Bei "Hart aber Fair" ging es am Montagabend (18.) um die Aufarbeitung der Corona-Pandemie. "Wir haben noch nicht richtig geheilt", war sich eine Medizinethikerin sicher. Während Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an einer Stelle zugab: "Wir haben es einfach nicht hinbekommen", war er an anderer Stelle knallhart und teilte gegen die FDP aus: "Beispielloser Verrat".

Eine Kritik
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Anfang April 2023 wurde die Pandemie offiziell für beendet erklärt. Doch viele Menschen spüren die Auswirkungen von drei Jahren Corona noch heute: Weil sie einen Angehörigen verloren haben, unter Long Covid leiden oder die Pandemie wirtschaftlich nicht überstanden haben.

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Das ist das Thema bei "Hart aber Fair"

Der Titel von Louis Klamroths Sendung lautete: "Das Corona-Trauma: Was hat die Pandemie mit uns gemacht?" Im Anschluss an die ARD-Medizin-Doku "Hirschhausen und der lange Schatten von Corona" bilanzierte er mit seinen Gästen die bisherige Aufarbeitung der Pandemie. Es ging um Fragen wie: "Wie groß ist die gesellschaftliche Wunde noch, was fehlt noch in der Aufarbeitung?", aber auch um vergangene Fehler und die Mitschuld der Politik.

Das sind die Gäste

  • Eckart von Hirschhausen: "Wir hatten nicht nur eine Pandemie, sondern auch eine Infodemie", so der Wissenschaftler. Die Impfung habe sehr gut vor schweren Verläufen und weniger gut vor Übertragung geschützt. Falschaussagen und KI-Fakes im Netz seien besonders gefährlich. "Hätten wir in den 1960er-Jahren Social Media schon gehabt, dann gäbe es noch immer Polio und Pocken", sagte er.
  • Karl Lauterbach (SPD): "Wir haben keine Heilung für Long Covid. Das betrifft sehr viele Kinder", sagte der Gesundheitsminister. Zum jetzigen Zeitpunkt hätten diese Menschen keine Perspektive. Deutschland sei aber besser durch die Pandemie gekommen als viele andere Länder. "Wären wir weniger vorsichtig gewesen, wären noch mehr Menschen gestorben oder hätten jetzt Long Covid. Das wäre unverantwortlich gewesen", bilanzierte er.
  • Alena Buyx: "Wir haben noch nicht richtig geheilt. Die Wunde scheint gesellschaftlich noch offen", war sich die Medizinethikerin sicher. Es sei wichtig, in den Blick zu nehmen, was man Positives aus der fürchterlichen Zeit gewinnen könne. In der politischen Aufarbeitung habe man noch eine jahrelange Arbeit vor sich. "Es war eine unglaubliche gesellschaftliche Leistung", erinnerte sie.
  • Klaus Stöhr: "Man macht in einer Pandemie viele Dinge, die vielleicht noch nicht wissenschaftlich fundiert sind", so der Epidemiologe. Er hätte sich aber gewünscht, dass während der Pandemie mehr begleitende Forschung und Evaluierung stattgefunden hätte. Die Frage, wie man mit der Aufarbeitung umgehe, habe auch eine wirtschaftliche Dimension. Die Aufbewahrung der Masken koste beispielsweise hunderte Millionen.
  • Heribert Prantl: Der Autor und Kolumnist der "Süddeutschen Zeitung" ärgerte sich: "Es mussten im Prinzip alle Grundrechte beiseite springen, wenn behauptet wurde, dass bestimmte Maßnahmen dem Gesundheitsschutz dienen." Es brauche eine echte Aufarbeitung. Es sei in den 75 Jahren nie so massiv in die Grundrechte eingegriffen worden, wie während der Pandemie.
  • Melanie Eckert: Die Psychologin und Gründerin eines Krisen-Chats für Jugendliche sagte: "Gerade für Kinder und Jugendliche waren die Maßnahmen rückblickend oft zu belastend." Die besondere Lebensphase brauche Struktur und soziale Kontakte, worauf nicht genug geachtet worden sei.
  • Elena Lierck: Die Mutter einer Long-Covid-Patientin berichtete: "Vor einem Jahr hat meine Tochter gestrahlt und gesagt: ‚Ich will natürlich sofort in die Schule‘. Jetzt merkt sie jedes Jahr, dass ihre Kräfte jeden Tag schwinden." Man habe ihrer Tochter beispielsweise vorgeworfen, sie würde sich ihre Symptome einbilden, habe einfach keine Lust auf Schule, oder es liege an der überfürsorglichen Mutter, so Lierck. Man begegne immer noch viel Unverständnis.

Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber Fair"

Der Moment des Abends hatte nur am Rande mit der Pandemie zu tun. Lauterbach äußerte seine Befürchtungen, dass es unter einem Präsidenten Trump künftig zu Rückschritten in der Covid-Forschung kommen könnte. Klamroth sagte daraufhin: "Rückschritte gab es in letzter Zeit in der Ampel-Regierung auch, die letztendlich zerbrochen ist. Es gab Recherchen der Zeit, die zeigen, dass die FDP schon monatelang auf einen Koalitionsbruch hingearbeitet hat" und wollte wissen, ob Lauterbach nochmal mit der FDP und Lindner zusammenarbeiten würde.

Lauterbach redete nicht lange um den Brei herum: "Nein", sagte er sofort. "Das ist ein beispielloser Verrat. Ich hätte wirklich bis zum Schluss nicht gedacht, dass sowas von langer Hand geplant war", sagte er. Grüne und SPD hätten gekämpft, um das Problem zu reparieren und nicht geahnt, dass es von der FDP zur gleichen Zeit schon sabotiert worden sei. "Das führt dazu, dass man mit so einer Partei nicht regieren sollte. Und ich muss offen sagen, ich könnte damit leben, wenn die FDP es nicht schaffen würde, in den Bundestag zu kommen", äußerte er seinen Unmut.

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Das ist das Rede-Duell des Abends

Er habe sich immer intensiv für eine Aufarbeitung der Corona-Beschlüsse eingesetzt, bekräftigte Lauterbach. "Wir haben es einfach nicht hinbekommen, weil die FDP einfach nicht kompromissbereit gewesen ist", argumentierte er. Stöhr rief dazwischen: "Jetzt schieben Sie das doch nicht auf die FDP." Lauterbach fuhr unbeirrt fort: "Es wird mit das Erste sein, was eine neue Bundesregierung der Bevölkerung schuldet." Statt gegenseitiger Anschuldigungen und Missverständnisse müsse die Gesellschaft wieder zusammengeführt werden.

So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Was Klamroth gelang: Er zeigte sich empathisch und bekam eine gute Mischung zwischen "Blick nach vorn" und "Blick zurück" hin. Er fragte beispielsweise: "Haben wir die Pandemie rückblickend gut überstanden?" oder "Teilt sich die Gesellschaft heute in die, die sich vergessen leisten können und die, die das nicht können?". Einzig zu Beginn der Sendung hätte es mehr Einordnung bedurft: Warum jetzt noch mal über Corona reden? Warum ist das Thema noch relevant und diskussionswürdig? Dann hätten sich die Zuschauer, die die ARD-Doku im Vorfeld nicht gesehen hatten, sicher besser abgeholt gefühlt.

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber Fair"

Lauterbach hielt fest: "Im Nachhinein wäre die Impfpflicht nicht nötig gewesen." Die Runde war sich einig: Es war ein Fehler, Impfpflicht-Gegner oft pauschal als Impf-Gegner darzustellen. Besonders die Jugendlichen hätten eine "unerwiderte Solidarität" erbracht. Man müsse nun fragen: "Was sind die Boomer den Jugendlichen schuldig?" Wichtig waren auch die Hinweise: Es warten mit Sicherheit neue Pandemien und auch heute erhöhen wiederholte Infektionen noch das Long-Covid-Risiko.

Verwendete Quellen

  • ARD: "Hart aber Fair" vom 18.11.2024
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