Die Verhandlungen über die Jamaika-Koalition haben begonnen. Aber die Vorstellungen der Parteien, wie das Bündnis inhaltlich unterfüttert wird, gehen weit auseinander. Das zeigte sich auch gestern Abend bei Maybrit Illner: Markus Söder von der CSU geriet heftig ins Stocken, als er zu einer Prognose über den Erfolg der Gespräche gefragt wurde.
Konservative beklagen, Deutschland sei nach links gerückt. Linke monieren, es habe nach der Flüchtlingskrise ein Rechtsruck stattgefunden. Wo stehen wir überhaupt?
Eine spannende Frage, die Maybrit Illner angesichts schwieriger Gespräche über die künftige politische Ausrichtung des Landes an den Anfang ihrer Sendung stellte. Und die auch bei der Analyse der Bundestagswahl von Bedeutung sein kann.
Einen Rechtsruck wollte Prof. Ursula Münch von der Akademie für Politische Bildung Tutzing "so nicht feststellen". Sie meinte, dass sich die CDU unter Angela Merkel nach links bewegt habe und den Menschen daher ein Teil im Parteienspektrum fehle. "Die Position wird versucht zu besetzen und wir wissen, wer sie besetzt", sagte Münch.
CDU fehlen Bezugspersonen
Gemeint war die AfD. Der Bundestagsabgeordnete Alexander Graff Lambsdorff (FDP) erklärte, dass Merkel mit ihrer Flüchtlingspolitik von der Mitte abgerückt sei. "Die Menschen, die konservativ sind, brauchen etwas zum Andocken. In der CDU gibt es die nicht mehr."
Der frühere Hamburger Bürgermeister Ole van Beust verteidigte die Kanzlerin. "
Aber auch van Beust beklagte, dass in der CDU Bezugspersonen fehlen, die die verschiedenen Strömungen abdecken. Früher habe es Franz-Josef Strauß gegeben für die Rechten oder Rita Süssmuth für die Linken. "Merkel kann das alles gar nicht alleine abdecken."
Peters: "Nicht weiter nach rechts rücken"
Das rief prompt
"Die Leute wollen keine Experimente." Wenig versteckte Andeutungen auf die Flüchtlingskrise. Das Kalkül: Die CSU will nach den zweistelligen Verlusten bei der Bundestagswahl in Bayern die Flanke nach rechts, in die die AfD vorgestoßen ist, wieder schließen.
Aber kann das angesichts der grünen und liberalen Partner in einem möglichen Jamaika-Bündnis gelingen? Für welche Werte will Jamaika überhaupt stehen?
Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter hofft, "dass wir nicht weiter nach rechts rücken und Österreich kopieren". Dort wird künftig wahrscheinlich einMitte-Rechts-Bündnis aus ÖVP und FPÖ regieren.
Doch selbst in der Union sind die bayerischen Pläne umstritten.
Absage an muslimischen Feiertag
Da die Union noch nicht mit sich im Reinen ist, war die Atmosphäre zwischen FDP und Grünen auch sichtlich entspannter. Obwohl gerade beim Thema Vermögens- und Erbschaftssteuer Unterschiede deutlich wurden. So versuchte jeder seine eigenen parteipolitischen Schwerpunkte zu setzen.
Lambsdorff betonte die Bedeutung der Digitalisierung und eines Neuanfangs im bisher durch die CDU geführten Finanzministerium, Peter will die Armut bekämpfen und mehr für Familien tun.
Söder dagegen fand den Dreh immer wieder aufs Thema Flüchtlinge, ohne aber die möglichen Partner zu sehr vor den Kopf zu stoßen. Die alte bayerische Forderung nach einer Obergrenze war kein Thema.
Spannend wurde es in einer insgesamt eher zahmen und damit schon ein wenig koalitionären Runde, als
Der Begriff erlebt derzeit eine kleines Revival. Die Grüne Peters konnte damit nicht wirklich viel anfangen und betonte wie Graf Lambsdorff, der Begriff dürfe niemanden ausschließen. Söder hob hervor, wie wichtig den Menschen ihre Identität sei. Zugleich erteilte er aktuellen Überlegungen eine Absage, in Teilen Deutschlands einen muslimischen Feiertag einzuführen.
Journalistin Schausten scherzte in Richtung Söder: "In Bayern ist der Heimatminister auch der Finanzminister und die Geborgenheit, die schafft er auch mit den Checks, die er verteilt." Söder schaute verwundert.
Glaubt Söder nicht an Erfolg von Jamaika-Verhandlungen?
Die Szene der Sendung kam erst ganz zum Schluss. "Wird es eine Jamaika-Koalition geben?", wollte Illner abschließend wissen. Da blies Markus Söder so kräftig in die Backen und zögerte, dass die Gastgeberin herzlich lachen musste. Es sah so aus, als ob der CSU-Politiker nicht wirklich an den Erfolg der Verhandlungen glaubt.
Hanseatisch-pragmatisch gab sich Ole van Beust: "Es hilft ja nix", sagte er, "weil niemand Neuwahlen will. Daher wird eine kommen."
Simone Peter erklärte, man nehme "die Verantwortung sehr ernst, aber es muss inhaltlich passen".
Lambsdorff sprach von "ergebnisoffenen Sondierungen" und der Hoffnung, dass man 2021 auf eine gute Koalition zurückblicken könne.
Fazit: Es könnten lange Wochen werden, bis wir eine neue Regierung bekommen. Vielleicht liegt dann sogar schon der erste Schnee.
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