• Bei der Präsidentenwahl auf den Philippinen liegt der Sohn des einstigen Diktators Ferdinand Marcos vorne.
  • Marcos Jr. war im Wahlkampf sehr präsent in den sozialen Netzwerken und setzte Beobachtern zufolge auf Desinformation.
  • Bei der separaten Wahl zur Vizepräsidentin liegt die Tochter des umstrittenen bisherigen Präsidenten Rodrigo Duterte vorne.

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Bei der Präsidentenwahl auf den Philippinen liegt der Sohn des einstigen Diktators Ferdinand Marcos inoffiziellen Berechnungen zufolge klar vorne. Ferdinand "Bongbong" Marcos Jr. bekam nach Teilauszählungen mehr als doppelt so viele Stimmen wie die bisherige Vizepräsidentin und Oppositionsführerin Leni Robredo. Die umstrittene Familie Marcos würde damit 36 Jahre nach ihrer Vertreibung in den Malacañang-Palast in Manila zurückkehren.

Das Volk hatte sie 1986 aus dem Land getrieben, der damalige Präsident und seine Ehefrau flüchteten nach Hawaii. Wie hoch die Wahlbeteiligung war, war laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) zunächst noch unklar. Rund 67 Millionen Menschen waren zur Wahl aufgerufen, insgesamt bewarben sich neun Kandidaten und eine Kandidatin um das höchste Staatsamt.

Duterte-Tochter voraussichtlich neue Vizepräsidentin

Ursprünglich waren auch Marcos' größter Konkurrentin Robredo gute Chancen zugerechnet worden. "Die Hauptkandidatin der Opposition will die Demokratie auf den Philippinen wiederherstellen", sagte Aries Arugay, Professor für Politikwissenschaft an der Universität der Philippinen, Marcos Jr. dagegen wolle "das Land weiter weg von der liberalen Demokratie führen, es populistischer und autoritärer machen, das ist glasklar." Seine Familie wurde vor allem mit Mord, Folter, Kleptokratie und dem spurlosen Verschwinden politischer Gegner in Verbindung gebracht. In den Schränken des Palastes wurden nach der Flucht Hunderte Handtaschen und Abendroben sowie Tausende Paar Schuhe gefunden.

Bei der Wahl zur Vizepräsidentin lag der Auszählung zufolge Sara Duterte deutlich vorne, die Tochter des scheidenden Präsidenten Rodrigo Duterte. Sie war bei der Wahl zusammen mit Marcos angetreten, für beide Ämter gibt es getrennte Wahlen. Ihr Vater durfte nach sechs Jahren selbst nicht mehr antreten und stand international wegen seines brutalen Vorgehens gegen Drogenkriminalität in Kritik. Schätzungen zufolge fielen Dutertes "Drogenkrieg" Tausende Menschen zum Opfer, der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ermittelt gegen ihn.

Marcos Jr. verklärt die Zeit der Diktatur

Marcos wiederum gab sich während des Wahlkampfs modern und war sehr präsent in sozialen Netzwerken wie YouTube und TikTok, wo ihm Millionen Menschen folgen. Viele Wählerinnen und Wähler sind laut dpa nicht einmal 30 Jahre alt und haben keine Erinnerung an die Zeit des Marcos-Regimes. Von dieser Zeit distanzierte sich Marcos Jr. öffentlich nicht, seine Botschaft war vielmehr: Lasst uns nach vorne schauen und nicht mehr über die Vergangenheit streiten. Erst kürzlich bezeichnete er seinen inzwischen verstorbenen Vater als "Staatsmann, ein politisches Genie". Der eigentliche politische Star in der Familie sei aber Mutter Imelda, die die Herzen aller gewinnen könne, "von den Marktverkäufern bis hin zur Königin von England".

Von der Zeit der Diktatur sprach er als einem "goldenen Zeitalter" voller Wohlstand für das Land. "Das alles zeigt, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben, um bei den Menschen ein politisches Bewusstsein zu entwickeln", sagte die prominente Menschenrechtsaktivistin Etta Rosales. Die Leute würden "nur noch die Schlagzeilen" lesen. Falls Marcos Jr. die Wahl gewinne, dann sei das vor allem auf die Desinformation der Wählerinnen und Wähler zurückzuführen. "Aber was können wir tun? Es bleibt uns nichts, als weiter für die Demokratie zu kämpfen", so Rosales. (dpa/okb)

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