Sind wir zu tolerant gegenüber Islamisten? Wenn es nach der bekannten Feministin Alice Schwarzer geht, dann ja. In einer Sonderausgabe der Puls 4-Sendung "Pro und Contra" am Montag diskutierten darüber die deutsche Autorin, der österreichische Politologe und Islamexperte Thomas Schmidinger sowie Ruth Brauer-Kvam, Schauspielerin mit israelischen Wurzeln.
Im Fokus standen einmal mehr die Vorfälle zum Jahreswechsel in Köln. Schon kurz nach dem Ereignis sprach
Widerspruch erntete die Herausgeberin der Zeitschrift "Emma" von Thomas Schmidinger. Der gebürtige Vorarlberger, der als Islamexperte u.a. an der Uni-Wien lehrt, sieht eine Gefahr darin, alles in einen Topf zu werfen. In seinen Augen wisse man nach wie vor zu wenig über die tatsächlichen Abläufe in Köln.
Dass es in den Herkunftsländern einiger Flüchtlinge Sexismus Teil des Alltags ist, bestritt er nicht, doch er mahnte zur Vorsicht. Man dürfe nicht pauschal alle Länder und ihre Bürger verurteilen, denn die Ausprägung des Sexismus sei in den verschiedenen nahöstlichen Gesellschaften und Kulturkreisen unterschiedlich. Schmidinger: "Es werden hier Themen miteinander vermischt, die nichts miteinander zu tun haben."
"Wir müssen genauer hingucken, wer zu uns kommt"
Mit den umsichtigen Argumenten Schmidingers konnte Schwarzer wenig anfangen: "Natürlich kommen die Flüchtlinge aus Ländern, wo Frauen völlig entrechtet sind. Die Gewalt gegen Frauen und Kindern ist in diesen Kulturen verankert. Für mich sind Islamisten ein Schwarm von arbeitslosen und frustrierten Männern, die vom politischen Islam verführt werden. Männer, die daran glauben, dass andere unrein sind."
Mit solchen Aussagen polarisiert die Vorzeige-Feministin. Immer wieder wird sie auch von rechten Parteien zitiert. So auch von der FPÖ. In ihren Augen ein Übel, das man als Person, die in der Öffentlichkeit steht, nicht verhindern könne.
Mit Rechtspopulismus und rechtem Gedankengut habe sie, wie sie immer wieder betont, als Feministin naturgemäß nichts zu schaffen. Im Gegenteil. Schwarzer begrüßt die Politik der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie finde es großartig, dass sich eine Kanzlerin nach 1945 von so einer Generosität zeige. Doch sie will auch vor blinder Fremdenliebe warnen: "Wir müssen genauer hingucken, wer zu uns kommt."
Islamisten und Nazis sind sich ähnlich
Schmidingers Antwort darauf: "Natürlich kommen viele Menschen zu uns, die keine Perspektive haben. Aber solche Männer haben wir hierzulande auch. Das sind jene, die gegen Flüchtlinge vorgehen. Auch darunter sind Männer ohne Bildung und Perspektiven, die Gewalt gegen Frauen verherrlichen."
Ein ganz anderes Problem beschäftigt Ruth Brauer-Kvam. Für die Schauspielerin gibt der zunehmende Judenhass Anlass zur Sorge. Dieser wird nicht nur von Rechtsradikalen sondern auch von Islamisten befeuert. Trotzdem warnt sie vor einer übertriebenen Panik. In den Wahnsinn treiben lassen dürfe man sich nicht. Man müsse akzeptieren, dass wir vor einer riesigen gesellschaftlichen Veränderung stehen.
Kopftuch kein religiöses Symbol
Welchen Platz religiöse Symbole in der neuen Gesellschaft einnehmen sollen oder nicht, darüber schieden sich in der Diskussionsrunde lautstark die Geister. Als Carla Amina Baghajati, Medienreferentin der Islamischen Glaubensgemeinschaft, forderte, man solle Musliminnen selbst überlassen, ob sie Kopftuch tragen oder nicht, reagierte Schwarzer energisch. Zwar finde sie, so wie Baghajati, nicht, dass das Kopftuch ein religiöses Symbol sei, doch habe es nichts im Staatsdienst oder in einer Schule verloren.
So sieht das auch Brauer-Kvam: "Ich bin generell gegen religiöse Symbole in Schulen und Kindergärten. Ich wäre schon froh, wenn die Lehrerin meiner Tochter nicht religiös ist."
Problemkindergärten in Wien: Mehr Qualitätskontrollen gefordert
Dass eventuell Kindergärten an einer Radikalisierung von Muslimen bereits in jungen Jahren mit Schuld seien, bestreitet Schmidinger: "Nicht jeder Kindergarten, der von einem Muslim betrieben wird, ist ein islamischer Kindergarten. Ich halte es für sehr fraglich, ob Kinder überhaupt politisch indoktrinierbar sind. Ich kenne keine Fünfjährigen, die eine politische Position haben. Aber natürlich kann man Kinder durch schlechte Pädagogik beeinflussen und sie später anfälliger für totalitäre Ideologien machen. Deswegen braucht es eine stärkere Kontrolle von allen Kindergärten."
Verweigerung des Handgebens ein Zeichen des Respekts
Auch die Weigerung vieler Männer, Frauen die Hand zu geben, stellt für den Uni-Vortragenden kein Problem dar. Das Nicht-Handgeben sei in gewissen Kulturkreisen sogar ein Zeichen des Respekts gegenüber Frauen, ließ Schmidinger wissen. Unterstützung bekam er von Brauer-Kvam: "Auch orthodoxe Jüdinnen geben Männern nicht die Hand. Doch wir sollten uns nicht darauf aufhängen. Integration funktioniert nur Schritt für Schritt. Wenn man den Männern, die tatsächlich einer Frau keine Hand geben wollen, langsam beibringt, wie das bei uns läuft, wird das besser funktionieren, als mit Kritik."
Tarafa Baghajati, Obmann der "Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen", der im Publikum saß dazu: "Ich gebe jeder Frau die Hand. Wenn Männer etwas nicht machen, heißt es nicht gleich, dass die Frauen unrein sind."
Feminismus im Islam nicht möglich
Unterm Strich wurde in der Sendung einmal mehr die Forderung laut, dass man auch über unliebsame Themen ohne rosarote Brille diskutieren müsse. Denn es sei fraglich, ob der Islam tatsächlich bereit ist, sich einer Reform zu unterziehen oder ob das muslimische Frauenbild je mit unserem übereinstimmen wird.
Geht es nach einer Zuseherin aus dem Publikum, dann eher nicht. Sie sprach dem Islam jegliche Offenheit ab und meinte: "Es wirkt nicht authentisch, wenn sich ein Moslem für Frauenrechte einsetzt. Denn Feminismus ist im islamischen Denken nicht möglich. Das islamische Denken ist anti-individualistisch."
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