Das Verhältnis zwischen Türkei und Europa ist angespannt. Der türkische Präsident will auf Biegen und Brechen für sein Referendum auch bei EU-Türken werben. Mittlerweile hat die Diskussion auch Österreich erreicht.
In Rotterdam kommt es zu Kämpfen zwischen türkischen Demonstranten und niederländischen Polizisten. Währenddessen bezeichnet der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan die Niederlande als "Bananenrepublik". ORF-Moderatorin Susanne Schnabl und ihr Team griffen das Thema beim in der Sendung "Report" am Dienstag auf und proklamierten: "Das europäisch-türkische Verhältnis hat einen neuen Tiefpunkt erreicht."
Angesichts der Ereignisse der letzten Tage ist das keine Übertreibung. Zunächst kündigte Erdogan an, er würde nach Deutschland kommen, egal, was die dortige Politik denke. Dann verweigerten die Niederlande, wenige Tage vor der dortigen Wahl, seinen Ministern die Einreise. Erdogan spricht von Rassisten, Faschisten und sogar Nazis in Europa. Der Grund: er darf nicht bei den Auslands-Türken um ein "Ja" für sein umstrittenes Referendum buhlen.
Erdogan-Sprecher zieht Parallelen zur Judenverfolgung
Obwohl Erdogan kritische Journalisten mundtot macht oder einsperren lässt, den Staatsdienst "säubert", Wissenschaftler nicht ausreisen lässt und die Menschenrechtskonvention aussetzt, genießt er hohes Ansehen bei Türken im In- und Ausland. Sowie bei Ramazan Aktas zum Beispiel, den Sprecher der "Union Europäisch-Türkischer Demokraten" (UETD), der verlängerte Arm der Erdogan-Partei AKP in Österreich.
Im Beitrag des "Report" sagte er: "Ein Mann, der bei der Wahl 52 Prozent hat, ist in Europa natürlich nicht erwünscht." Die Nazi-Vorwürfe rechtfertigt er: Er zieht Parallelen zur Judenverfolgung unter Hitler. "In der NS-Zeit wurden Juden unterdrückt, das sage ich als Moslem. Und jetzt unterdrücken sie die Türken."
Gegen einen Auslandswahlkampf der AKP sprach sich übrigens Birol Kilic, Obmann der türkischen Kulturgemeinde, am Dienstag im "Report"-Studio aus. Es gebe "Gewohnheitsrechte" wie den Respekt gegenüber dem gastgebenden Land, die durch das "Exportieren" von türkischen Problemen ins Ausland untergraben werde. Hakan Akbulut, Außen- und Sicherheitsexperte, hingegen äußerte Verständnis für das Bedürfnis, Wahlkampf für ein wichtiges Referendum auch im Ausland zu machen – auch, wenn man ein "Nein" europäischer Länder natürlich akzeptieren müsse.
Akbulut: "Türkenfeindlicher Diskurs"
Auch Auslandsösterreicher gehören zu Österreich, sagte Akbulut, und auch diese dürfen die Öffentlichkeit für sich beanspruchen. Warum diese sich nicht in österreichischen Parteien engagierten? "Es kann sein, dass sie sich in den österreichischen Parteien nicht beheimatet fühlen", sagt der Wissenschaftler und verwies auf den "türkenfeindlichen" Diskurs der letzten Jahre.
Bilic hielt dagegen, dass türkische Parteien keine Probleme in Österreich lösen würden und dass die Austro-Türken hier ihre Zukunft sehen sollten. Er spricht von Parallelgesellschaften, die durch die Auftritte von türkischen Wahlkämpfern noch schlimmer würden. Zudem müsse man "die Türkei" und "die AKP" trennen – viele Auslandstürken fänden die Nazi-Äußerungen von Erdogan und die Rückkehr zum religiösen Staat falsch.
Den Erfolg Erdogans erklärte Akbulut mit dem großen Vertrauen durch die erste Legislaturperiode und erfolgreiche Reformen. Der Staatschef, der wegen seiner repressiven Politik in heimischen Medien oft "Sultan" genannt wird, habe das Land "demokratisiert" und unter anderem das Auslandswahlrecht erlaubt. Nun ginge es allerdings in eine andere Richtung – eine "AKP Zwei" würde die Pressefreiheit einschränken.
Türkei-Wahlkampf beflügelt FPÖ
Am 16. April findet die Volksabstimmung um die Ausweitung von Erdogans Macht statt – und die "Nein"-Stimmen werden immer leiser. Viele Beobachter meinen, dass die Auseinandersetzung zwischen der Türkei und demokratischen Ländern Europas auch Erdogan nütze, da er so Stärke demonstrieren könne. Sollte er gewinnen, fürchten viele noch autoritärere Entwicklungen – und einen "Sultan", der noch viele, viele Jahre bleiben könnte.
In Österreich bleibt die Diskussion bis dahin aufrecht, weil auch hier AKP-Politiker Wahlkampf machen wollen. Die Meinung der Regierung, aber auch die der umfragestärksten Partei FPÖ sind dabei einstimmig: Das sollte nicht passieren. Zudem wird gerade diskutiert, ob man die verbotenen Doppelstaatsbürgerschaften während des Referendums erheben soll. In jedem Fall scheint so schnell kein Ende in sich in der rasanten Achterbahn des türkischen Wahlkampfes. Auch nicht für Europa.
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