Das Sondierungsergebnis von Union und SPD löst in der deutschen Politik nicht nur Jubel aus. Bei "Markus Lanz" versicherte Karl Lauterbach jedoch vehement, dass Friedrich Merz keinen Wortbruch begangen habe. Ein Argument, das weder den ZDF-Moderator noch Grünen-Urgestein Jürgen Trittin überzeugen konnte.
Das elf Seiten lange Sonderierungspapier sorgte am Dienstagabend auch bei "
Das Thema der Runde
Das Sondierungspapier von Union und SPD sorgt landesweit für heftige Kritik. Neben einer geplanten Reform der Einkommensteuer soll auch die Pendlerpauschale erhöht werden. Markus Lanz nahm das Sondierungsergebnis in seiner Sendung am Dienstagabend zum Anlass, um über den Vorwurf des Wortbruchs von
Die Gäste
- Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin (Grüne) unterstellt der Union Wortbruch kurz nach der Wahl: "Das Wahlprogramm der CDU ist mit diesem Haushalt nicht zu vereinbaren."
- SPD-Politiker Karl Lauterbach stellt sich entschieden hinter CDU-Chef Friedrich Merz und versichert: "Die Schuldenbremse wird nicht abgeschafft."
- Journalistin Eva Quadbeck kritisiert das Sondierungsergebnis wegen einer mangelnden Prioritätensetzung und sagt: "Das ist Politik mit der Gießkanne."

Das Wortgefecht
In Bezug auf das erste Sondierungspapier sagte ZDF-Moderator Markus Lanz kopfschüttelnd: "Dass es so dicke kommt, war mir nicht klar." Auch Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin befand: "Das ist Wortbruch mit Ansage gewesen. Die Union wusste, dass sie die 100 Milliarden Steuergeschenke, die sie im Wahlprogramm stehen hatte (...), nicht finanzieren kann." Trittin wetterte weiter: "Das Wahlprogramm der CDU ist mit diesem Haushalt nicht zu vereinbaren. Man braucht einen Koalitionspartner - der einzig mögliche ist die SPD - also muss man sich einigen. Dann kommt eben sowas raus."
Grund genug für Lanz, bei SPD-Politiker Karl Lauterbach nachzuhaken, wie es ihm damit gehe, dass die Union "direkt nach der Wahl das Wort gebrochen" habe. Der SPD-Politiker wiegelte prompt ab: "Ich bewerte die Dinge anders!" Eine Aussage, die den Moderator irritierte: "Wirklich? Das ist kein Wortbruch?" Lauterbach schüttelte mit dem Kopf: "Ich würde es anders sehen." Lanz blieb jedoch hartnäckig und hakte nach: "Das ist auch keine politische Lüge?" Der Gesundheitsminister antwortete genervt: "So wie es jetzt von Friedrich Merz vorgetragen wurde, ist es kein Wortbruch, weil die Lage sich verändert hat." Das Argument konnte Lanz nicht überzeugen. Er stichelte in Richtung Lauterbach: "Wie würden Sie reden, wenn Sie die Opposition wären?"
Lauterbach konterte mit ernster Miene: "Dass die Lage sich verändert hat, das ist eben so." Mit Blick auf Jürgen Trittin ergänzte der SPD-Mann trocken: "Dass er jetzt als Oppositionspolitiker hier zuspitzt und auch ein bisschen die Dinge (...) dreht, ist legitim und gehört zum Geschäft dazu."
Der ZDF-Moderator ließ jedoch nicht locker und wollte wissen: "Welche Lage hat sich genau verändert?" Lauterbach reagierte wütend: "Die militärische Lage! Im Verteidigungshaushalt müssen wir massiv zusätzlich investieren. Hier geht es tatsächlich um Hunderte Milliarden Euro. Und dass die nicht aus dem Haushalt mobilisiert werden können, damit hat Friedrich Merz recht."
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Jürgen Trittin zeigte sich unbeeindruckt und erläuterte, dass Merz versuche, in weiten Teilen das Programm der Grünen zu verkaufen. Lauterbach indes beteuerte, dass von Friedrich Merz nicht "die Politik der Grünen gemacht" werde. "Bei allem Respekt - auch wenn ihr das gerne für euch reklamiert", so Lauterbach streng.
Markus Lanz reagierte lachend: "Das ist SPD-Politik. Gut, dass wir das mal geklärt haben." Der Gesundheitsminister nickte energisch: "Ja, die 500 Milliarden Investitionen für Infrastruktur - das sind Summen, für die wir angetreten sind." Er nannte das Sondierungspapier daher einen "Kompromiss zwischen zwei Koalitionspartnern". Lauterbach behauptete weiter: "Die Schuldenbremse wird nicht abgeschafft. Wir haben ein Sondervermögen, was die Schuldenbremse zulässt." Ein Satz, der Lanz fassungslos machte: "Herr Lauterbach, was machen wir denn jetzt hier? Das ist doch jetzt hier wirklich Wortklauberei!"
Die Offenbarung des Abends
Die Argumentation von Karl Lauterbach zum Sondierungsergebnis ließ Jürgen Trittin kalt. Er hielt immer wieder verbal dagegen und sagte, er finde es "rührend", wie Lauterbach "sich jetzt hier vor Ihren künftigen Kanzler" werfe. "Das spricht dafür, dass geräuschloses Regieren angestrebt wird, aber es geht ein bisschen an den Tatsachen vorbei".
Der SPD-Mann rechnete derweil energisch vor, warum das Sondervermögen notwendig sei. "So funktioniert der politische Kompromiss", so Lauterbach. Journalistin Eva Quadbeck konterte prompt: "Nein, das ist kein Kompromiss. Das ist ein ständiges Addieren. Der Kompromiss bedeutet: Wir wollen dies, wir wollen das. (...) Richtige Politik funktioniert so, dass man das wirklich Notwendige für ein Land tut. (...) Das ist wirklich nicht Pendlerpauschale und Mütterrente. Nicht in dieser aktuellen Lage!" Jürgen Trittin stimmte zu und ergänzte: "Vielleicht hätte der Gesundheitsminister auf seinen Verteidigungsminister hören sollen, der schon weit vor Weihnachten erklärt hat: 'Wir brauchen mehr Geld, damit Deutschland kriegstüchtig wird.'"
Trittin wetterte weiter: "Daran war nichts neu. Null!" Er unterstellte der Union und SPD daher, einen "Schattenhaushalt" zu schaffen, denn: "Dieser Investitionsfond dient dazu, (...) Investitionen, die bisher im regulären Haushalt waren, unter der Schuldenbremse da reinzuschieben, um das Geld zu haben." Dies sei "der Kern des Vorwurfs" und müsse "in diesen Verhandlungen ausgeräumt werden. Es muss klargestellt werden - es geht hier um zusätzliche Investitionen. Denn nur, wenn wir zusätzliche Investitionen haben, generieren wir auch zusätzliches Wachstum, was wir brauchen."
Lauterbach nickte energisch und versicherte: "Das sind zusätzliche Ausgaben, das werden wir auch klarstellen." Der SPD-Mann machte weiter deutlich: "Es wird uns von anderen so vorgeworfen, dass wir vorhaben, mit einem Taschenspielertrick jetzt die Investitionen, die wir im regulären Haushalt haben, (...) plötzlich durch das Sondervermögen bezahlen. Das ist nicht vorgesehen (...) und wir wollen die Mittel zusätzlich ausgeben!"
Der Erkenntnisgewinn
Bei "Markus Lanz" wurde deutlich, dass das erste Sondierungsergebnis bei vielen zu einem großen Vertrauensverlust geführt hat. Mit Blick auf das vorschnelle Handeln von Friedrich Merz äußerte Eva Quadbeck die Vermutung: "Da werden die politischen Gräben mit Geld zugeschüttet, anstatt dass man wirklich vernünftige Lösungen sucht."
Zwar verteidigte Karl Lauterbach im Laufe der Sendung die Vorgehensweise des CDU-Chefs, doch am Ende musste auch er zugeben: "Friedrich Merz hat all die Zeit gewusst, dass es ohne ein solches Sondervermögen nicht möglich ist, die dringend notwendigen Investitionen zu bezahlen, weil es aus dem Haushalt niemals zu pressen ist." Er zeigte sich jedoch optimistisch: "Ich sage voraus, wir werden uns einigen!" Eine Hoffnung, die Jürgen Trittin nicht ganz teilte, denn: "Diesem Paket, so wie es jetzt vorliegt, werden wir nicht zustimmen. Da gebe ich jede Wette drauf!"
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