Steht die erneute Präsidentschaftskandidatur von Joe Biden kurz vor dem Aus? Bereits seit Ende Juni mehren sich die Stimmen unter Top-Demokraten, die den Rückzug des US-Präsidenten fordern. Bei "Markus Lanz" (ZDF) erklärte US-Korrespondent Elmar Theveßen, warum er dieses Szenario trotz aller Kritik für unwahrscheinlich hält.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Die Bilder des Trump-Attentats gingen um die Welt, der US-Wahlkampf ist in vollem Gange. Während Donald Trump beim aktuellen Parteitag der Republikaner in Milwaukee seinen Vizepräsidentschaftskandidaten J. D. Vance vorstellte, machte US-Präsident Joe Biden öffentlich, dass er an Corona erkrankt ist. In seinem eigenen Lager gerät Biden wegen mehrerer desaströser Auftritte immer weiter unter Druck. Trotzdem scheint der 81-Jährige weiter an seiner Kandidatur festzuhalten.

Markus Lanz nahm dies zum Anlass, um unter anderem über potenzielle Folgen einer möglichen zweiten Trump-Präsidentschaft zu sprechen. Außerdem wagte er kurz vor den Landtagswahlen einen Blick nach Ostdeutschland.

Das sind die Gäste

  • Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent: "Hinter den Kulissen, so hört man, hat ein Denkprozess eingesetzt"
  • Linda Teuteberg, FDP-Politikerin: "Die Geschichte der Rentenungerechtigkeit Ost hat eine Vorgeschichte"
  • Robin Alexander, Journalist: "Die Ampel-Parteien haben in Wahrheit im Osten längst aufgegeben"
  • Werner Henning (CDU), Landrat a.D.: "Die Menschen im Osten wollen in Ruhe gelassen werden"
  • Steffen Mau, Soziologe: "In Ostdeutschland findet man häufig ein sehr passives Verhältnis zur Politik"

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Während des republikanischen Parteitags in Milwaukee stellte Donald Trump seinen US-Vizepräsidentschaftskandidaten J. D. Vance vor. ZDF-US-Korrespondent Elmar Theveßen erklärte dazu, dass Vance aufgrund seiner Herkunft eine Gruppe von Menschen anspreche, "die normalerweise Joe Biden gewählt hätte". Vance stehe laut Theveßen für die Arbeiterschicht und komme so bei vielen Wählern "sehr gut" an.

Journalist Robin Alexander warnte, dass die scheinbar freundliche Hülle von J. D. Vance nicht unterschätzt werden dürfe, denn: "Da kommt einiges auf uns zu!" Nicht nur der strenge Umgang mit Europa, sondern auch die eigene innenpolitische Härte machten Vance und Trump zu einem gefährlichen Duo.

Markus Lanz sprach in dem Zusammenhang vermeintliche Pläne zur "Massen-Deportation" im Land an. Daraufhin erläuterte Elmar Theveßen, dass Trump dies tatsächlich durchsetzen wolle, "egal, welches Recht oder Nicht-Recht die Betroffenen hätten, doch Asyl zu beantragen. Sie sollen in ihre Heimatländer zurückgeschoben werden". Die Reaktion von Robin Alexander fiel nüchtern aus: "Der Diskurs in Amerika ist ja auch nicht von heute auf morgen so geworden." Der Journalist ergänzte, dass Trump mit seiner Politik schon seit Jahren "Grausamkeit" und "Härte an der Grenze" propagiert habe.

Allerdings scheint sich in den USA eine "Trump-Euphorie" (Lanz) breitzumachen. "Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen irritiert darüber", gab der Gastgeber offen zu. Robin Alexander sagte dazu: "Erkennbar ist das Momentum ja bei ihm, weil Biden (...), der kommt ja kaum die Treppe hoch! Also die Bilder sind auf Trumps Seite." Mit Blick auf Europa fügte der Journalist hinzu: "Ich glaube, wenn dieser Trump-Hype anhält, dann wird man auch in Deutschland sehen, dass Leute da ihre Nadeln ein bisschen neu ausrichten."

Ein willkommener Anlass für Lanz, den holprigen Wahlkampf von US-Präsident Joe Biden zu thematisieren. Der ZDF-Moderator fragte offen, ob Bidens aktuelle Corona-Erkrankung möglicherweise "eine Exit-Chance" für den Demokraten sei. Elmar Theveßen nickte: "Ich glaube, dass einige darüber nachdenken." Laut des Korrespondenten sollen bereits viele hochrangige Demokraten versucht haben, Biden ins Gewissen zu reden: "Hinter den Kulissen, so hört man, hat ein Denkprozess eingesetzt."

Dennoch merkte Theveßen an, dass er "die Chance nicht so riesengroß" einschätze, dass Biden zurücktreten wird, "weil man steht unter massivem Zeitdruck. Das muss in wenigen Tagen entschieden werden." Auch Robin Alexander sah dies ähnlich und konnte keinen würdigen Nachfolger von Biden nennen: "Je länger man darüber nachdenkt, desto mehr Sorgen kann man sich machen."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Mit Blick auf die wachsende Unzufriedenheit im Osten des Landes stellte der ehemalige Landrat in Thüringen, Werner Henning (CDU), klar, dass sich nach der Wende bei vielen zunächst ein Gefühl der "Freiheit" breit gemacht habe. Die Welt heute sei zwar keine andere, es seien jedoch mehr Aspekte hinzugekommen. "Die Politik funkt sehr stark in unsere Erwartungshaltung hinein", so Henning. Er ergänzte, dass der Osten in vielen Bereichen "viel mehr Umsetzung" von der Politik "für unser Lebensgefühl" erwarte. "Diese Hörfähigkeit unserer Themen vor Ort, die ist geringer geworden", klagte der CDU-Kommunalpolitiker an.

Soziologe Steffen Mau stimmte dem zunächst zu und sagte, das Gefühl vieler Ostdeutscher sei: "Wir haben jetzt nicht mehr ganz so viel zu sagen, wie in dieser kleinen, selbstorganisierten DDR." Mau weiter: "In Ostdeutschland findet man häufig ein sehr passives Verhältnis zur Politik. Es findet sich auch sowas wie so ein Fruststau oder so eine Unmutskultur. (...) Und es hat sich, glaube ich, weniger so eine Mitwirkungsdemokratie entwickelt." Laut Mau haben viele Parteien zudem weniger Mitglieder im Osten und seien daher "viel weniger in der Lage, auch bestimmte Konflikte und Stimmungen zu absorbieren und in das politische System hineinzubringen".

In Bezug auf die starken Wahlergebnisse der AfD im Osten des Landes während der Europawahl warnte FDP-Politikerin Linda Teuteberg jedoch davor, sich nur auf das rechte Spektrum zu fokussieren, denn man müsse ein "bisschen genauer hinschauen". Als Markus Lanz die kommenden Landtagswahlen im Osten ansprach und nach einer Prognose fragte, sagte Werner Henning knapp: "Ich schaue auf die Mitte." Der ZDF-Moderator konterte: "Aber in der Mitte ist nicht mehr so richtig viel los." Henning erklärte daraufhin: "Unter der Mitte verstehe ich eben die Parteien, die im Moment im demokratischen Spektrum sind. Und dazu zähle ich auch die Linke." Kürzlich hatte CDU-Parteichef Friedrich Merz erst eine Koalition mit der Linkspartei ausgeschlossen.

Die AfD gehöre laut Henning nicht zur Mitte, "aber ich tue mich natürlich auch ausgesprochen schwer mit dem 'Bündnis Sahra Wagenknecht', weil ich im Moment keine Ansätze sehe, dass man eben auch kompromissfähig in die Welt hineingeht, (...) wo wir Lösungen finden müssen im Alltagsgeschäft." Linda Teuteberg reagierte nachdenklich: "Die Leute interessiert in erster Linie nicht, was alles nicht geht. Sondern was wären Gestaltungsoptionen, was sind politische Angebote."

Robin Alexander wollte dies nicht unkommentiert lassen: Der Aufschwung der AfD verhindere "den Wechsel in der Mitte. Und darauf setzt die AfD auch. (...) Die sagen: 'Wir müssen so stark werden, dass die CDU nur mit den Grünen regieren kann. Und dann wird die CDU nicht mehr das machen können, was aus ihrer Sicht richtig ist'." Teuteberg nickte: "Das ist die Falle, weil sie kriegen dadurch die Veto-Macht. (...) Das ist aber auch eine Falle für unsere politischen Debatten."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz schaffte es am Donnerstagabend, die Brücke zwischen dem Präsidentschaftswahlkampf in den USA und der politischen Lage in Ostdeutschland zu schlagen. Ihm fehlte dabei jedoch die Zeit, näher auf den Besuch von CDU-Politiker Jens Spahn in Milwaukee einzugehen.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Unter anderem debattierten die Gäste bei "Markus Lanz" über die Vorurteile, die vielen Menschen im Osten des Landes entgegengebracht werden. Mit Blick auf Asylbewerber und ausländische Fachkräfte stellte Werner Henning klar: "Es wird mir zu sehr das Bild gezeichnet, dass der Osten eben generell da resistent sei. Das stimmt so nicht. Man sucht Menschen, die sich einbringen."

Teuteberg relativierte dies mit der Aussage: "Es gibt auch Menschen, die fremdenfeindlich sind und es gibt auch Probleme." Dennoch fügte die FDP-Politikerin hinzu: "Es gibt auch viele Menschen in Ostdeutschland, die wissen ganz genau (...), dass wir Zuwanderung brauchen - auch auf unseren Arbeitsmarkt." Diese Menschen würden jedoch auch erkennen, "dass das kein Vorwand sein darf, für unkontrollierte, beliebige, illegale Migration".  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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