Russland eine Gefahr für den Weltfrieden, die USA eine Sicherheitsbedrohung für Europa? Es war ein wenig rosiges Bild, dass die Runde bei Maybrit Illner im ZDF über den Ist-Zustand der Geopolitik zeichnete. Doch es wurden auch Lösungsansätze skizziert.

Mehr aktuelle News

Das Thema der Runde

Auch nach dem Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Machthaber Wladimir Putin am Dienstag ist eine 30-tägige Waffenruhe im Ukraine-Krieg nicht zustande gekommen. Ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht, Putin spielt auf Zeit. Das Thema bei Maybrit Illner am Donnerstagabend: "Putin, Trump und die Ukraine".

Die Gäste:

  • Sigmar Gabriel: Der ehemalige Außenminister und SPD-Parteivorsitzende kritisierte das Treffen zwischen Trump und Putin als "Jalta 2.0". Sollte heißen: "Die großen Jungs" treffen sich und teilen die Welt untereinander auf.
  • Norbert Röttgen: Für den CDU-Außenpolitiker sind wir dem Frieden in der Ukraine kein bisschen näher gekommen. Putin "insistiert auf seinen Forderungen. Er führt seinen Vernichtungskrieg weiter", sagte Röttgen. Nun brauche es eine "Koalition der Willigen" in Europa, abseits der EU-Institutionen, die die Sicherheitsfragen in die Hand nimmt.
  • Claudia Major: Die Politikwissenschaftlerin kritisiert Trump dafür, "dass er offensichtlich nicht gewillt ist, Druck auf den russischen Präsidenten auszuüben". Trumps Ziel sei eine Verbesserung der US-russischen Beziehungen, notfalls auf dem Rücken der Ukraine und der Europäer. Eine früher undenkbare Aussage: Major denkt, dass die USA für Europa von einem demokratischen Vorbild "zu einer Art Sicherheitsbedrohung werden".
  • Katrin Eigendorf: Die Internationale Sonderkorrespondentin des ZDF nannte die Beliebtheit Selenskyjs auf den internationalen Konferenzen als einen Grund für Trumps Abneigung gegen ihn. "Das gefällt Donald Trump überhaupt nicht. Er will der Star sein." Trump habe jedoch Sanktionen und die US-Militärhilfe für die Ukraine als Druckmittel gegenüber Russland, das sie "eine Gefahr für den Weltfrieden" nannte, in der Hand.

Der Special Guest:

  • John Bolton: Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump erklärte die Psychologie zwischen Trump und Putin. "Es ist kein Geheimnis, dass Trump meint, dass er und Putin Freunde seien", so Bolton. Putin sehe Trump dagegen eher als einfaches Ziel, das er manipulieren könne. Dennoch wolle Putin Trump keine Peinlichkeit zufügen, er wolle die Konzessionen, die Trump ihm zur Lösung des Ukraine-Kriegs zugestanden hat – wie die Versicherung, dass die Ukraine nicht Nato-Mitglied wird – nicht gefährden.

Unterschätzen wir Trump in seinen Möglichkeiten, Putin zum Frieden zu bewegen?, wollte Illner von Bolton wissen. "Putin will nicht, dass Trump ihm den Rücken kehrt. Und das kann tatsächlich noch passieren." Daher werde er sein Blatt nicht überreizen, so Bolton. Dass sich Trump aus der NATO zurückziehen könnte, wenn die Mitgliedsländer nicht mehr in die Verteidigung investieren, nannte der 76-Jährige eine "ernste Gefahr".

Das Wortgefecht des Abends

Sigmar Gabriel kritisierte, dass in unserer Bevölkerung das Bewusstsein nicht mehr da ist, dass Russland eine Bedrohung für Deutschland und Europa sein könnte. So befürworten in Finnland oder den baltischen Staaten viel mehr junge Menschen die Aussage, dass sie ihr Land notfalls auch mit der Waffe verteidigen würden. Maybrit Illner wunderte sich über Gabriels Kritik: "Aber Herr Gabriel, da hat doch die Politik ganz viel falsch gemacht, weil sie dem deutschen Bürger auch das Gefühl gegeben hat: Putin ist unser Freund."

Gabriel kritisiert im Gegenzug die in seinen Augen mitverantwortlichen Medien, die 2021 bei einem TV-Duell vor der Bundestagswahl die Politiker nur 15 Minuten zur Außenpolitik befragt hätten. "Und da ging es nur um Afghanistan." Das wollte Illner so nicht stehen lassen. Sie erwiderte, dass man sich die Beziehungen zu Russland "auch von der anderen Seite" noch einmal anschauen müsse. Gemeint waren: die Versäumnisse der Politik.

Die Offenbarung des Abends:

Norbert Röttgen erzählte, welche Nachrichten oder persönlichen Worte von Bürgern derzeit am meisten an ihn herangetragen werden. "Das ist die größte Sorge, die mir immer gesagt wird: Kriegt es hin, kriegt es gemeinsam hin." Gemeint war, dass die wahrscheinlich kommende Bundesregierung aus Union und SPD wieder für Stabilität sorgen soll – innenpolitisch wie außenpolitisch.

Der Erkenntnisgewinn:

Europa muss sich in der Zange zwischen Russland und den USA stärker behaupten, so die einhellige Meinung der Illner-Runde am Donnerstag. Es muss die eigene Sicherheit durch eine starke Achse von Ländern wie Großbritannien, Norwegen, Frankreich, Deutschland und Polen stärken, aber gleichzeitig mit den USA im Gespräch bleiben. Denn nach vier Jahren Trump kann die Lage – wie bei der Wahl Joe Bidens 2020 – schon wieder ganz anders aussehen. Auch wenn so ein Szenario derzeit ganz weit weg erscheint.

Teaserbild: © ZDF/Jule Roehr