Thomas Gottschalk hat im deutschen Fernsehen früher vor allem Baggerfahrer-Wetten und "dummes Zeugt" kommentiert, wie er selbst zugibt. Am Mittwochabend darf er aber an der Kommentatoren-Theke von Sandra Maischberger Platz nehmen, um die große und kleine Politik zu begutachten. Er schlägt sich achtbar und sorgt für die eine oder andere spitze Bemerkung. Sein flapsiger Ton kann aber auch nicht verhindern, dass die Talksendung eher spannungsarm vor sich hinplätschert.
Das sind die Gäste
Ulrike Herrmann: Die Wirtschaftsredakteurin der "taz" ist voll des Lobes für die 100-Tage-Bilanz von US-Präsident
Helga Rübsamen-Schaeff: Die Virologin propagiert die Entwicklung von Medikamenten gegen Covid-19. Ob die Impfstoffe auch gegen zukünftige Mutationen des Virus wirken, ist für sie eher zweifelhaft. Sie verweist darauf, dass Hersteller schon über eine dritte Impfdosis nachdenken. "Das täte man nicht, wenn man sich sicher wäre, es wäre gut genug."
Peter Hornung: Der ARD-Korrespondent berichtet aus Indien von den derzeit schrecklichen Zuständen dort. Pro Tag meldet das Land mehr als 300.000 Corona-Neuinfektionen. In der 20-Millionen-Metropole Delhi gebe es nur noch 18 freie Intensivbetten. Die meisten Menschen sterben aber nicht in den Krankenhäusern, so Hornung: "Corona ist eine stille Katastrophe, die in den Wohnungen stattfindet."
Das ist das Rededuell des Abends
Für die Diskussionen ist das Kommentatoren-Trio zuständig. Und wie es die politischen Ausrichtungen ihrer Redaktionen erwarten lassen, sind die zwei Journalistinnen meistens unterschiedlicher Meinung. Ulrike Herrmann lobt zum Beispiel Schnelligkeit, Fachwissen und die "steile Lernkurve" von Grünen-Chefin
"Fassungslos" ist dagegen Nena Schink angesichts des Umfrage-Höhenflugs der Grünen. "Ganz große Angst" macht ihr eine mögliche
Den Klartext-Vorwurf findet dann aber auch Thomas Gottschalk ungerecht. Schließlich könne man diesen Vorwurf auch anderen machen, findet er: "Wer redet denn im Moment von den Politikern Klartext? Die murmeln doch alle rum: Wir bereiten uns auf irgendwas vor, was wir längst hätten vorbereiten müssen."
Das ist das Ergebnis
Es ist keine Sendung für die Geschichtsbücher. Zu vorhersehbar und zu wenig überraschend sind die Standpunkte von Ulrike Herrmann und Nena Schink. Zu bekannt sind auch die weltpolitischen Erörterungen von Sigmar Gabriel, bei denen die Grenze zur Besserwisserei immer dünn ist. Am interessantesten ist noch, dass sogar der frühere SPD-Chef nicht mehr viel von seiner eigenen Partei bei der anstehenden Bundestagswahl erwartet. Das Rennen um das Kanzleramt wird seiner Meinung nach zwischen CDU und Grünen entschieden. Annalena Baerbock räumt er dabei "eine richtige Chance" ein.
Dabei hätte es noch mehr zu besprechen gegeben. Über die umstrittene #allesdichtmachen-Aktion von deutschen Schauspielenden gegen den Corona-Lockdown ließe sich zum Beispiel ganz hervorragend diskutieren. Das Thema kommt zwar in der Kommentatoren-Runde zur Sprache (mit den zu erwartenden Positionen). Aber anschaulicher und spannender wäre es gewesen, einen der kritischen Schauspieler einzuladen und mit der geballten Kritik zu konfrontieren, die die Aktion ausgelöst hat.
Am Ende dieser Sendung bleibt ein bitterer Ausblick: Die gefährliche Pandemielage in Indien könnte dort nicht nur unzählige Menschen das Leben kosten, sie wird auch weitere Mutationen begünstigen. Und noch eine schlechte Nachricht gibt es: Thomas Gottschalk bezweifelt, dass das Comeback von "Wetten, dass…?" wie geplant am 6. November dieses Jahres über die Bühne gehen kann. Aber seien wir ehrlich: Es gibt in dieser Krisenzeit wahrlich Schlimmeres.
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