Große oder kleine Räder drehen? Die Diskussionsteilnehmer in "Pro und Contra" können sich nicht einigen, wie tiefgreifend Veränderungen sein müssten, um Klima und Umwelt nachhaltig zu schützen. Die Debatte zerfasert.

Mehr aktuelle News

Rotwein, Fleisch, Tank-Tourismus, Postwachstums-Gesellschaft, Smog in China und Wälder in Borneo: Statt über den 21. Klimagipfel in Paris zu sprechen, hat sich die "Pro und Contra"-Runde diesmal ordentlich verzettelt - rund um die Frage "Ist die Welt noch zu retten?".

Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) und der Vize-Generalsekretär der Industriellenvereinigung Peter Koren zeigten sich optimistisch und stolz auf Österreichs Leistungen beim Klimaschutz. Grünen-Chefin Eva Glawischnig und Ökologe Ulrich Eichelmann waren kritischer – ein breites Umdenken sei vonnöten, nicht das Drehen an kleinen politischen Rädchen.

Was sucht der Rotwein bei der Klima-Diskussion?

Rotwein trinkt man auch in Frankreich gern, doch der lockere Einstieg von Moderator Thomas Mohr entfernte die Diskussion eher vom eigentlichen Thema.

Zwei Flaschen Merlot – der eine aus Österreich der andere aus Südafrika, beide im Verkauf für den gleichen Preis. Wie viel teurer müsste der weit gereiste afrikanische Wein sein, um die Verbraucher zum Umdenken zu bewegen und auf klimaschonende heimische Produkte zu bringen? Keiner der Gäste wollte sich richtig auf dieses Gedankenspiel einlassen.

So ging es im ersten Drittel des Abends weiter: Viele Faktoren wurden aufgeworfen und mit den zu erwartenden Inhalten der jeweiligen Vertreter unterlegt.

Ministerium und Wirtschaft im Einklang

Umwelt- und Landwirtschaftsminister Rupprechter appellierte an die Eigenverantwortung der Österreicher, wenn es darum geht, zu regionalen, umweltschonenden Produkten – egal ob Wein oder Fleisch – zu greifen.

Fast beleidigt reagierte der Minister auf die Vorwürfe der Veganen Gesellschaft Österreich aus dem Publikum: In seinem Ministerium gebe es keinen Interessenskonflikt zwischen Umwelt und Landwirtschaft, es sei eine durchweg positive Zusammenarbeit. Und mit 20 Prozent Biobauern-Anteil stehe Österreich im internationalen Vergleich außerdem sehr gut da.

Wichtiger schien ihm in diesem Gespräch die Abkehr vom fossilen Verkehr hin zu alternativen Antriebssystemen wie Elektromobilität – ganz die Linie von Industrie-Vertreter Koren, der die Arbeitnehmer außerdem gern im Homeoffice unterbringen will, um den Verkehr zu reduzieren. Hauptsache, der Autofahrer werde nicht noch mehr besteuert, forderte der Pressesprecher des ARBÖ.

Verbraucher, Öl und das gute Gewissen

Die Grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig spannte ihren inhaltlichen Bogen von umweltbewussten Verbrauchern, die für ihre Einstellung mit zu hohen Preisen bestraft werden, bis zu kriegerischen Konflikten um die Öl-Ressourcen.

"Die Abhängigkeit von Öl heißt im Wesentlichen die Abhängigkeit von Regimen, die was Menschenrechts-Standards anbetrifft, unterirdisch sind", sagte Glawischnig.

Dokumentarfilmer und Umweltaktivist Ulrich Eichelmann schweifte ebenfalls in die Ferne: In Borneo würden Wälder gerodet für Bio-Diesel, in Brasilien Zuckerrohr-Plantagen nur für die Herstellung von Ethanol-Produkten gebraucht.

"Wir vernichten Natur und Existenz von Menschen woanders und haben hier ein gutes Gefühl." Schuld ist in Eichelmanns Augen unter anderem die Philosophie des ständigen Wachstums.

Deutsche Kritik an österreichischen Firmen

Erst beim Thema "Umweltsünden österreichischer Firmen im Ausland" kam die Diskussion richtig in Fahrt und fand ihren emotionalen Höhepunkt, als Andrä Rupprechter die Umweltpolitik Österreichs nicht vom Deutschen Eichelmann kritisiert sehen wollte.

"Deutschland ist der größte Klimasünder schlechthin", monierte Rupprechter. Eichelmann hielt dagegen, österreichische Firmen seien keine Vorbilder, sondern würden laschere Gesetze im Ausland für Raubbau an der Natur nutzen: "Hier wird immer wieder versucht, Naturzerstörung als Klimaschutz zu verkaufen".

Das ließ der Minister nicht auf Österreich sitzen und erläuterte, warum das Land sich durchaus als Klima-Vorreiter bezeichnen könne. Unter anderem werfe der Bericht der europäischen Umweltagentur ein falsches Licht auf die aktuellen Bilanzen, denn wichtige Maßnahmen habe die Regierung erst später fixiert.

Nach seiner Aussage kann Österreich als Vorbild gelten und in Paris ganz zurecht von anderen Ländern Änderungen ihrer Klimapolitik fordern – und diese Änderungen sind entscheidend, wenn europäische Länder wettbewerbsfähig bleiben wollen.

Welche Räder müssen sich nach Paris drehen?

Im letzten Teil der Diskussion gab es einen ungelenken Abstecher zu der sogenannten "Zivilgesellschaft", die im Studio durch zwei Aktivisten repräsentiert wurde – beim Klimagipfel jedoch angeblich keine Lobby hat.

Rupprechter widersprach und verwies auf den Nachhaltigkeitsgedanken, den seine Delegation inklusive Vertretern aus Nicht-Regierungsorganisationen vertrete.

Seine Erwartung an den Klimagipfel: "Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir Ende nächster Woche ein international verbindliches Abkommen haben, das wir dann als Startpunkt umsetzen müssen."

Glawischnig ergänzte: "Es müssen alle mit an Bord sein, das ist die Grundvoraussetzung." In der Politik müsse man die kleinen Rädchen drehen, doch die große Transformation sei nur durch einen breiten gesellschaftlichen Diskurs zu erreichen.

Eichelmann blieb bis zuletzt unversöhnlich: "Mir fehlt insgesamt die Diskussion über das große Rad, wenn wir so weiter leben, könnt ihr drehen, was ihr wollt an den Schrauben, dann wird es weder den Klimawandel stoppen noch die immense Naturzerstörung."

Das Schlusswort durfte der Wirtschaftsvertreter Koren sprechen, der sonst kaum durch relevante Statements auffiel: "Paris ist dann ein Erfolg, wenn alle Weltregionen vergleichbare Ziele verbindlich unterschreiben."

Europa verursache schließlich nur 10 Prozent der Weltemissionen, deshalb komme man nur gemeinsam ans Ziel - und wenn nötig mit Sanktionen.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.