Treffen sich ein Trump-Fan und ein Biden-Supporter bei "Maischberger" - und es wird kein Witz, sondern ein erbitterter Kampf, der an das originale TV-Duell erinnert. In Sachen Corona legt die gesamte Talk-Runde ein Kontrastprogramm hin.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Bartlau dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Es hat wirklich nur noch gefehlt, dass einer der Kontrahenten "Will you shut up, man" brüllt: Zwei US-Amerikaner machen bei "maischberger. die woche" am späten Mittwochabend da weiter, wo Donald Trump und Joe Biden in ihrer ersten TV-Debatte aufgehört haben.

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In Sachen Corona legt Maischbergers Runde ein Kontrastprogramm hin, frei nach dem Kinderlied: Aufstehn, aufeinander zugehen, voneinander lernen, miteinander umzugehen. Allen voran Malu Dreyer, die quasi den "Good Cop" zu Angela "brachial durchgreifen" Merkel spielt.

Das sind die Gäste bei Sandra Maischberger

  • Malu Dreyer, SPD (Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz)
  • Ron Williams (Schauspieler)
  • George Weinberg (Republicans Overseas)
  • Susan Link (ARD-Moderatorin)
  • Werner Bartens ("SZ"-Wissenschaftsredakteur)
  • Alexander von Schönburg ("Bild"-Kolumnist)

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz streichelt die corona-geplagte deutsche Seele: Die Deutschen hielten "in der Mehrheit" die Vorschriften ein, so werde es auch "keinen Lockdown" mehr geben. Die verschärften Regeln begrüßt Dreyer – genau wie den Verzicht auf die Ausweitung auf Privatwohnungen: "Ich fand es zu übergriffig, sich vorzustellen, dass die Polizei klingelt und schaut, wie viele Menschen auf der Fete sind." Die Gästelisten in Kneipen seien "lästig", aber nötig - "sonst schließen wieder Kitas und Schulen".

Die Bilder von feiernden jungen Menschen aus Städten wie Köln und Berlin stoßen ARD-Moderatorin Susan Link sauer auf. Sie selbst würde auch gern mal wieder feiern, ihr zehnjähriger Sohn sitze mit Maske in der Schule, ohne sich zu beschweren, ihre achtzigjährige Mutter halte sich an die Regeln. "Wir müssen alle gemeinsam da durch. Die Bilder sind enttäuschend."

Der "Süddeutsche"- Wissenschaftsredakteur Werner Bartens verteidigt Angela Merkels eindringliche Warnung vor den 19.200 COVID-Fällen pro Tag zu Weihnachten. "Das ist keine Panikmache, das ist Mathematik." Das Bild der zweiten Welle gefalle ihm aber nicht – er rede lieber von "Glutnestern", die man noch relativ einfach löschen kann, die aber nicht zu einem "Flächenbrand" werden dürften.

Nicht mit Angst agieren, sondern mit Vorsicht, fordert Alexander von Schönburg von der "Bild". Er höre "seit Februar nur bedrohliche Szenarien", dabei fielen etwa die Kollateralschäden durch die Gegenmaßnahmen unter den Tisch: "Starren wir zu sehr auf diesen Virus?"

Das ist das Rededuell des Abends

Den Einstieg in die Sendung dürfen der Schauspieler Ron Williams und der Immobilienunternehmer George Weinberg bestreiten - mit der Betonung auf Streit. Williams unterstützt den Demokraten Joe Biden, Weinberg als Geschäftsführer der "Republicans Overseas Germany" den amtierenden Präsidenten Donald Trump. Wenig überraschend haben die beiden jeweils eine ganz eigene TV-Debatte gesehen und führen auch gleich eine Art Reenactment auf.

Weinberg hat Trumps Playbook verinnerlicht: Er macht Biden lächerlich ("Viele hatten Zweifel, ob er die 90 Minuten durchhält."), rückt den Präsidenten in die Opferrolle ("Er wird seit den ersten Stunden im Amt attackiert. Trump ist Trump, wenn er auf die Nase kriegt, schlägt er zurück.") und schlägt rhetorische Volten – so vergleicht er das Duell mit einem DFB-Pokalspiel von Bayern München gegen einen Drittligisten.

Trump, das nur als Hinweis, wäre in Weinbergs Welt also der FC Bayern. "Wenn die 0:0 spielen, heißt es natürlich: Der Drittligist hat gewonnen." Dass es im Pokal kein Unentschieden gibt – geschenkt. Einen Punkt hat er bei der Bewertung von Bidens "Shut up, man"-Ausrastern: "Er war nicht der liebe Onkel Biden."

Williams ergeht sich derweil in Schimpftiraden über den "unerzogenen man boy" Trump, über den "Bluffer und Trickser", über den "Rassisten", der es nicht verstehe, das Amt zu bekleiden. Weil beide neben dem Unwillen, den anderen ausreden zu lassen, auch noch ihre jeweils eigenen Fakten mitgebracht haben, artet das Gespräch irgendwann in ein schwer verständliches Wortgefecht aus, ganz wie die "echte" Debatte in Cleveland.

"Respektieren Sie meine Meinung, und unterlassen Sie die Unterstellungen", wettert Weinberg schließlich, und Williams entgegnet: "Aber Sie lügen." Maischberger bleibt nichts als eine resignierte Abmoderation: "Ein zutiefst gespaltenes Land, eine zutiefst gespaltene Debatte."

Das ist der Moment des Abends

Vielleicht hat Sandra Maischberger gewusst, dass die nötige Dosis Dissens mit dem Duell Williams vs. Weinberg eh schon erreicht sein wird. Vielleicht hatte Sie einfach Lust, die Corona-Krise mal unaufgeregt zu diskutieren, oder vielleicht auch nur ein glückliches Händchen mit den Gästen. Wie dem auch sei: So sorgfältig gewogen wurde das Thema in den deutschen Talkshows lange nicht mehr.

Neben "Good Cop" Malu Dreyer ("Ich glaube, die Leute haben verstanden, dass sie mit den Maßnahmen sich und andere schützen.") folgte eine ruhige, sachliche Auseinandersetzung, in der "Bild"-Mann von Schönenburg zwar zweifelte, aber für Argumente empfänglich war. Und besonders für einen gelungenen Vergleich von SZ-Redakteur Werner Bartens: Der Pandemie würde er begegnen wie einer Bergtour mit Lawinengefahr – viele kleine Vorsichtsmaßnahmen minimieren das Risiko, lassen es aber nie ganz verschwinden.

Wer es so angeht, kann auch etwas entspannter diskutieren: "Es gibt an jedem einzelnen Punkt etwas zu kritisieren, selbst an der Maskenpflicht", meint Bartens. "Aber wir müssen uns von diesem deutschem Perfektionismus verabschieden, dass wir denken: Eine Maßnahme, und dann haben wir es im Griff."

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Besser als Chris Wallace. Wobei, so fair muss man sein, Maischberger hatte es trotz aller Hitzigkeiten mit Williams vs. Weinberg um Einiges leichter als der erfahrene Fox-News-Moderator mit Trump vs. Biden.

Nur eine Tasse hätte Maischberger an diesem Abend im Schrank lassen sollen: Etwas unvermittelt griff sie einen Ausschnitt aus einer Söder-Pressekonferenz auf, in der Bayerns Ministerpräsident aus einer "Game of Thrones"-Tasse trinkt, die ihren Schriftzug von "Winter is coming" zu "Winter is here" ändert. "Welches Signal setzt er damit?", wollte Maischberger wissen. Ähm … vielleicht, dass er bei nächster Gelegenheit auf einem Drachen vor der Staatskanzlei von Armin Laschet einreitet, um die K-Frage zu klären? Vielleicht schaut er aber auch einfach nur gern "Game of Thrones", wer weiß.

Das ist das Ergebnis

Es klingt so einfach: Alle halten sich an die AHA-Regeln, und es braucht keinen zweiten Lockdown. Nein, so glatt läuft es natürlich nicht. SZ-Redakteur Bartens zieht die regelmäßige Umfrage der Uni Erfurt heran, die eine gewisse Corona-Müdigkeit erkennen lässt. Immer mehr Menschen würden so tun, als gäbe es den Virus nicht mehr, "das ist wie kindlicher Trotz", sagt Bartens.

Diesem Trotz will die Regierung mit Strafen beikommen – 50 Euro soll es kosten, wenn Gäste in Restaurants und Kneipen nicht ihren richtigen Namen angeben. Wie das durchgesetzt werden soll, kann aber auch Malu Dreyer nicht erklären – man könne ja als Wirt das Ordnungsamt rufen, sagt sie.

Also gehen bald Ordnungshüter von Tisch zu Tisch und prüfen, ob die Namen in den Listen mit den Ausweisen zusammenpassen? Und was passiert, wenn einige Übermütige auf den guten alten Studententrick zurückgreifen und die Anwesenheitsliste einfach verschwinden lassen?

Vielleicht liegt die Lösung ja auch woanders – im verantwortungsvollen Konsum, jüngst vorgeschlagen von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, der ganz im Sinne dieser "Maischberger"-Sendung den neuen deutschen Corona-Pragmatismus auf eine Formel gebracht hat: Bier geht in Ordnung, aber man kann ja vielleicht mit dem Schnaps ein bisschen vorsichtiger sein.

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