Träumte man nach dem Ende des Kalten Krieges noch von einer neuen Periode des Friedens, ist inzwischen längst klar: Der alten Weltordnung "Ost gegen West" ist eine neue Welt-Unordnung gefolgt. Welche Rolle hat Deutschland in dieser neunen Un-Ordnung? Darüber diskutierte Anne Will mit ihren Gästen. Die Antworten waren übersichtlich.
Pünktlich zum Abschluss der jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz kommt die Kunst der Internationalen Beziehungen auch bei "
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Diese Gäste diskutierten mit Anne Will:
Heiko Maas (SPD), Bundesaußenminister- Sevim Dağdelen (Die Linke), stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag
- Jürgen Trittin (Die Grünen), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss
- Georg Mascolo, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung"
- Constanze Stelzenmüller, Juristin und Publizistin, The Brookings Institution Washington D.C.
Darüber wurde bei Anne Will diskutiert:
Neue deutsche Außenpolitik
Mit einem Einspieler von
"Ich glaube, dass hier eine Konsequenz gezogen wurde, nach zwei Jahren des Wartens, als man dachte, man könne Trump aussitzen. Man hat jetzt erkannt: Das wird nichts. Es ist jetzt ein tatsächlicher Bruch, der da stattfindet. Deswegen muss man sich neu aufstellen, ohne dass man gleich alles abräumt", schätzt Jürgen Trittin Merkels Politik ein.
Für Heiko Maas ist die Rede eher eine Fortsetzung der bisherigen Politik, denn die Koalition vertrete schon seit Monaten die Position, dass man nur gemeinsam die globalen Probleme lösen könne. Die Konferenz habe auch gezeigt, dass Merkel mit ihrer Position nicht alleine dastehe: "Die Reaktion auf die Rede von Frau Merkel war großer Applaus, teilweise Standing Ovations. Die Antwort auf die Rede von Herrn Pence war freundlicher Applaus und ansonsten großes Schweigen. Wir sind mit unserer Haltung alles andere als allein."
Diese Einschätzung von Merkels Rede teilt Constanze Stelzenmüller: "Die Pence-Rede fand ich auch gespenstisch." Man solle momentan gegenüber den USA Haltung zeigen, wo man anderer Meinung sei und gleichzeitig, wo nötig, kooperieren. Es gäbe zudem auch innerhalb Amerikas eine Bewegung, etwas zu verändern. Ob es aber tatsächlich so viele Multilateralisten in Europa gibt, zweifelt Stelzenmüller an: "Wir sind in Europa zerstritten wie noch nie."
INF-Vertrag:
Dass die USA den INF-Vertrag vor kurzem gekündigt haben, ist für Sevim Dağdelen ein Affront: "Die Aufkündigung des INF-Vertrages bedeutet nichts anderes, als den Verrat europäischer Sicherheitsinteressen durch die USA. Die Bundesregierung hat nichts unternommen, um den Vertrag zu retten."
Heiko Maas sieht die Hintergründe der Kündigung anders: "Der eigentliche Grund ist, dass man sowohl in Moskau als auch in Washington einsieht, dass man sich selber bindet bei der Entwicklung nuklearer Mittelstreckenraketen, aber gleichzeitig in China oder Nordkorea andere, die nicht Teil diese Vertrages sind, diese Waffensysteme längst entwickelt haben. Wenn man ernsthaft über Abrüstung redet, geht das nicht ohne die Chinesen."
Auf- oder Abrüstung:
"Wir dachten, das Thema ist erledigt, ist es aber nicht", bringt Heiko Maas den Umstand auf den Punkt, dass in den letzten Jahrzehnten überhaupt nicht mehr über Abrüstung und Rüstungskontrolle gesprochen worden sei. Neben der Einbindung Chinas und anderer Länder sieht Maas bei der internationalen Abrüstung noch einen zweiten Punkt: "Wir reden über Atombomben, aber in den letzen Jahrzehnten sind neue Waffengattungen entwickelt worden, für die es überhaupt kein internationales Reglement gibt."
Man brauche zusätzlich zum Dialog auch eine Durchsetzungsfähigkeit, meint Stelzenmüller, ergänzt aber den Hinweis, dass "Durchsetzungsfähigkeit nicht immer nur eng auf militärische Aufrüstung gedacht werden muss. Durchsetzungsfähigkeit heißt vor allem anderen politisches Vertrauen und Kohäsion in Europa. Das ist der Anfang von allem." Ein viel größeres Problem als einen territorialen Angriff aus Russland sieht Stelzenmüller in der hybriden Kriegsführung durch Russland, China oder den Iran. Dagegen brauche man ein funktionierendes Europa.
Für Georg Mascolo bedarf es verantwortungsvoller Politiker in Russland und den USA, denn: "Es geht gar nicht darum, ob man ein neues atomares Wettrüsten verhindern kann, weil wir in Wahrheit schon mittendrin sind."
Bei der Frage, welchen Beitrag Europa bei der Abrüstung leisten könne, erinnert Stelzenmüller daran, dass es noch andere Wege gebe: "Wir müssen asymmetrisch denken. Wo sind wir am mächtigsten? Als Wirtschaftsraum. Da können wir tatsächlich punkten. Wo sind wir wichtig? Da, wo die Amerikaner und Russen uns brauchen."
Als es dann noch einmal über die Rüstungs- und Aufrüstungspolitik von Deutschland ging, weißt Maas zum einen darauf hin, dass die Verbesserung der Ausrüstung der Bundeswehr mehr als wichtig sei und zum anderen, dass die deutschen Rüstungsexporte um 20 Prozent zurückgegangen seien.
Das konnte Sevim Dağdelen so nicht stehen lassen: "Laut Rüstungsexportrichtlinie müssen Exporte in Drittstaaten eine absolute Ausnahme sein. Herr Maas, in den letzten Jahren ist das zur Regel geworden."
Der Schlagabtausch des Abends:
Jeder gegen jeden. Einen wirklichen Konsens gab es in der Runde nicht. Jeder erhielt bei seinen Argumentation mal Zustimmung und mal Widerspruch, wie es in einer lebhaften Diskussion eben so ist. Nur Heiko Maas und Jürgen Trittin verfielen hin und wieder in parteipolitische Spielchen und rechneten dem anderen vor, wann welche Partei was gemacht oder unterlassen hatte.
Am ehesten konnte man die Runde noch in die drei Realpolitik-Vertreter Maas, Trittin und Stelzenmüller sowie Dağdelen als Idealpolitikerin und Mascolo in der Beobachterrolle unterteilen.
Dass sich die Runde einig über die neue Qualität der aktuellen Weltordnung ist und auch darüber, dass Deutschland nun mehr Verantwortung übernehmen muss, beantwortet zwar Wills Ausgangsfrage. Für einen richtigen Konsens taugt diese Erkenntnis aber nicht. Dazu war sie von Anfang an zu banal.
Die Erkenntnis des Abends:
Dementsprechend gering oder groß, je nach Perspektive, fielen dann die Erkenntnisse für den Zuschauer aus. Als kleinste gemeinsame Nenner könnte man die Erkenntnisse mitnehmen, dass Außen- und Sicherheitspolitik nicht mehr ohne China gemacht werden kann und dass Deutschland und Europa an ihrer Durchsetzungsfähigkeit arbeiten müssen, was aber nicht zwangsläufig Aufrüstung bedeuten muss.
Das Fazit:
Es war eine lebhafte Diskussion, die zwar keine wirklich neuen Erkenntnisse brachte, aber dem Zuschauer immerhin einmal kurz in den Werkzeugkasten der Außen- und Sicherheitspolitik blicken ließ.
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