Matthias Strolz, Parteivorsitzender der Neos, im ORF-Sommergespräch über die Angst vor dem Terror, die Demokratiedefizite in der Türkei und über seinen Respekt für Irmgard Griss.

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Unumwunden gibt Matthias Strolz im Sommergespräch mit ORF-Journalistin Susanne Schnabl zu, dass es für ihn als Politiker immer wieder Momente der Ratlosigkeit gibt.

Im ersten Themenblock des Sommergesprächs geht es um die Ängste, die in Mitteleuropa aufgrund der jüngsten Terroranschläge und des Amoklaufs von München entstehen. "Wenn man die Bilder des Anschlags von Nizza sieht, dann fährt es einem durch Mark und Bein", findet Strolz und sagt, man müsse trotzdem rasch wieder handlungsfähig werden.


Bei den Rezepten gegen Terrorismus bleibt der Parteivorsitzende der Neos wie so viele andere sehr allgemein. Er plädiert für mehr Zusammenarbeit der EU-Staaten und für ein Anti-Terrorismus-Zentrum in Europa. Auch die Bildung sei wichtig, um der Radikalisierung präventiv entgegenwirken zu können.

Wenig Konkretes sagt Strolz auch zum Thema Überwachung Verdächtigter: Man wolle die Freiheitsrechte nicht aufgeben und sei für eine Überwachung mit Augenmaß. Es bleibt unklar, wie weit die Neos im Sinne der Sicherheit tatsächlich gehen würden.

Von Susanne Schnabl kommt der Einwurf: "Sie wollen einerseits Daten unter den Staaten austauschen, sind aber gleichzeitig gegen einen Polizeistaat."

Politischer Plausch statt Wahlhilfe

Als es um die Rolle der Neos als kleine Oppositionspartei geht, wird offensichtlich, dass die diesjährigen Sommergespräche mehr ein politischer Plausch zum Füllen des Sommerlochs sind, als eine Orientierung für Wähler. Schnabl macht ihre Sache gut, hakt kritisch nach und bleibt höflich. Politische Brisanz bekommt das Gespräch dennoch nicht.

Strolz kritisiert, dass die Regierung den Ideen der Opposition so gut wie keine Aufmerksamkeit schenke. Er hoffe hier auf den neuen Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ).

Aktionismus statt konkreter Inhalte


Ein Zwischenbericht unterstreicht, wie die Neos mit Aktionismus im Parlament um Aufmerksamkeit ringen. Strolz setzt häufig auf Plakate und hat für das ORF-Sommergespräch eigens drei Puppen mitgebracht, die Bürger des Landes darstellen - und mit deren Hilfe er typische Probleme in Österreich erläutert.

Statt den Charakter der Neos als Bürgerbewegung zu unterstreichen, wirkt die Aktion deplatziert. "Wir leben in einer Mediendemokratie. Wir müssen auffallen. Ich hätte gerne auch Bürger mit zum Gespräch genommen", erklärt Strol und kritisiert, dass der ORF das nicht gestattet.

Schnabl kontert, Irmgard Griss - die den Neos nahesteht - habe als Präsidentschaftskandidatin 19 Prozent der Stimmen erreicht - und das ohne Strolz' Batman-Shirt oder Puppen.

Der Neos-Chef betont, er ziehe seinen Hut vor Irmgard Griss und empfehle sie für ein politisches Amt. "Mit den 21 Punkten von Irmgard Griss kann ich etwas anfangen. Wir teilen die Stoßrichtung", sagt Strolz.

Mieterschutz steht nicht an erster Stelle

Auch auf die Problematik des teuren Wohnens geht Schnabl ein. Für sie ist nicht nachvollziehbar, wie die Vorschläge der Neos für eine Verbesserung der Situation sorgen sollen. Diese lauten: Kündigungen seitens der Vermieter auch ohne Grund und beim keine Obergrenze beim Mietzins.

Strolz erklärt, er würde bei diesen Vorschlägen im ersten Moment "auch erschrecken", nennt aber internationale Beispiele. Wo man Miet-Obergrenzen eingeführt habe - etwa in New York in den 1970er-Jahren - , seien Slums entstanden.

Darauf angesprochen, dass die Neos den Mieterschutz abschaffen wollen, sagt Strolz: "Wir diskutieren unsere Vorschläge noch bis zum Herbst." Eine Entschärfung der Vorschläge schließt er nicht aus.

Zehn Prozent sind das Wahlziel


Die wirtschaftlichen Kompetenzen der Neos unterstreicht ihr Parteivorsitzender mit dem Paket für Start-up Unternehmen, das die Regierung kürzlich präsentiert hat. Das Maßnahmenbündel sei gekommen, "weil die Neos seit drei Jahren Druck machen", ist Strolz überzeugt.

"Manche Mitglieder der Regierung konnten bis dahin Start-up nicht richtig buchstabieren." Die Gewerbeordnung müsse entstaubt werden. Er baue auch hier auf Bundeskanzler Kern.

Strolz präsentiert sich und die Neos im Sommergespräch als möglichen Regierungspartner. Ganz offen spricht er von einer möglichen Dreier-Koalition. Übereinstimmungen bei gewissen Themen gebe es sowohl mit den Grünen als auch mit ÖVP und SPÖ.

Als Ziel für die nächste Nationalratswahl gibt Strolz ein zweistelliges Ergebnis aus. Derzeit stehe man bei sieben Prozent.

Bürgerrechte statt EU-Beitritt der Türkei

Klar Position bezieht Matthias Strolz beim Thema Türkei. "Das, was da passiert, hat mir einer Demokratie nichts mehr zu tun", spielt er auf die tausenden Festnahmen und Entlassungen an, die es unter Präsident Recep Tayyip Erdogan nach dem Putschersuch gab.


Strolz bezeichnet sich als glühenden Europäer, ihm gehe es aber in erster Linie um Bürgerrechte. "Wer das nicht akzeptiert, hat in unserer Familie nichts zu suchen", betont der Neos-Chef. Aus heutiger Sicht glaube er nicht, dass es zu einer Visa-Liberalisierung für Türken kommen wird.

Wenn die Türkei wieder tausende Flüchtlinge nach Griechenland durchlassen sollte, will Strolz mit 40.000 Soldatinnen und Soldaten die EU-Außengrenzen schützen. Dann gelte es an den Außengrenzen schnelle Asylverfahren durchzuführen.

Wie lange Strolz noch in der Politik bleibt, macht er nach eigener Aussage permanent von zwei Kontrollfragen abhängig: "Ist es richtig, was ich mache? Und ist es wichtig was ich mache? Solange ich diese mit ja beantworten kann passt es. Sonst höre ich auf."

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