Bei "Markus Lanz" (ZDF) war am Mittwochabend unter anderem das milliardenschwere Finanzpaket von Union und SPD großes Thema. Grünen-Chefin Franziska Brantner kritisierte Friedrich Merz dabei mit deutlichen Worten – in einem Punkt wurde sie emotional.
CDU-Chef
Das Thema der Runde
Friedrich Merz will künftig auf gigantische Schulden in Billionen-Höhe setzen. Aufgrund mehrerer globaler Bedrohungen beteuert Merz, dass die finanzpolitische Kehrtwende notwendig sei, um unter anderem in die eigene Verteidigung zu investieren und gleichzeitig die Wirtschaft anzukurbeln.
ZDF-Moderator Markus Lanz nahm dies zum Anlass und analysierte am Mittwochabend nicht nur die jüngsten Koalitionsverhandlungen von Union und SPD, sondern auch das Verhandlungsgeschick des CDU-Chefs. Gleichzeitig wagte Lanz einen Blick nach Istanbul, wo der örtliche Bürgermeister Imamoglu verhaftet wurde.
Die Gäste
- Die Grünen-Vorsitzende
Franziska Brantner stichelt gegen Friedrich Merz: "Entweder kann er die Realität nicht richtig analysieren, oder er hat die Wähler getäuscht." - Journalist Michael Bröcker sieht die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD kritisch: "Diese schwarz-rote Koalition hat jetzt einen richtig fetten grünen Anstrich bekommen."
- Autor
Deniz Yücel spricht über die Verhaftung des Bürgermeisters Imamoglu: "Die Grenze von der Autokratie zur Diktatur ist jetzt überschritten." - Nahostexperte Guido Steinberg warnt vor einer Eskalation in der Türkei: "Was dort passiert, hat dramatische Auswirkungen auf Syrien, auf Israel, auf Palästina, auf den Nord-Irak."

Das Wortgefecht des Abends
Bei "Markus Lanz" echauffierte sich Franziska Brantner vor allem über CDU-Chef Friedrich Merz, der sich laut der Grünen-Vorsitzenden an die Macht gelogen hat, weil er nun Dinge tun müsse, die er vorher kategorisch ausgeschlossen habe. "Ist es zutreffend, dass jetzt noch mehr Geld im Raum steht plötzlich?", wollte Markus Lanz wissen. Journalist Michael Bröcker nickte: "Die nächsten 500 Milliarden stehen in den Arbeitsgruppen-Papieren der 16 Arbeitsgruppen verteilt über alle politischen Felder."
Eine Zahl, die den ZDF-Moderator schockierte: "Noch mal 500 Milliarden?!" Michael Bröcker reagierte prompt: "Da sieht man eben leider, dass wenig Strategie in dieser werdenden großen Koalition bei den Verhandlungen stattgefunden hat. Kleine Ambitionen in den Papieren, aber große, markige Sprüche vorab. Ich bin entsetzt ehrlicherweise über das, was da teilweise steht." Lanz hakte irritiert nach: "Nämlich?" Bröcker erklärte: "Finanzen, Haushalt, (...) da ist alles blau und rot (...) – also alles nicht geeint." Der Journalist wetterte weiter: "Was fehlt in dieser Koalition bisher, ist eine Mentalitätswende. Sie haben noch gar nicht verstanden, dass sie etwas Großes leisten müssen."

Eine Steilvorlage für Franziska Brantner, die die Gunst der Stunde nutzte, um die gescheiterte Ampel-Koalition zu loben: "Wir hatten am Anfang wenigstens eine Idee für dieses Land. Wir wollten wirklich Modernisierungen haben." Michael Bröcker hielt jedoch entschieden dagegen: "Die große Strukturreform bei der Ampel habe ich jetzt auch noch nicht gesehen!" Davon ließ sich die Grünen-Vorsitzende jedoch nicht beirren. Sie kritisierte stattdessen das geplante Finanzpaket der Union und SPD: "Wenn man einfach nur Geld nimmt und es in die gleichen Strukturen steckt, das ist doch echt das Problem!"
Brantner weiter: "Jetzt haben die richtig viel Geld, schaffen aber keinerlei Strukturreform – schaffen nicht, dass wir digitaler werden, dass wir schneller werden. Und dann geht dieses Geld einfach nur in irgendwelche Geschenke, die man dann noch irgendwie sich ausgedacht hat. Und dann kommen wir als Land wirklich nicht voran und das ist meine große Sorge." Die Politikerin redete sich in Rage: "Ich kann doch nicht zusehen, wenn jemand 500 Milliarden (...) aufnimmt und dann investiert in Pendler-Pauschale, (...) aber nicht in einen Kilometer mehr sanierte Deutsche Bahn. Das geht doch nicht! Ich kann doch nicht meiner Tochter sagen, du zahlst mal die Schulden dafür, dass ich heute billiger ins Restaurant gehen kann. Das ist doch grob unfair!"
Die Offenbarung des Abends
Nach der Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu fanden in der Türkei die größten Proteste seit zwölf Jahren statt. "Was spielt sich da gerade ab in den Straßen von Istanbul?", wollte ZDF-Moderator Markus Lanz wissen. Deniz Yücel, der vor sieben Jahren im selben Gefängnis wie der Istanbuler Bürgermeister einsaß, stellte klar zunächst klar, dass Imamoglu für viele Demonstranten "zum Symbol geworden" sei – "ein Symbol für ein besseres Leben in einer besseren Türkei". Yücel weiter: "Gerade die Jungen, die protestieren für ihre eigene Zukunft."
Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte, warum Imamoglu als Person so prominent sei. Deniz Yücel erklärte daraufhin, dass Imamoglu "der einzige Politiker der Türkei" gewesen sei, "der es geschafft hat, Erdogan gleich dreimal zu schlagen". Laut Yücel sei die große Stärke des Istanbuler Bürgermeisters, dass er auch für Leute aus "ganz verschiedenen Milieus" wählbar sei. Doch genau das soll für ihn nun zum Verhängnis geworden sein: "Er ist eine Gefahr für Erdogan. (...) Es gab den politischen Willen, ihn auszuschalten und dafür wurden dann diese Ermittlungen angestrengt und man hat ihm irgendwas angedichtet. Er sitzt einzig deshalb im Gefängnis, weil Erdogan in ihm eine große Gefahr sieht."
Über die Korruptionsvorwürfe, die gegen Imamoglu erhoben wurden, sagte Deniz Yücel energisch: "Die Vorwürfe sind wirklich lachhaft! (...) Das ist ein mafiöses Regime, das Erdogan da installiert hat." Die Haftbegründung stütze "sich alleine auf die Aussagen anonymer Zeugen, die ihrerseits auch keine (...) belastenden Beweise vorlegen". Yücel weiter: "Diese Vorwürfe sind nicht nur konstruiert – sie sind auch wirklich erbärmlich, lausig, schlecht konstruiert." Aus diesem Grund warnte er, dass es lange dauern werde, "um die Trümmer dieses Regimes zu beseitigen", denn: "Das ist eine Verlumpung des Staates und seiner Einrichtungen."
Journalist Michael Bröcker stimmte nachdenklich zu: "Das ist echt eine Zeit der Autokraten gerade. (...) Da muss man jetzt einschreiten. Und dass Merz nichts sagt, ist erst mal aus meiner Sicht strategisch klug, weil er muss (...) zum Bundeskanzler gewählt werden." Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner nickte zwar, merkte jedoch auch an: "Es gibt Nachahmer, jeder fühlt sich jetzt gerade ermächtigt, auch die Demokratie eigentlich abzuschaffen. Und deswegen halte ich es auch für so einen zentralen Moment, dass die nächste Regierung hier wirklich sehr deutlich ist."
Der Erkenntnisgewinn
Bei "Markus Lanz" wurde einmal mehr deutlich, wie gebrechlich die politische Lage nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland zu sein scheint.
Der ZDF-Moderator wollte in dem Zusammenhang wissen, ob Friedrich Merz in Wahrheit ein schlechter Verhandlungsführer sei. Michael Bröcker nickte und offenbarte, dass es aus diesem Grund einen wachsenden Unmut in der Union gebe, denn: "Er hat den Verhandlungserfolg für seine Partei (...) bisher nicht nach Hause gefahren." Lanz fragte: "Was heißt das dann?"
Bröcker antwortete ehrlich: "Die Kanzler-Wahl ist erstmal nicht gesichert für Friedrich Merz." Mit Blick auf die Zukunft ergänzte er mahnend, dass Union und SPD von Tag eins "eine fragile Koalition, keine große" werden wird. © 1&1 Mail & Media/teleschau