dem großen Ganzen, den Alternativen, nach Visionen? Spätestens, als Ulrike Herrmann den Begriff der Gerechtigkeit ins Spiel brachte, hätte die ganze Diskussion eine ganz andere Richtung nehmen dürfen. Über Schräubchen und Ölkännchen haben wir nun wirklich schon mehr als genug diskutiert.

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