65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Einige davon auf dem Weg nach Europa, nach Österreich und Deutschland. Doch Österreich macht die Grenzen dicht. Aber auch für die Menschen, die bereits hier sind, wird es zunehmend schwieriger Fuß zu fassen.
Haben Asylwerber in Österreich überhaupt eine Chance auf Integration? Geht es nach Grünen-Chefin
In einer Spezialsendung von "Pro und Contra" anlässlich des Weltflüchtlingstags am Montag, diskutierte Glawischnig mit Innenminister
Sobotka: Österreich kann nicht Los der EU tragen
Dem widerspricht der Innenminister vehement: "Wenn bekannt wird, dass man in Österreich sofort einen Job findet, kommen alle ins Land." Er kritisiert, Asylwerber könnten sich aussuchen, in welches Land sie wollen. Es sei ungerecht, Österreich an den Pranger zu stellen. Ein einzelner Nationalstaat könne nicht das Los der gesamten EU tragen.
Ja, die EU habe verschlafen, gemeinsame Politik zu machen, sagt auch Glawischnig. Sie fordert aber eine Abkehr von der Politik der Abschottung hin zu einer lösungsorientierten Gesellschaft. Die 15 Millionen Euro für die Entwicklungszusammenarbeit bezeichnet sie als "viel zu wenig, im Vergleich zu den Ausgaben für das Militär".
Notstandsverordnung sorgt für Kritik
Kritik an der aktuellen Flüchtlingspolitik kommt auch von der Andrea Eraslan-Weninger, Geschäftsführerin des Integrationshauses. In ihrer Funktion hat sie täglich mit Asylwerbern und Problemen bei der Integration zu tun.
Sie ortet eine extreme Verschärfung aller Regelungen, um Österreich unattraktiv zu machen: "Integration wird aktuell verhindert. Vor allem durch die Notstandsverordnung. Dabei ist gerade der Familiennachzug enorm wichtig für die Integration." An dieser übte auch Glawischnig heftige Kritik, da vor allem Kinder und Jugendliche davon betroffen seien.
"Man muss klarstellen, dass es keine Notstandsverordnung ist, sondern eine Verordnung zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit", widerspricht Sobotka. "Wenn ich mir die Arbeitslosenzahlen ansehe, haben wir alleine in Wien 12 Prozent Arbeitssuchende. Eine Situation, die eine zusätzliche Integration gar nicht zulässt."
10.000 Chancen: Privatinitiative will Jobs an Asylberechtigte vermitteln
Jemand, der es dennoch versucht ist Bernhard Ehrlich, Gründer von "10.000 Chancen", einem Projekt, das Asylberechtigten hilft am österreichischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Er kontert die von Sobotka geschilderten Version, wonach es schon hierzulande zu viele Arbeitslose gäbe.
Allein in der Hotellerie sei es enorm schwierig, neues Personal aus Österreich zu finden. Dabei handle es sich um Jobs, die Österreicher gar nicht machen wollen. Warum das so sei?
"Es gibt eine Verhinderungsmaschine in diesem Land, die heißt AMS. Ich treffe jeden Tag in den Flüchtlingsheimen Menschen, die täglich zum Arbeitsmarktservice gehen und keinen Job bekommen. Obwohl sie einen ordentlichen Rechtsstatus haben, Deutsch können und arbeiten wollen", sagt Ehrlich.
Glawischnig fordert Aufhebung der Gewerbeordnung
Sobotka begrüßt nach eigener Aussage jede einzelne Initiative, bleibt aber seinem Standpunkt treu, wonach der Österreichische Arbeitsmarkt schon schwierig genug sei. Der Forderung Glawischnigs, zumindest die Gewerbeordnung grundsätzlich zu überdenken, um die Selbständigkeit in Österreich attraktiver zu machen, erteilte er zumindest eine vage Zustimmung.
Glawischnig: "Ich weiß nicht, warum der Beruf des Schneiders nach wie vor reglementiert ist, während man Fallschirme ohne Gewerbe zusammennähen kann." Auf ihre Frage, warum es nicht möglich sei, Flüchtlingen einen einfacheren Zugang zum Arbeitsmarkt zu bieten, wenn man für die gleiche Stelle ohnehin keinen Österreicher finde, bleibt der Innenminister eine Antwort schuldig.
Debatte um die Obergrenze
Abgesehen von der wirtschaftlichen Thematik steht in der Puls-4-Diskussion auch das Thema der Obergrenze im Raum. Einer aktuellen Studie zufolge, die unter der Leitung von Flüchtlingskoordinator Christian Konrad durchgeführt wurde, sind in Österreich noch Tausende Plätze vorhanden.
Erich Fenninger, Geschäftsführer der Volkshilfe, sagt in der Sendung: "Wenn wir Integration wollen, braucht es verpflichtende Deutschkurse sowie Kompetenzchecks der Personen. Es würde noch mindestens 4.000 Plätze für Flüchtlinge geben. Ich finde es beschämend, dass die Abwehrhaltung im Vordergrund steht."
Sprachliche Abrüstung und die Suche nach dem Mittelweg
Eine sprachliche Abrüstung fordern sowohl Sobotka als auch Glawischnig. Die Grünen-Chefin erklärt, man dürfe die freiwilligen Helfer, die viel geleistet hätten, nicht als "Willkommensklatscher" abwerten. So sieht das auch Sobotka, warnt aber gleichzeitig davor, Flüchtlingsgegner ins rechte Eck zu drängen.
Die Suche nach einem Konsens geht auch nach dieser Diskussionsrunde weiter. Die politischen Gräben zuzuschütten, wie es der designierter Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach seinem Wahlsieg gesagt hatte, könnte sich als Sisyphusarbeit erweisen.
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